Schlaf

Update: Das Laufen und der Schlaf

„Wir brauchen Schlaf, um wirklich leistungsfähig zu sein.“ – Prof. J. Zulley (Seng, 2010)

Unser Schlafbedürfnis ist individuell und verändert sich durch Sport. Im Tiefschlaf regenerieren wir. Erholungsfunktionen, die tagsüber unterdrückt werden, kommen zur Geltung, die so wichtigen Wachstumshormone werden ausgeschüttet und das Immunsystem bekommt die notwendige Zeit, den Körper gesund zu halten. Doch wie viel Schlaf brauchen wir Läufer*innen? Mehr als andere?
Faustformeln gibt es einige. Mal heißt es, dass wir pro 10 km, um die wir unser Wochenpensum erhöhen, eine Viertelstunde mehr Schlaf pro Nacht benötigen. Oder so ähnlich. Grobe Schätzungen ohne wissenschaftliche Grundlage!

Wenn das Laufen im moderaten Rahmen bleibt, kann laut dem Center for Circadian Medicine in Sarasota (Florida) das Schlafbedürfnis sogar sinken (Kuzma, 2014), weil durch das Training mehr Adenosin ausgeschüttet wird, was mit einem besseren Schlaf in Verbindung zu stehen scheint.

Der Mensch als Individuum

Wie so vieles ist unser Schlafbedürfnis aber sehr individuell. Im Durchschnitt schläft der Deutsche zwar 7 Stunden und 15 Minuten, Dr. Thomas Weiss (2015) weiß aber, dass kaum ein biologischer Rhythmus so große zeitliche Unterschiede aufweist wie der Schlaf. So benötigen manche Menschen ständig zehn bis zwölf Stunden Nachtruhe, während andere mit nur vier Stunden auskommen. An diesem Bedürfnis können laut derzeitigem Wissensstand weder die Lang- noch die Kurzschläfer etwas ändern.

„Sleep is as important as your workout!“ – Joe English (Kuzma, 2014)

Der größte Vorteil von Profisportlern scheint zu sein, dass für die Regeneration genug Zeit vorhanden ist. So halten die meisten Spitzensportler zusätzlich zu langen Schlafenszeiten in der Nacht regelmäßig Mittagsschlaf. Ryan Hall beispielsweise bezeichnet seine mittäglichen „naps“ als „business meetings“. Die theoretische Begründung kann zum einen darin gesehen werden, dass nichts besser für die Regeneration ist als der (Tief)Schlaf: Eine Stanford-Studie legt nahe, dass die sportliche Leistung durch mehr Schlaf gesteigert werden könne.

Diese Studie war außergewöhnlich: zunächst wurde die Messbasis über zwei bis vier Wochen erhoben. Dafür wurden im Basketballteam die spielbestimmenden Faktoren, wie z. B. Sprintgeschwindigkeit, Trefferquote, Reaktionszeit usw., gemessen. Anschließend wurden die Spieler angewiesen, über die nächsten sechs bis sieben Wochen so viel zu schlafen wie möglich. Angestrebt werden sollten mindestens zehn Stunden pro Nacht, um die Leistung zu verbessern.

Die Korbjäger machten mit und schliefen jede Nacht im Schnitt 1:50 Stunden länger. Dann wurden die Faktoren erneut gemessen und zeigten beeindruckende Resultate: die Spieler sprinteten 4 % schneller, warfen sowohl Freiwürfe als auch 3-Punkte-Würfe mit 9 % besserer Trefferquote und waren bei den Reaktionszeiten signifikant schneller. Und das bei einer der besten Collegemannschaften Amerikas! Ein Folgeexperiment mit Schwimmern bestätigte die Studie.

„Sleep is the most important „supporting session“ there is.“ – Stulberg & Magness (2017)

Schlaf heißt wachsen

Im Schlaf werden Muskeln und Knochen repariert, ferner werden Wachstumshormone (Somatropin) ausgeschüttet. Fehlen Wachstumshormone, erhöht sich die Körperfettmasse (hauptsächlich das Viszeralfett) und sowohl die Muskelmasse wie auch die Knochenmineraldichte werden reduziert (Luger, 2007). Auch Korrelationsstudien von Hasler et al. (2004) sowie Gonnissen und Kollegen (2013) zeigen einen Zusammenhang von ausreichend Schlaf mit geringerem Hüftumfang. Zu wenig Schlaf bedeutet einen Stressfaktor: der Tageskortisolspiegel wird erhöht, der Kohlenhydratstoffwechsel wird beeinflusst. Durch Ghrelin und Leptin kommt es zu verstärktem Appetit (Leproult & Van Cauter, 2010). Auch wegen dieser Effekte auf das Gewicht ist es laut Dellapena (2014) insbesondere in der Tapering-Phase sogar wichtiger, genügend zu schlafen, als Kilometer zu machen.

Weiterhin wird im Schlaf Wasser reabsorbiert: Die Nieren regulieren den Wasserhaushalt und Elektrolyte wie Natrium (Dellapena, 2014). Der Grund weshalb am Morgen uriniert werden muss.

Schlaf in der Zusammenfassung

Schlussendlich gibt es noch die Replay-Theorie. „Running is a very big learning experience“, so Dr. Edlund (Kuzma, 2014). Während des Lauftrainings muss das Gehirn sehr viele Informationen verarbeiten: wie sich der Körper bewegt, welche Muskeln angesteuert werden, wie auf Umwelteinflüsse reagiert wird. Mit der Zeit werden wir ökonomischer – weil der Körper lernt. Die Replay-Theorie besagt, dass während des Schlafs neu gelerntes Wissen und Erfahrungen abgespeichert werden; im Schlaf werden auf neuronaler Ebene die gleichen Prozesse abgespult, die tagsüber durchgeführt wurden (Zulley, 2015).

Als Fazit halten wir fest: die Wissenschaft kann uns nicht sagen, wie viele Stunden Schlaf genug sind – wir sind einfach zu individuell. Außerdem macht es nichts, wenn in nur einer Nacht schlecht geschlafen wurde. Für langfristig gute Leistung gehört aber ausreichend Schlaf zum Training dazu. Es heißt, früher ins Bett zu gehen! Für eine bessere Regeneration und damit bessere Ergebnisse.

„With all these benefits, it’s no wonder the best athletes in the world prioritize sleep. It’s not that they sleep because the are elite. They are elite because they sleep.“ – Stulberg & Magness (2017)

Quellen:
Dellapena, D.; 2014. Sleep Better (And Longer) To Run Better. URL: http://running.competitor.com/2014/05/recovery/better-sleeping-for-better-running_77427
Gonnissen, H. K.; Adam, T. C.; Hursel, R.; Rutters, F.; Verhoef, S. P.; Westerterp-Plantenga, M. S.; 2013. Sleep duration, sleep quality and body weight: parallel developments. In: Physiol. Behav. 121:112-6.
Hasler, G.; Buysse, D. J.; Klaghofer, R.; Gamma, A.; Ajdacic, V.; Eich, D.; Rössler, W.; Angst, J.; 2004. The association between short sleep duration and obesity in young adults: a 13-year prospective study. In: Sleep 27(4):661-6.
Kuzma, Cindy; 2014. How to Get Better Sleep as a Runner – Catching more quality Z’s can make you a stronger, better runner. URL: http://www.runnersworld.com/health/how-to-get-better-sleep-as-a-runner
Leproult, R.; Van Cauter, E.; 2010. Role of Sleep and Sleep Loss In Hormonal Release and Metabolism. In: Endocrine Development 2010; 17:11-21
Luger, Prof. Dr. A.; 2007. Substitutionstherapie bei Wachstumshormonmangel. Journal für Fertilität und Reproduktion 17(1), Ausgabe für Österreich, Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, Gablitz, S. 15-18.
Seng, Franziska; 2010. Schlafbedürfnis – ein Fehler der Evolution? URL: http://www.sueddeutsche.de/leben/schlaf-und-sein-negatives-image-schlafbeduerfnis-ein-fehler-der-evolution-1.947643
Stulberg, Brad, Magness, Steve; 2017. Peak Performance – elevate your game, avoid burnout, and thrive with the new science of success. Rodale books, New York.
Weiss, Praxisklinik Dr. Thomas; 2015. Wieviel Schlaf ist normal? URL: http://www.weiss.de/krankheiten/schlafstoerungen/grundlagen/wieviel-schlaf-ist-normal/
Zulley, Prof. Dr. J.; 2015. Der Schlaf des Sportlers – Regeneration. URL: http://www.medicalsportsnetwork.com/archive/381019/Der-Schlaf-des-Sportlers-Regeneration.html

2 Kommentare

  1. So siehts aus. Ist eben individuell verschieden. Ich brauche mittlerweile (regelmäßig) 8h Schlaf, mindestens – und am liebsten noch vor 23h, das fühlt sich einfach besser an. Bei härteren Einheiten brauche ich dann ergo hinten raus auch wieder mehr Schlaf. Gibt sogar manche Wochenenden da kommt es auf 12h…was ich auch wieder als recht viel empfinde. Schlafe ich weniger als ich bräuchte, fühle ich mich krank und werde es manchmal sogar. Außerdem muss man ja bedenken, dass man als arbeitender Mensch, der am Ende des Tages noch laufen möchte, nicht nur bis 18h durchhalten muss, sondern auch noch danach und in Laufschuhen. Ich beneide die Menschen, die nicht so viel Zeit in Schlaf investieren müssen 😛

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