Von den besten lernen: Marathon-Interview mit Peter Greif

Bildquelle: www.greif.de
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Peter Greif, geboren 1943, gründete 1988 zusammen mit seiner Frau die Firma Greif-Sportreisen, um es auch Hobbyläufern zu ermöglichen, optimal zu trainieren. Mittlerweile ist er der vielleicht erfolgreichste Marathontrainer Deutschlands, mit 16 Männern, die es schafften, unter 2h30 zu laufen. Auch seine Firma expandiert weiterhin und vertreibt nicht nur Trainingspläne, sondern versendet auch Sportartikel und führt Trainingsreisen und –seminare durch.

Peter selbst fing erst mit 29 Jahren, als Seiteneinsteiger aus dem Handball, mit dem Laufen an, lief aber bereits nach einem Jahr den ersten Marathon in 2h41. 1976 schaffte er es mit 2h29 erstmals unter die Grenze von 2:30 Stunden. Dann allerdings musste er aussetzen, nach einer Bandscheibenoperation traten schwere Lähmungen des linken Beins auf. Der 34-jährige wird für 6 Wochen in den Rollstuhl und für ein Vierteljahr an den “Stock” gezwungen, außerdem gibt es ein Sportverbot auf Lebenszeit.

Ende der 80er, mit der Rückkehr in seine Heimatstadt Seesen, gründet Peter mit einigen Laufenthusiasten aus seinem Heimatverein MTV Seesen heraus die Langstreckengruppe der LG Seesen, die er als Trainer führt. Auch er selbst beginnt wieder mit dem Lauftraining und hat unerwartet wenige Probleme. Mit 41 Jahren bringt er seine persönliche Spitzenleistung mit einer Zeit von 2h24’12 für den Marathon.

Laufen hilft will von den Besten lernen und freut sich deshalb über die Möglichkeit des exklusiven Interviews mit Peter:

Markus: Hallo Peter, wie geht es Dir? Schnürst Du immer noch die Laufschuhe oder beschränkst Du Dich mittlerweile auf Deine Trainertätigkeit?
Peter: Das Laufen habe ich mittlerweile aufgegeben, trainiere aber jeden Tag eine bis anderthalb Stunden lang auf dem Mountainbike. Meine Trainertätigkeit beschränkt sich im großen Ganzen auf die etwa 1800 Mitglieder des Greifclubs. Da bleibt nicht viel Zeit übrig, denn jeder dieser Mitglieder bekommt monatlich einen individuellen Trainingsplan.

Markus: Wie betrachtest Du rückblickend Deine eigenen Erfahrungen: welcher war Dein schnellster und welcher Dein bester Marathon? Was war Dein größter Erfolg, sowohl als Läufer wie als Trainer?
Peter: Mein schnellster Marathon war in Frankfurter 1984 mit 2:24:12 h. Der größte Erfolg als Trainer war im Jahr 2000, als Ines Cronjäger in Duisburg den Einzeltitel gewann und gleichzeitig unser Damenteam ebenso siegte. So etwas ist eigentlich der Traum eines jeden Trainers, Einzel und Mannschaft zu gewinnen.
Mein bestes Rennen war 1985 beim Berliner 25 Kilometer Lauf in 1:23:20 h. Das entspricht in etwa einer Zeit von 1:09 h im Halbmarathon.

Markus: Was ist der Unterschied zwischen früher und heute? Wird heutzutage anders trainiert und gelaufen als früher?
Peter: Früher liefen wesentlich weniger Menschen Marathon, aber dies wesentlich unbefangener. Jeder rannte so gut er konnte und kaum jemand hatte Angst vor Übertraining. Wenn heute jemand einmal zwei Tage nach einem harten Training müde ist, dann wird schon gejammert und „nach dem Dr. gerufen.“

Markus: Natürlich waren viele Deiner Athleten selbst am Start. Verfolgst Du das ein oder andere Rennen live mit oder wartest Du auf Nachricht von den LäuferINNEn selbst?
Peter: Ich betrachte Live nur noch selten die Rennen. Besonders nicht mehr den Berlin-Marathon, dessen Geschiebe mich fast zur Übelkeit treibt. Was dort im letzten Drittel passiert ist kein Laufen mehr, sondern eine sportliche Vergewaltigung.

Markus: Wenn vor den Rennen Nervosität aufkommt, was sind dann Deine letzten Tipps?
Peter: Wichtig ist, dass sich der Athlet(in) auf einen ruhigen Anlauf konzentriert und sich nicht mitreißen lässt. Jeder muss einen kühlen Kopf haben und das heiße Herz erst ab Kilometer 25 auspacken.

Markus: Gibt es Läufer, die einfach keinen guten Marathon hinbekommen? Oder kommt es „nur“ auf das richtige Training an?
Peter: Jeder kann einen guten Marathon absolvieren. Selbst ein früherer Sprinter kann auf einen Marathonläufer umgeschult werden, was aber ein paar Jahre dauert.

