Ab wann genau kann man eigentlich von einer Siegesserie sprechen? Manche Zeitungen machen das, wenn es um Fußball geht, bereits nach drei Spielen. Wenn das auf das Laufen übertragbar ist, bin ich demzufolge seit gestern Seriensieger beim Melibokuslauf über die 20 km: nach einem Rennen durch Nebel und heftigen Regen 2016 und meinem langen Sololauf im letzten Jahr hatte ich bei meinem dritten Start am Melibokus aber zwei Gegner, die mir alles abverlangten – und dadurch den Sieg am Ende noch schöner machten. Für Rennen wie diese laufe ich. Aber von vorne:
Den Melibokuslauf zähle ich zu meinen Lieblingsläufen. Zwar ist im Bezug zur Siegerehrung noch einiger Optimierungsbedarf (man muss quer durch den Ort in eine Sporthalle, außerdem dauert es dann sehr lange, wobei auch im Start- und Zielbereich genügend Platz für Kuchenbuffet und Treppchen ist, wo dann auch die Atmosphäre viel passender wäre; die Ergebnisse sind sowieso schnell ausgehängt), aber das ist auch schon alles an Kritik. Das Rennen an sich könnte schöner nicht sein: es geht einmal rund um den Melibokus, mitten durch den grünen Odenwald. Über herrliche Waldwege, teils über verwachsene Pfade, oft völlig einsam und dabei mächtig hinauf und wieder hinunter. Eine sehr abwechslungsreiche Strecke, die einiges fordert: Trittsicherheit, Renneinteilung und sowohl Bergauf- wie auch Bergablauffähigkeiten.
Schon bei unserem ersten Besuch in Alsbach-Hähnlein, wo das Rennen auf einem am Rande liegenden Parkplatz startet und endet, hatten wir trotz des heftigen Regens großen Gefallen am Lauf gefunden. Der Melibokuslauf ist und bleibt ein liebevoll organisierter Berglauf, was ihn so sympathisch macht. Ein Marketing-Unternehmen sähe bestimmt viele Ansatzpunkte zur Kommerzialisierung – es ist aber gut, dass bisher noch keines gefragt wurde. Immerhin fand in diesem Jahr bereits die 49. Auflage statt, im nächsten ist Jubiläum.
Der 49. Melibokuslauf
Doch zurück zum Lauf. Nach einem herrlichen Kurzurlaub am vergangenen langen Wochenende mit einem klasse Rennen im Bayerischen Wald beim U.TLW waren wir noch so richtig im Trailfieber. Dazu noch die schönen Läufe der letzten beiden Jahre, sodass wir am Sonntagmorgen Richtung Odenwald aufbrachen, obwohl wir am Abend zuvor noch eine tolle Gartenparty mit vielen Freunden und leckeren Flammkuchen feierten.
Zugute kam uns da natürlich, dass der Startschuss in diesem Jahr erst eine Stunde später abgefeuert wurde. Das längere Schlafen hatte aber auch einen Nachteil: um 11 Uhr war es schon sehr warm, durch die relativ hohe Luftfeuchtigkeit glichen die Wälder des Melibokus einer Sauna. Bedingungen, die mir eigentlich nicht gut bekommen. Aber heute ging es einigermaßen, obwohl mir schon beim Einlaufen der Schweiß lief.
Schon die letzten fünf Minuten vor dem Start standen wir, die wir gleich zusammenlaufen würden, zusammen: da war Guiseppe Troia, der wie im Vorjahr die 10 km gewinnen würde. Ihn würden wir an der ersten längeren Steigung nach knappen drei Kilometern ziehen lassen. Außerdem war da der junge Orientierungsläufer Cedric Guthier, den ich im letzten Jahr in Heusenstamm kennengelernt hatte, als er sich den Hessenmeistertitel im Sprint holte. Und da war Michael Obst, den ich gefühlt auch schon immer von verschiedenen Volksläufen wie beispielsweise Jügesheim oder dem Darmstädter Stadtlauf kenne.
Los geht es beim Melibokuslauf direkt mit einer ersten Steigung, die von einem kurzen, gut laufbaren Bergabstück unterbrochen wird. Dann geht es richtig bergan. Die ersten Kilometer laufen wir in 3’41 und 5’03, was die Steigung ziemlich genau wiederspiegelt und wo sich Cedric schon sehr stark zeigt. Er bleibt länger an Guiseppe dran, lässt dann aber auch abreißen. Auf dem nachfolgenden flacheren Abschnitt laufe erst ich wieder heran, etwas später schließt auch Michael, der sich schnaufend ankündigt, zu uns auf.
Wie hoch ist eigentlich der Melibokus?
