Station 4 unserer Elternzeit-Reise in Brioude und Lavaudieu

Brioude – Logbuch Elternzeit, Station 4

Drei Monate gemeinsame Elternzeit, drei Monate Zeit zu dritt. Davon wollen wir 13 Wochen unterwegs sein: mit dem Camper soll es durch den Osten Frankreichs und das Zentralmassiv bis ganz in den Süden ans Mittelmeer gehen. Dort ist geplant, am Wasser entlang weiter bis nach Pisa zu fahren, um dann auf die andere Seite des italienischen Stiefels zu wechseln. Anschließend wollen wir über den Gardasee, Südtirol, Österreich und den Bodensee wieder in die Heimat zurückkehren. Es soll ein Abenteuer für unsere kleine Familie werden, mit vielen neuen Eindrücken, gemeinsamen Erinnerungen und tollen Erfahrungen, die wir nie vergessen werden. Nach dem vielen Grün in Digoin ging es als nächstes nach Brioude. Für die Tour-de-France-Begeisterten: die Geburtsstadt von Romain Bardet.

Nachdem wir gefühlt für Stunden durch Regen gefahren waren (wir haben nur selten Abschnitte mit mehr als zwei Stunden Fahrtzeit geplant) – durch grüne Felder und an vielen Kühen vorbei – kamen wir in einem Brioude an, wo die Straßen bereits wieder trockneten. Wir warteten noch essend vor der neuen Unterkunft, bis Jesper ausgeschlafen hatte, dann klingelten wir, und fast augenblicklich öffnete sich wie von Geisterhand das weiße Gartentor, den Blick freimachend auf ein in weißen Farben gehaltenes französisches Sommerhaus vor den Weiten der Auvergne. Ganz weit im Hintergrund erhoben sich grün bewachsene Bergriesen; zu Füßen der Kuppe, auf der wir standen, lag Brioude.

Le bœuf – der Ochs, la vache – die Kuh; ich lauf vorbei, und ihr schaut zu!

frei nach Oma Ursel

Wir wurden herzlich von unserer Gastgeberin empfangen, die uns unser Zimmer mit modernem Bad und quietschenden Holzdielen zeigte. In der Planung hatten wir uns etwas verkalkuliert, denn Frühstück war zwar inbegriffen, nun hatten wir aber keine Küche, um für uns und vor allem für Jesper zu kochen. Zu unserem Glück liebt unsere Gastgeberin Michèle laut eigener Aussage Kleinkinder, sodass es kein Problem darstellte, Jespers Mahlzeiten zu erwärmen. Für Svenja und mich holte ich am ersten Abend eine große Pizza, die ihrer Beschreibung alle Ehre machte: wir schafften sie zu zweit nicht. Die Pizzeria lag direkt an der Basilika St. Julien, sodass ich mir schon einen ersten Überblick über die Stadt im Département Haute-Loire in der Region Auvergne-Rhône-Alpes mit ihren etwa 6.500 Einwohnenden verschaffen konnte.

Wallfahrtsort Brioude

Am nächsten Morgen wurden wir am Frühstückstisch mit einem tollen Frühstück empfangen. Das wurde obendrein von Tag zu Tag variiert. Gab es am ersten Morgen z. B. Schokoladencroissants, wurden diese beim zweiten Frühstück von Madeleines abgelöst. Und am dritten Morgen gab es passenderweise sehr leckere Heid(e)lbeermuffins. Dazu Müsli, Brot, Kaffee und Saft, … im weißen Sommerhaus französisches Lebensgefühl pur!

Während des Frühstücks behielt ich den Apfelbaum im Garten im Auge. Jesper war nämlich nicht das einzige Baby, das Michèle besuchen kam. Im Baumstamm, der mit einem Loch versehen war, hatten Amseln Nachwuchs bekommen und sorgten ständig für neuen Würmernachschub. Wir hofften, dass sie alle groß werden, noch am selben Nachmittag mussten wir sie nämlich vor der Nachbarskatze beschützen.

Vor dem Mittagsschlaf machten wir uns anschließend auf, Brioude zu erkunden. Die kleine Stadt hatte sich seit dem 6. Jahrhundert zu einem bedeutenden Wallfahrtsort entwickelt. Ziel der Pilger war die Basilika St. Julien, die noch heute als eine der berühmtesten, geschichtsreichsten und schönsten Kirchen der Auvergne bezeichnet wird. Ihr Bau dauerte fast ein Jahrhundert, umso beeindruckender ist die Basilika sowohl von außen als auch von innen. Von außen betrachtet faszinierte mich die verschachtelte Bauweise, im Innern beeindrucken vor allem die Fenster, die in bunten Farben erstrahlen. Man darf sogar hinab in die Gruft steigen, in denen die vermeintlichen Überreste des heiligen Julien liegen.

Die Altstadt von Brioude, durch die wir nach der Kirchenbesichtigung schlenderten, präsentierte sich auf zweierlei Art. Manche Ecken wirken gut gepflegt, andere wirkten heruntergekommen. Mal schien die Stadt belebt, mal ausgestorben. Am besten gefiel uns eine breite Terasse, über deren Mauern man weit in die Ferne über den Allier blicken konnte. Die Lage von Brioude oberhalb des Flusses erwies sich in der Vergangenheit als günstig für Handel und Wandel.

Es wird mediterraner

Jespers Mittagsschlaf nutzte ich wieder für einen Lauf. Dieser war, wie auch mein zweiter Lauf am Folgetag, sehr abwechslungsreich. War es am Fluss Allier sehr grün und mit einer überspannenden Bogenbrücke teils malerisch, war es weiter oben, über der Stadt, auf grobsteinigen Schotterwegen fast schon mediterran. Noch waren die Hänge um mich herum aber von Wäldern bewachsen, es trotzten nicht nur vereinzelte, knorzige Bäume der Sommerhitze. Dafür mähte ab und zu eine Ziege. Bei meinem zweiten Lauf tauchte plötzlich hinter einer Kurve das Schloss Paulhac im Sichtfeld auf. Genial!

Für die meisten wahrscheinlich unverständlich war ich als Tour-de-France-Fan dennoch begeistert, auf Wegen zu laufen, die Romain Bardet als Sohn der Stadt Briode sicher hundertfach mit dem Rad gefahren ist. Gleichwohl eine solche Aussage vermessen klingt, kann ich mir gut vorstellen, dass man, wenn man in einer solchen Gegend aufwächst, zu einem exzellenten Bergfahrer werden kann. Neben Romain Bardet kommt übrigens auch der Downhill-Radfahrer Amaury Pierron aus Briode. Wer ihn und seine Disziplin kennenlernen will, dem empfehle ich die Red-Bull-Serie Fast Life auf YouTube.

Auch später, als wir zu dritt einen weiteren Spaziergang unternahmen – diesmal eher außerhalb der Stadt – meinten wir immer wieder verlassene Häuser auszumachen. Unsere Gastgeberin Michèle meinte, dass die meisten vermutlich Sommerhäuser von Leuten seien, die einen Garten haben wollen. Die Gärten wiederum waren äußerst beeindruckend. Teilweise auf 30 m Breite den kompletten Hang hinab, also mit einer Länge von etwa 200 m!

Von Brioude nach Lavaudieu

Am nächsten Morgen unternahmen wir – wie könnte es anders sein? Für Stückchen – nur  einen kleinen Spaziergang. Das lag nicht nur am Wetter – Regen war aufgezogen – sondern vor allem daran, dass wir am Nachmittag das nur wenige Kilometer entfernt gelegene Lavaudieu besuchen wollten.

Lavaudieu wurde als eines der schönsten Dörfer Frankreichs ausgezeichnet. Früher, zwischen 909 bis 1487, bestand der Ort unter dem Namen Comps. Anschließend wurde es in den von „das Tal Gottes“ abgeleiteten Namen Lavaudieu umbenannt, was vielleicht auf das dort ansässige Kloster zurückzuführen ist.

Es war durchaus sehenswert, einmal durch die alten Steinmauern zu schlendern. Svenja fühlte sich an die Verfilmung von Tintenherz erinnert. Dennoch könnte man unserer Meinung nach einiges mehr aus der Siedlung herausholen. Auch hier wirkten einige Stellen sehr heruntergekommen. Wir waren froh, in Brioude bei Michèle untergekommen zu sein und uns nicht dort eingemietet hatten.

Auf dem Rückweg hielten wir noch kurz für eine Kleinigkeit zu Essen, später gab es noch eine Abwandlung des Kasperletheaters mit Fuchs und Koala für Jesper. Nach unserer dritten Nacht wurde es Zeit, weiter gen Süden zu fahren.