Markus: Sind es nach wie vor „altmodische Werte“ wie Fleiß, Ehrgeiz und hartes Training, die einen guten Marathonläufer ausmachen?
Peter: Ja, die machen das Wichtigste aus.

Markus: Viel diskutiert werden Umfang und Intensität: wo ist das Optimum? Wie viele Kilometer sind nötig, um einen guten Marathon zu laufen?
Peter: Diese Frage ist kaum zu beantworten. Will ein Mann unter 2:10 h laufen oder 4 h? Ich selbst lief in meiner besten Zeit im Durchschnitt 140 Kilometer/Woche. Hatte aber Umfänge von über 200 in der direkten Marathonvorbereitung.

Markus: Wie funktioniert es beim Greif-Club, die Trainingspläne zu individualisieren? Wie sehr ist es nötig, den Plan auf den Einzelnen anzupassen?
Peter: Wir können unsere Pläne ziemlich genau auf den Einzelnen anpassen. Wenn jemand der aber noch keine 70 Minuten über zehn Kilometer laufen kann, dann sollte er es vorher erst einmal mit reinen Dauerläufen versuchen.
Was wir nicht können und wollen sind unrhythmische Programme. Weil ein Erfolg sich nur einstellt, wenn der Rhythmus von Belastung und Erholung ziemlich genau eingehalten werden soll oder muss. Man kann natürlich Tempo- und Regenerationsläufe verschieben, aber diese müssen dann im Ablauf der Wochen und Monate auf den richtigen Punkt gesetzt werden.

Markus: Das Standardprogramm wäre, zwei Marathonläufe pro Jahr zu absolvieren. Was wäre die ideale Alternative, wenn nur im Herbst ein Marathon gelaufen werden soll?
Peter: Wer nur im Herbst einen Marathon laufen will, der kann im Frühjahr dann zehn Kilometer oder Halbmarathon laufen. Dazu kann er dann einen H-Plan nutzen und im Sommer dann auf einem Marathonplan umsteigen. Diese Möglichkeiten des Wechsels von verschiedenen Plan-Gruppen sind jederzeit möglich.

Markus: Was macht einen guten Trainer aus? Würdest Du jedem empfehlen, einmal Deine Pläne auszuprobieren?
Peter: Diese Frage halte ich für ziemlich albern. Ich würde doch diesem Job nicht machen, wenn ich nicht von meinen Fähigkeiten überzeugt wäre.

Markus: Gibt es eine besonders wichtige Einheit bzw. Einheitenkombination für den Marathon? Warum?
Peter: 35 Kilometer mit Endbeschleunigung.

Markus: Es gibt verschiedene Punkte, an denen man angreifen kann, um sich im Marathon zu verbessern, beispielsweise die Grundschnelligkeit, die Ausdauer, die Schwelle oder auch den Fettstoffwechsel. Wie geht man am besten vor?
Peter: Jeder sollte auf seine Stärken setzen und an den Schwächen arbeiten. Ich glaube, das wichtigste im Marathon ist der Wille zu siegen und sei es über sich selbst.

Markus: Reicht es, um sich im Marathon zu verbessern, immer besser zu trainieren, oder sollte auch beispielsweise an der Ernährung oder der psychischen Einstellung gearbeitet werden?
Peter: Das mit der psychischen Einstellung habe ich oben schon beantwortet. Die Ernährung ist bei weitem überschätzt. Meine Zeit reicht leider nicht aus, an dieser Stelle darüber zu diskutieren.

Markus: Du selbst warst als Läufer recht schwer. Jetzt forderst Du von Deinen Athleten einen Körperfettanteil von 10%. Wie findet man sein Idealgewicht zum Laufen? Ist leichter immer besser?
Peter: Ein Mann sollte nicht über zehn Prozent Körperfett haben und eine Frau nicht über 20. Alle Eliteläufer, die ich selbst vermessen habe, hatten ein Körperfett um die sieben Prozent. Die austrainiertesten waren bei den Männern unter anderen Waldi Cierpinski mit 5,6 Prozent und Grete Weitz mit 9,7.

Markus: Allein vom Alter her könntest Du Dich zur Ruhe setzen. Wie lange kann noch als Trainer auf Dich gezählt werden? Gibt es bereits einen Nachfolger?
Peter: Ich werde so lange arbeiten bis Krankheit, Tod oder die Demenz mich dahinrafft!

Markus: Heiß diskutiert werden derzeit die Qualifikationsnormen für die Olympischen Spiele im Marathon. Wie stehst Du dazu, dass der DOSB sehr schnelle Zeiten von den deutschen Läuferinnen und Läufern fordert?
Peter: Das ist richtig so, wir brauchen bei Erdteilmeisterschaften keine hinterher-Läufer aus Deutschland. Dass es geht, zeigt aktuell Arne Gabius.

Markus: Vielen Dank für Deine Zeit und weiterhin viel Erfolg! Hast Du einen abschließenden Tipp, speziell für den Marathon oder auch zum Laufen im Allgemeinen?
Peter: Rennen macht es, nicht das Joggen!!!