In jedem Rennen gibt es diesen einen Punkt, an dem sich entscheidet, ob es ein gutes Rennen wird oder nicht. Die ersten Kilometer – das kommt natürlich auf die Länge des Rennens an – ist es meist nicht allzu anstrengend. Man findet sein Tempo, man findet eine Gruppe und läuft dann relativ entspannt. Es fällt noch leicht, Kurven auf der Ideallinie zu laufen und danach zu beschleunigen, Gegenwind ist zwar nervig, macht aber noch keinen Unterschied und theoretisch wäre es sogar möglich, kurze Sätze zu wechseln.
Irgendwann – mal früher, mal später, mal schleichend, mal plötzlich – kommt dann aber der Punkt, an dem es hart wird. Dann kann man Tempo herausnehmen, gar den Kopf in den Sand stecken und aussteigen oder man beißt die Zähne zusammen und bringt die gefühlt deutlich höhere Anstrengung bis ins Ziel auf.
An guten Tagen fällt das leichter, an schlechten ist es unmöglich.
Ich hatte am Samstag Glück, dass ich kurz nach Erreichen dieses Punkts von Björn Kuttich ein- und überholt wurde. Es galt lediglich zu entscheiden, ob ich dranbleibe und ein gutes Rennen mache oder abreißen lasse und auf der zweiten Hälfte viel Zeit liegen lasse.
Das erste Rennen des neuen Jahres
Es kommt immer auf die Zielsetzung an, insbesondere auch beim Laufen. Mein Ziel ist es derzeit, so zu trainieren, dass ich fit bleibe: Mit einem guten Grundniveau macht Laufen viel mehr Spaß. Damit ist im Umkehrschluss weiterhin etwas Aufwand verbunden. Der Lohn sind Momente wie die ersten Kilometer eines Rennens, wenn es gut läuft. Zwar weiß man noch nicht, wie sehr man auf der zweiten Rennhälfte wird knautschen müssen, es ist aber einfach klasse, so schnell und gleichzeitig fast mühelos unterwegs zu sein.
Die gefühlte Anstrengung passte nach den ersten hektischen Metern im Stadion anschließend gut zum gewünschten Tempo. Weil ich versuchen wollte, unter 35 Minuten zu laufen, passte der erste Kilometer mit 3:30 min perfekt. Bis dorthin hatte sich auch eine Gruppe gefunden. Neben Stephan (Holesch), der mich immer wieder in der Führungsarbeit unterstützte, erkannte ich noch Björn (Kuttich) und Daniel (Nohe).
Die entscheidende Frage ist nicht, was du trainiert hast. Die entscheidende Frage ist, ob du schnell laufen kannst!
Bis km 3 lief es sehr gut bzw. so, wie ich es mir erhofft hatte. Mit 9:56 min waren wir gut unterwegs. Dann verloren wir aber etwas an Fahrt. Auf dem Asphaltstück, auf dem es sonst so gut rollt, wurden wir langsamer. Die Zwischenzeit bei Kilometer vier gab mit 3:34 Minuten den Anlass, dass sich in der Folge unsere Gruppe zerschlug: zwei liefen nach vorne weg, ich heftete mich an Daniels Fersen, hinter mir hatte ich das Gefühl, dass andere abreißen lassen mussten.
Bei Kilometer 4,5 wurde es dann besonders hart: Am Patershäuser Feld, wo man nach links abbiegt, wurde uns von der netten Streckenpostin „die Hälfte habt ihr schon“ zugerufen. Eine positiv gemeinte Anfeuerung wie in Kapitel „Die drei großen Lauflügen“ von „Bitte laufen Sie rechts ran!“ beschrieben, die spontan Widerstand bei mir auslöste. Wir hatten doch noch längst nicht die Hälfte geschafft! Der Gedanke war schon gedacht, bevor ich ihn verhindern konnte.
Das Rennen nach Hause laufen
Bis zur Streckenhälfte in 17:31 min konnte ich die Fersen von Daniel noch halten, schon 500 m später bekam ich aber Schwierigkeiten. Zweimal konnte ich mich wieder heransaugen, schließlich ging aber doch die Lücke auf. Jetzt war genau der Punkt erreicht, an dem sich das Rennen entschied. Würde ich an Tempo verlieren oder gar den Kopf in den Sand stecken?
Ich hatte Glück: noch während ich mit mir haderte, kam Björn herangelaufen und überholte mich. Fast hätte ich ihn ziehen lassen, überwand mich aber doch zu einigen wenigen größeren und schnelleren Schritten und hing jetzt an dessen Fersen. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte, denn hinter Björn fühlte es sich leichter an. Bis Kilometer sieben hatte ich so zwar weiter Boden auf den gewünschten Schnitt verloren, weit lagen wir aber nicht dahinter. Jetzt hatte ich auch wieder die Kraft und den Willen, Björn in der Führungsarbeit zu unterstützen. Mal lief ich nach vorne, mal er. Schließlich war das Wasserwerk erreicht, wo wir angefeuert wurden. Kurz darauf stand auch Svenja mit Jesper an der Strecke. Und dann ging es auf den letzten Kilometer.
Obwohl es unwahrscheinlich war, deutlich mehr als zehn Sekunden auf einem Kilometer herauszuholen, zog ich nochmal an. Dass es leicht bergab ging, machte die Sache einfacher. Björn ließ sich nicht abschütteln, sondern ging mit, sodass auch nicht die Gefahr bestand, dass ich nachließ. Nach der letzten Rechtskurve wehte der Wind von vorne, dann war das Stadion erreicht. Ein richtiger Zielspurt wurde es nicht, Björn ließ mir wenige Meter Vorsprung. Nach offiziellen 35:10 min war die Ziellinie erreicht.
Es war mir eine Freude
Die zweite Hälfte war damit nicht schneller, dennoch kann man von einem gleichmäßigen Rennen sprechen. Sowohl damit, als auch mit der Zielzeit bin ich für den derzeitigen Trainingsaufwand zufrieden. Es war mir eine Freude, nicht nur wegen des guten Rennens und dem tollen Gefühl auf den ersten Kilometern, es war vor allem sehr schön, all die netten Gesichter wiederzusehen. Wir Heidls sind und bleiben im Laufzirkus zuhause.
Der Überblick
Datum: Sa, 07. Januar 2023
Ort: Jügesheim, Deutschland
Wettkampf: 42. Rodgauer Winterlaufserie
Distanz: 10 km
Zeit: 35:10 min
Platz: 13.
Crew: Svenja, Jesper, Papa und Nora
Schuhe: Nike Vaporfly Next % 2
Ernährung: –
Fotos: Sabine, Svenja