Wenn 35 km genug sind

Es ist wieder soweit! Ende Januar steht traditionell der 50 km-Lauf des RLT Rodgau im Ultralauf-Terminkalender. Die Veranstaltung an der Waldfreizeitanlage Gänsbrüh in Rodgau-Dudenhofen hat sich im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte von einer kleinen Idee zu einem etablierten Ultralauf gemausert. Vor der COVID Pandemie pilgerten über 1.000 Läuferinnen und Läufer nach Dudenhofen, um dort im Wald und über das Feld zehn 5 km-Runden zu laufen.

Ich selbst hatte mich im November für einen Start entschieden. Zumindest hatte ich mich einmal angemeldet. Ob ich laufen würde, hing natürlich vom weiteren Verlauf des Winters ab. So hatte ich jedoch eine sehr gute Motivation für lange Läufe. Um fit zu bleiben gehört für mich etwas Tempotraining sowie auch die Langzeitausdauer zur wöchentlichen Routine. Und anders als erwartet kehrte die Fitness nach einem ungewollten zweiwöchigen Ausfall im November sehr schnell zurück. Mit den letzten Vorbereitungsläufen überraschte ich mich selbst ein wenig: 35 km mit Endbeschleunigung waren schneller als gedacht (3‘57/km), 15 km im angestrebten Wettkampftempo gingen völlig ohne Probleme.

Willkommen zurück

Nach den letzten Vorbereitungen freute ich mich entsprechend auf den Lauf. Während wir Jesper nicht so lange der windigen Kälte aussetzen wollten und Svenja mit ihm lieber zuhause blieb, kamen meine Eltern an die Strecke. Mein Vater würde Fotos machen, meine Mutter sich um meine Getränke kümmern. Erst letztens hatte ich gelesen, dass man sich als Eltern für die Themen seiner Kinder interessieren sollte. In meinen Eltern habe ich dahingehend die besten Vorbilder!

Und ich würde noch weitere Unterstützung haben. Max (Irle) hatte sich kurzfristig für einen längeren Tempodauerlauf entschieden und wollte mir etwas Tempo machen. Ich freute mich darauf, ihn nach langer Zeit in Haut und Farbe wiederzusehen. In der Vorbereitung für den Frankfurt Marathon 2019 waren wir bei vielen gemeinsamen Trainingseinheiten zu guten Freunden geworden.

Auch sonst gab es natürlich viele bekannte Gesichter, es war ein schönes Wiedersehen in Rodgau-Dudenhofen. Weil ich bereits vier Mal am Start gewesen war und eine Bestzeit von 3:16:26 h vorzuweisen hatte, hatte man mich zu den Favoriten gezählt und mir die Startnummer 3 gegeben. Wie es laufen würde, würde sich allerdings erst nach und nach zeigen. Bei meinen ersten beiden Starts (2015 und 2016) hatte ich mich selbst überrascht, beim dritten Versuch 2017 hatte ich zu viel gewollt. Und bei meinem vierten Start hatte ich nur einen Trainingslauf über 35 km absolviert.

Das wohltemperierte Getränk

Schließlich ging es los. Wir spielten kein Klavier, unsere Schritte hörten sich aber sicher ähnlich harmonisch an: es fühlte sich völlig natürlich an, sich hinter Max zu klemmen und einfach mitzulaufen. Wie früher, als wir eine um die andere Runde liefen. So wie jetzt, nur eben 5 km statt 400 m. Noch war das Tempo natürlich auch völlig locker. Das konnte allerdings trügerisch sein, schließlich war der Weg noch weit.

Wir hatten Glück mit dem Wetter. Weder lag Schnee auf der Strecke noch hatte es seit Beginn der Woche geregnet. Der Boden war für effizientes Laufen bereitet. Es zeigte sich in der Folge schnell, dass Max richtig gut drauf war. Zu gut, für mich zumindest. Denn nachdem wir schneller losgelaufen waren als geplant, wurde es dennoch nicht langsamer. Die Runde beim RLT-Ultra lässt einfach zu gut laufen: mit der Ausnahme des Wendepunkts und der Spitzkehre läuft man gefühlt nie bergauf, dafür insbesondere auf der Zielgerade deutlich bergab. Auch Lorenz trug als Führungsradfahrer zur guten Stimmung bei.

Nach den ersten beiden recht einsamen Runden – in 18’57 und 19’08 statt den geplanten 19’30 – gingen ferner die Überrundungen los. Viele andere Läuferinnen und Läufer feuerten uns an, die Stimmung war toll. Bis zur Streckenhälfte nach 1:35:36 h (19’15, 19’05, 19’11) war es ein geniales Rennen. Auch die Verpflegung klappte perfekt. Und dann ereignete sich die Anekdote des Tages.

Die Anekdote des Tages

Kurz zuvor hatte Max nämlich angekündigt, einmal kurz austreten zu müssen. Sein Plan war eigentlich, sich einen kleinen Vorsprung herauszulaufen, um kurz am Streckenrand anzuhalten. Unser Begleiter, Björn Sturm, ging den Antritt aber mit. Ich fiel zurück. Anlass für Max, das Tempo weiter hoch zu halten, bald darauf auch Björn abzuschütteln und bei diesen guten Voraussetzungen die vollen 50 km durchzuziehen. Er lief die zehnte Runde am schnellsten und mit 3:09:26 h auf den 49. Rang der ewigen deutschen Bestenliste. Was ein Rennen! Chapeau!

Für mich lief es prompt nicht mehr ganz so rund. Ich wurde etwas langsamer, hielt das Tempo jedoch weiterhin voll im Rahmen (19‘41). Von den Beinen her hatte ich einen guten Tag, scheinbar jedoch nicht im Kopf. Der Kampfgeist ließ nach. Ich lief zwar noch weiter, in die mittlerweile siebte Runde, hatte aber bereits Zweifel. Prompt fing der linke hintere Oberschenkel an zu zwicken. Schmerzte er nur, weil ich ans Aufgeben dachte? Wahrscheinlich hätte ich ins Ziel laufen können, entschied mich aber dennoch, nicht in die achte Runde zu gehen. Nach 2h15 drückte ich die Uhr ab.

Einstellungssache

Nun schwang vor allem Enttäuschung mit. Ich war enttäuscht, dass es nicht perfekt gelaufen ist (wann tut es das schon mal?) und ich war enttäuscht, dass ich wieder einmal zu schnell angegangen war. Vielleicht waren die letzten Trainingseinheiten zu gut, sodass das Selbstvertrauen zu groß war. Wahrscheinlich hätte ich Max einfach ziehen lassen sollen. Aber es hätte ja auch klappen können! Obwohl ich bei reduziertem Trainingsvolumen nicht von der gleichen Leistungsfähigkeit wie früher ausgehen sollte.

Immerhin hatte ich erreicht, weshalb ich mich für den Lauf angemeldet hatte: ich bin definitiv in einer Form, mit der Laufen Spaß macht! 35 km in einem Schnitt von 3‘52/km spricht für eine gute Grundlage. Auf dieser Basis könnte man eine gute Marathonvorbereitung starten. Vorerst belassen wir es aber beim aktuellen Aufwand. Ich freue mich auf den Frankfurter Halbmarathon im März sowie einige Orientierungsläufe, bevor wir dann ab Mai auf Reisen gehen.

In diesem Sinne: lasst uns genießen, wenn das Laufen Spaß macht. Was könnte es Schöneres geben, als mit Freunden Kilometer um Kilometer zurückzulegen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen?