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Trainings- und Wettkampfernährung: train low, Kohlenhydrate und mehr

Durch das Buch von Dr. Feil und die großartigen Erfolge von Arne Gabius und Jan Frodeno, die sich wohl in dieser Hinsicht haben beraten lassen, ist es im Ausdauersport zum Trend geworden, Kohlenhydrate im Training zu reduzieren („train low“) und erst für den wichtigen Wettkampf die Speicher wieder zu füllen („compete high“). Dadurch soll der Fettstoffwechsel trainiert werden um die Ausdauerleistung zu steigern.

Die Begründung dahinter leuchtet ein: unsere Kohlenhydratspeicher sind begrenzt, die Fettspeicher nicht. Werden erstere geschont, kann länger auf hohem Niveau gelaufen (bzw. Ausdauersport betrieben) werden. Auch ich habe mich an dieser Ernährungsweise versucht, bin nun aber von diesem Weg abgekommen. Warum? Dafür will ich etwas ausholen:

 

Was wollen wir eigentlich erreichen?

Zumindest im Labor steht fest, dass eine höhere Kohlenhydrataufnahme im Wettkampf (verglichen wurden Marathonläufer, die 20-25 g Kohlenhydrate/h aufgenommen haben, zu solchen, die 40-50g/h aufgenommen haben) für eine bessere Leistung sorgt (Mills, 2017). Im Vergleich dazu konnten bis heute nur sehr wenige Studien positive Effekte des „train low“-Ansatzes auf die Leistung feststellen (Jeukendrup, 2017b). Um jedoch viele Kohlenhydrate (60-90 g/h, Jeukendrup, 2017a) aufnehmen zu können, ohne Verdauungsprobleme zu erleiden, muss der Magen-Darm-Trakt trainiert werden.

Weiterhin begründet Patel (2017) sehr einleuchtend, dass ein höherer Anteil des Fettstoffwechsels an der Energiegewinnung gar nicht gewünscht sein kann: die Energie beim Sport wird immer aus einer Mischung von Kohlenhydraten und Fetten (und Eiweißen) bereitgestellt und die Leistung leidet erheblich, wenn die Kohlenhydrate zur Neige gehen. Das eigentliche Hindernis ist aber die Verfügbarkeit des Sauerstoffs. Von einer festen Menge Sauerstoff kann aus Kohlenhydraten mehr ATP generiert werden als aus Fett. Bei geringen Intensitäten stellt das kein Problem dar, bei höheren jedoch wird die Leistungsfähigkeit eingeschränkt, wie Studien mit Hochleistungssportlern (olympische Geher) zeigen.

Das Problem: Durch sogenannte low-carb Ernährungsweisen kann der Anteil des Fettstoffwechsels im Training gesteigert werden. Schon nach 3 Wochen mit low-carb-high-fat-Ernährung wird mehr als doppelt so viel Fett wird verbrannt wie bei „Kohlenhydrat-Gruppen“. Studien, die die Wirksamkeit solcher Diäten überprüfen, testen aber meist nur mit Geschwindigkeiten unterhalb der Wettkampfgeschwindigkeiten. Solche Werte dürfen nicht extrapoliert werden!

Was wollen wir also eigentlich erreichen? Einen höheren Anteil des Fettstoffwechsels? Wohl kaum – das Hauptanliegen ist die bessere Leistung, die schnellere Zeit!

 

Ernährungskonzepte

Betont werden muss zunächst vor allem, dass keine Methode für alle Situationen und Individuen passen kann. Jeder muss sich selbst über sein Ziel im Klaren sein. „Low carb“ ist natürlich nicht der einzige aktuelle Ernährungsansatz. Ernährung nutzt nicht nur für die kurzfristige Leistungsverbesserung, sondern auch für Langzeiteffekte.

Grundsätzlich können Adaptationen, hervorgerufen durch Training, durch die Ernährung abgeschwächt oder verstärkt werden (Jeukendrup, 2017b). Der „train low“-Ansatz findet seine Begründung darin, dass es Zusammenhänge zwischen Kohlenhydratverfügbarkeit und der Genexpression gibt. Es wird angenommen, dass mit weniger Kohlenhydraten der Körper ein stärkeres Signal bekommt, sich an das Training anpassen zu müssen.

Dafür gibt es verschiedene Methoden. Es kann beispielsweise zwei Mal am Tag trainiert werden, ohne dass dazwischen Kohlenhydrate aufgenommen werden. Dadurch wird in der zweiten Einheit mit leeren Muskelglycogenspeichern trainiert, was eventuell dem Fettstoffwechsel zugutekommt. Ebenso kann nüchtern vor dem Frühstück trainiert werden. Dann sind die Muskelglykogenspeicher voll, die Leberglykogenspeicher aber leer. Diese Methode scheint für die Sauerstoffaufnahmekapazität der Muskeln sowie für den intramuskulären Fettstoffwechsel effektiv zu sein. Weitere Beispiele sind die Kohlenhydratbeschränkung nach dem Training, wodurch es zwar zu einer stärkeren metabolische Reaktion, nach 24 h aber zu keinen Unterschieden zwischen Kontrollgruppen kommt sowie die ketogene Ernährung, bei der dauerhaft fast ausschließlich auf Kohlenhydrate verzichtet wird, wodurch sich der Fettstoffwechsel verbessert, was aber zu größerer Müdigkeit und weniger Trainingskapazität führt, außerdem fehlt der nachgewiesene positive Effekt auf die Leistung.

Dementgegen steht das „train high“-Prinzip. Kohlenhydrate sind wichtig, um die Qualität im Ausdauertraining zu halten und die Symptome von Ermüdung und Sich-Übernehmen zu reduzieren.

Vereint werden beide Methoden durch die sogenannte „periodized nutrition“ (auch „nutritional training“ als Synonym), ein Konzept, das durch Training und Ernährung das Ziel hat, die Trainingsleistung zu verbessern. In der periodisierten Ernährung wird die Nahrung an längerfristige Trainingsziele angepasst. Gemeint sind alle Methoden, die sich mit der Nährstoffzusammensetzung vor, während und nach dem Training auseinandersetzen. Beispielsweise könnte in einer ersten Phase, in der Gewicht verloren werden soll, die Kalorienzufuhr vermindert, in der nächsten Phase, in der sich eine höhere Trainingsbelastung kumuliert, der Fokus auf Erholung und Leistung und damit mehr Kohlenhydraten liegen.

 

Aktuelle Empfehlungen

Der auf Perfektion ausgelegte Versuch, die 2-Stunden-Marke über die Marathondistanz zu brechen, machte es vor: beim breaking2-Projekt wurde alle sieben Minuten verpflegt (Mills, 2017). Die Begründung liegt darin, dass für Ausdauersportarten, die länger als 30 Minuten dauern, die typischen Gründe für Ermüdung Dehydrierung und leere Kohlenhydratspeicher sind: Muskelglykogen und Blutzucker (Glucose) sind die wichtigsten Energielieferanten für die Muskeln (Jeukendrup, 2017a).

Die Empfehlungen von Jeukendrup (2017a) lauten deshalb wie folgt: Ab einer Wettkampfdauer von 90 Minuten lohnt sich das „Carboloading“ vor dem Wettkampf. Während eines Wettkampfs sollte der Gewichtsverlust (vor allem durch den Flüssigkeitsverlust, der ebenso zu starken Leistungseinbußen führen kann) nicht mehr als 2-3 % betragen. Deshalb muss die Verpflegung individualisiert werden.

So kann eine Kohlenhydrataufnahme während des Trainings/Wettkampfs die Ausdauerleistung selbst bei hohen Intensitäten (> 75 % VO2max) und relativ kurzer Dauer (~1 h) steigern. Dafür reicht es aus, wenn die Mundschleimhaut Kohlenhydrate „registriert“ („carbohydrate mouth rinses“). Es geht nicht um den metabolischen Effekt, sondern um das Signal.

Ab einer Wettkampfdauer von 2 h ist es wichtig, Kohlenhydrate aufzunehmen. Die Empfehlung für „serious athletes“ ist die folgende:

Wettkampfdauer Empfohlene Menge an Kohlenhydraten
< 30 min Keine
30 – 75 min Mundspülung
1 – 2 h Bis zu 30 g/h
2 – 3 h Bis zu 60 g/h
> 2,5 h Bis zu 90 g/h

 

Dabei sollten verschiedene Kohlenhydratformen kombiniert werden. Erstens, um eine bessere Verteilung der Energiezufuhr zu gewährleisten, zweitens, um mehr Energie in kürzerer Zeit aufnehmen zu können, drittens, um Verdauungsproblemen vorzubeugen und viertens, um die Flüssigkeitsaufnahme zu verbessern. Um Flüssigkeit besser aufnehmen zu können, sollte Sportgetränken Salz beigegeben werden. Zusätzlich kann Koffein die Ausdauerleistungsfähigkeit steigern.

Unsere Ernährungsgewohnheiten können nun die Aufnahmefähigkeit von Glucose beeinflussen. Reguliert wird die Aufnahme über das Protein SGLT1. Je mehr Glucose in der Nahrung ist, desto mehr SGLT1 stellt der Körper zur Verfügung. Die Anpassung geht allerdings sehr schnell (wenige Tage). In die andere Richtung (Fett) scheint es länger zu dauern (ca. 14 Tage) und wiederum die Kohlenhydrataufnahme nicht zu beeinflussen (Jeukendrup, 2017c).

Wegen der hohen Dosis kommen bei Ausdauersportlern häufig Magen-Darm-Probleme vor. Neben dem Zusammenhang mit der Einnahme von hochkonzentrierten Kohlenhydratlösungen scheint es weiterhin einen Zusammenhang von bestimmten Praktiken und erhöhter Wahrscheinlichkeit von Magen-Darm-Problemen zu geben. Dazu zählen der Verzehr von Ballaststoffen sowie von Fett.

Deshalb wird ein Training des Magen-Darm-Trakts empfohlen, sodass hochkonzentrierte Lösungen im Wettkampf problemlos eingesetzt werden können. Dafür werden kohlenhydratreiche Tage im Trainingsprogramm sowie eine Kohlenhydrataufnahme während des Trainings empfohlen. Das führt sowohl zu weniger Magenprobleme als auch zu besserer Leistungsfähigkeit.

„nutritional training“ wird von den meisten aber vernachlässigt, obwohl die Flüssigkeits- und Kohlenhydrataufnahme insbesondere bei Ausdauerleistungen eine entscheidende Rolle spielen kann (Jeukendrup, 2017c). Trainiert werden kann sowohl die Verminderung des Völlegefühls, wenn viel Flüssigkeit und/oder Nahrung aufgenommen wird, als auch die Aufnahme von Kohlenhydraten. Wie viele Kohlenhydrate aus der Nahrung aufgenommen werden können, kann durch den Speiseplan beeinflusst werden: schon nach 3-7 Tagen, an denen die Nahrung durch 120-440 g Glucose ergänzt wurde, konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass die Aufnahme von Glucose und Fructose deutlich schneller vonstattengeht. Interessanterweise war die Aufnahme von Proteinen nicht beeinflusst.

Abschließend sei noch erwähnt, dass die Idee, in der letzten Stunde vor dem Wettkampf auf Kohlenhydrate zu verzichten, um ein Absinken des Blutzuckerspiegels nach 15-30 Minuten zu vermeiden laut Jeukendrup unbegründet ist. Ferner wird empfohlen, vor dem Rennen Lebensmittel mit hohem Nitrat-Gehalt zu konsumieren, wie Blattgemüse oder Rote Beete. Nitrat soll dazu führen, die Muskelzellen in der Blutgefäßwand zu entspannen, was zu einer besseren Anreicherung von Sauerstoff in den Muskeln und damit zu einer höheren Effizienz und Kontraktionskraft führen soll.

 

Zusammenfassung:

  • Für Ausdauersportarten, die länger als 30 Minuten dauern, sind die typischen Gründe für Ermüdung Dehydrierung und leere Kohlenhydratspeicher: Muskelglykogen und Blutzucker (Glucose) sind die wichtigsten Energielieferanten für die Muskeln
  • Mehr Kohlenhydrate = mehr Leistung
  • Der Magen-Darm-Trakt muss trainiert werden, um viele Kohlenhydrate in kurzer Zeit (60-90 g pro Stunde) aufnehmen zu können
  • Eine Mischung von Kohlenhydraten, bspw. Fruktose und Glucose, ist einfacher zu verdauen als nur eine Art
  • Ab einer Wettkampfdauer von 90 min lohnt sich das „Carboloading“
  • Ab einer Wettkampfdauer von 2 h ist es wichtig, Kohlenhydrate aufzunehmen
  • Adaptationen, hervorgerufen durch Training, können durch die Ernährung abgeschwächt oder verstärkt werden
  • Kohlenhydrate sind wichtig, um die Qualität im Ausdauertraining zu halten und die Symptome von Ermüdung und Sich-Übernehmen zu reduzieren
  • In Zukunft wird es in guten Trainingsplänen auch Vorschläge zur Ernährung bzw. klare Ernährungsziele geben
  • Ballaststoffreiche Lebensmittel sollten unmittelbar vor dem Wettkampf vermieden werden

 

Quellen:

Jeukendrup, Asker E. (2017a). Nutrition for endurance sports: Marathon, triathlon, and road cycling. Journal of Sports Sciences (2011) 29 (Suppl 1): S. S91-S99. Online verfügbar unter http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/02640414.2011.610348

Jeukendrup, Asker E. (2017b). Periodized Nutrition for Athletes. Sports Med (2017) 47 (Suppl 1): S. S51-S63. Online verfügbar unter https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-017-0694-2

Jeukendrup, Asker E. (2017c). Training the Gut for Athletes. Sports Med (2017) 47 (Suppl 1): S. S101-S110. Online verfügbar unter https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-017-0690-6/fulltext.html

Mills, Heidi (2017). To Break the 2-Hour Marathon, Runners Will Have to Change the Way They Fuel. URL: https://www.outsideonline.com/2170396/break-2-hour-marathon-runners-will-have-change-how-they-fuel

Patel, Kamal (2017). Low-carbing for endurance: the oxygen problem. URL: https://examine.com/nutrition/low-carbing-for-endurance/