Dann harmonisieren wir ziemlich gut, während es weniger steil aber recht stetig nach oben geht. Niemand schneidet den anderen den Weg ab, mal laufe ich, mal Cedric vorne. Überholt wird immer, wenn der andere zu langsam wird. Michael bleibt dran. Die nächsten Kilometer laufen wir in 3’28, 3’32, 4’06, 4’11 und 3’55, was mir schnell vorkommt. Die genauen Splits aus dem letzten Jahr habe ich aber nicht mehr im Kopf.
Seit dem sechsten Kilometerschild haben wir die Strecke auch ganz für uns alleine. Wir laufen ein Stück weiter als die 10er und biegen am Ende des Weges scharf links ab, wo es steil nach oben geht. Hier ist Cedric eindeutig der stärkste: zum einen kommt er besser mit den abrupten Rhythmuswechseln klar, zum anderen kann er besser bergauflaufen als ich. Michael bleibt bis zu Kuppe bei mir, wo ich aber weiter Druck mache, wie man es immer lernt, wenn man Langlaufen im Fernsehen schaut.
So komme ich im Flachen wieder an Cedric heran und wir denken schon, Michael abgehängt zu haben. Zu zweit laufen wir auf das Stück, das wieder mit den 10ern gemeinsam belaufen wird. Die letzten drei Kilometer lief ich in 4’12, 3’49 und 3’25, sodass wir die 10 km in deutlich unter 40 Minuten passieren. Etwas im Zickzack geht es durch das Feld, bis die 10er geradeaus dürfen, während wir nach rechts abbiegen, um ganz nach oben auf den Melibokus zu laufen. Auch in diesem steilen Stück – ich brauche ganze 5’37 und 4’56 für die nächsten beiden Kilometer – ist Cedric wieder deutlich stärker als ich und vergrößert seinen Vorsprung rasch. So rasch, dass ich den dritten Sieg in Folge fast schon abschreibe.
Und damit nicht genug: nicht nur, dass mir Cedric enteilt, von hinten kommt Michael immer näher und geht schließlich auch vorbei. Ich wusste gar nicht, wie stark er Beglaufen kann! Plötzlich fühle ich mich gar nicht mehr stark, bleibe aber dran. Schließlich weiß ich, dass es bis oben nicht mehr allzu lang ist. In den Kehren nach oben (4’21 und 4’49) sehen wir immer wieder Cedric, der schon uneinholbar weit weg erscheint.
So schnell war ich noch nie
Dann aber sind wir endlich oben. Was haben mich die Jungs gequält! Ich nutze direkt die Kuppe, um Michael zu passieren. „Den kriegst du noch!“ gibt er mir mit auf den Weg, was ich ihm zwar nicht glaube, es durch diese Motivation aber zumindest versuchen will. Ganz weit vorne kann ich Cedric den Hang hinunterfetzen sehen.
3’04 und 3’12 – ich fliege geradezu den Berg hinunter. Und so wird der Part, den ich im Vorfeld als meine Schwäche eingestuft hätte, heute zu meiner Stärke. Nach 16 km übernehme ich wieder die Führung und kann meinerseits jetzt etwas vorne weg laufen. Um die Oberschenkel zu entlasten, versuche ich möglichst viel aus dem Fußgelenk zu arbeiten, denn ich weiß: da kommt noch eine Gegensteigung, bis zu der ich möglichst weit vor Cedric sein will. Nur dann ist der Sieg noch möglich.
Und es klappt: am härtesten Stück der Strecke, da, wo es gefühlt ewig nach oben geht, die Beine aber aus Gummi sind, kann ich vorne bleiben (4’01). Sogar so weit, dass ich mir für das letzte Bergabstück keine Sorgen mehr mache. Obwohl es bergab geht ist es durch die Geschwindigkeit aber weiterhin mächtig anstrengend. Nach 3’28 und 3’10 ist dann aber das letzte Kilometerschild erreicht und hinter mir niemand zu sehen. So kann ich die Zielgerade genießen und den hart erkämpften Sieg bejubeln.
1h17’43. Das war mächtig schnell. Fast zwei und fast vier Minuten schneller als in den letzten beiden Jahren – danke für das tolle Rennen, Jungs!
PS: Der Melibokus ist ein 517,4 m hoch. Er liegt im Odenwald bei Zwingenberg in Hessen und ist damit der höchste Berg an der südhessischen Bergstraße. Er ist einer der Lieblingsberge des berühmten hessischen Langstreckenläufers Markus Heidl 😉
Der Überblick
Datum: So, 10. Juni 2018
Ort: Alsbach-Hähnlein, Deutschland
Wettkampf: 49. Melibokuslauf
Distanz: ~19,6 km und 380 hm
Zeit: 1:17:43 h
Platz: 1.
Schuhe: Brooks PureGrit
Ernährung: Wasser
Fotos: Svenja
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