Wie ein Phönix aus der Asche lief Katha Heinig (LG Eintracht Frankfurt) beim 43. Berlinmarathon ihrer Pechsträhne davon: nach Unterkühlung beim Zürich-Marathon und verpasster Olympia-Qualifikation im Frühjahr, dann einer Lebensvergiftung im Vorfeld der Halbmarathon-EM in Amsterdam lief der Herbstmarathon dann wie am Schnürchen. Sehr konstante Splits von acht mal fünf Kilometer in 17:34-44 min, dann ein fulminanter Endspurt in einem Schnitt von 3‘23/km. Die Endzeit: 2h28’34, damit hinter Fate Tola und Anja Scherl die drittschnellste Deutsche des Jahres und ihr ganz persönlicher Durchbruch in die nationale Spitze.
Von der Jugendlichen, die 2006 das erste Mal bei den Cross-Europameisterschaften startete, bis zur Marathonläuferin der nationalen Spitze war es ein langer Weg, der auch von Verletzungen unterbrochen wurde. Doch es hat sich gelohnt!
Wie schafft man es, nach einer Pechsträhne ein so überzeugendes Rennen zu laufen wie Katha in Berlin? Wie kämpft man sich nach Verletzungen zurück? Wie „läuft“ das Familienunternehmen Heinig? Und wie geht es weiter, was sind die nächsten Ziele? Laufen hilft will von den Besten lernen und freut sich über die Gelegenheit, Katha besser kennenzulernen:
Markus: Hallo Katha, wie geht es Dir? Wie läuft der Wiedereinstieg ins Training?
Katha: Hey Markus, momentan geht es mir bis auf den täglichen Muskelkater sehr gut. Es tut gut wieder im geregelten Training zu sein und mit voller Vorfreude in die nächste Saisonphase zu starten. In den ersten Wochen fallen manche Einheiten noch etwas schwer, aber ich merke, dass ich schnell wieder in den gewohnten Rhythmus und das Laufgefühl finde.
Markus: Nach dem Marathon hast Du vier Wochen Laufpause und Urlaub gemacht, wie nötig ist solch eine Regenerationsphase? Wie lange brauchst Du, um dich von einem Marathon zu erholen?
Katha: Normalerweise mache ich nach einem Marathon so 1-2 Wochen „Urlaub“. Die erste Woche laufe ich da gar nicht, aber nur rumliegen und Faulenzen ist nicht meines. Gerne nutze ich die Zeit dann für andere Aktivitäten, wie Klettern, Squash oder Wandern. Jetzt nach dem Herbstmarathon habe ich diesen langen Urlaub genommen, weil er nötig war. Nach diesem Jahr war ich nur platt. Nicht nur körperlich, sondern auch vom Kopf. Ausgelaugt und müde. Ich brauchte Zeit für mich und meinen Freund. Neue Kraft tanken und auch innerlich mal zur Ruhe kommen. Und das konnten wir beide. Und es hat geholfen – am Ende des Urlaubes war ich wieder voller Freude auf die bevorstehenden Aufgaben.
Markus: Nach diesem Marathon auch eine wohlverdiente Pause. Wie war der Berlin-Marathon für Dich? Wie war beispielsweise die Pressekonferenz, wenn Du doch, wie Du auf leichtathletik.de erzählst, starke Zweifel hattest? Wie groß war der Stein, der Dir im Ziel vom Herzen fiel?
Katha: Der Berlin-Marathon war für mich nicht nur ein Freilaufen, eine Selbstbestätigung, sondern auch ein Fingerzeig an die Zweifler, ein Dankeschön an meine Fans und die Menschen, die mir tatkräftig zur Seite stehen, und ein Wegweiser. Mein Abschneiden in Berlin hat über meinen weiteren Weg entschieden.
Zweifel hatte ich den ganzen Sommer. Am Start stand ich dann mit der Einstellung, dass ich den Lauf einfach genießen will; Was am Ende rauskommt, werde ich im Ziel sehen. Zweifel während des Rennens waren da keine. Und im Ziel – ich habe die Zeit gesehen und mich gefreut … es fiel einiges von mir ab. Die Realisierung des Geleisteten sickerte erst nach und nach durch.
Markus: Hast Du mittlerweile realisiert, dass Du zu den besten Deutschen zählst?
Katha: Wir haben dieses Jahr ein starkes deutsches Team im Marathonbereich. Es ist toll so starke Konkurrenz im eigenen Land zu haben und ich bin gespannt, wie es im nächsten Jahr weitergeht. Und ich habe mittlerweile meine Leistung daran realisiert, dass ich auf Platz 6 der europäischen Bestenliste stehe. Mit Fate Tola auf Rang 2 und Anja Scherl auf Rang 4 können wir uns international sehen lassen. Und es ist einfach toll dazu zu gehören!
Markus: Denkst Du über „was wäre wenn“ nach? Wenn Du Deine Leistung schon in Zürich hättest abrufen können? Insbesondere im Rückblick, wenn man jetzt weiß, wie der Olympia-Marathon ausgegangen ist?
Katha: „Was wäre wenn“ bringt mich nicht weiter. Es ist nach wie vor schmerzhaft über die verpasste Chance Rio nachzudenken. Aber es geht weiter und es gibt neue Herausforderungen. Mit meiner Berliner Leistung habe ich die DLV-Norm für die WM in London im kommenden Jahr bereits erfüllt und muss nächstes Jahr noch den Nachweis bringen. Neue Ziele, die meine ganze Aufmerksam bekommen.
Markus: Was genau sind die nächsten Ziele? Die Heim-EM, ein Städtemarathon? Oder ist alles nur auf Olympia 2020 ausgerichtet?
Katha: Wie bereits erwähnt ist das nächste Ziel WM 2017 in London, dann natürlich die Heim-EM und das ferne Ziel 2020 in Tokyo ist DAS Highlight. Ich bin von dem Land Japan total fasziniert und war 2014 bei der Ekiden-Staffel in Chiba schon beeindruckt.
Markus: Blicken wir noch ein Stück weiter zurück: Wie kam es dazu, dass Du von einer Bahn- zur Straßenläuferin wurdest? Hat Dich der Marathon schon immer fasziniert? Waren gar die Bahnläufe nur Grundlage für die Langdistanz? Ist Deine Mutter (D)ein Vorbild?
Katha: Ich habe in der Kinderleichtathletik mit 10 Jahren begonnen und habe alle Stufen und Disziplinen durchlaufen. Mein Talent lag im Laufen und somit bin ich auf der Bahn bei 800 m gelandet. Nach und nach wuchs ich dann in die längeren Strecken bis 5000 m hinein. Straßenläufe haben mir als Schülerin und dann auch Jugendliche am meisten Spaß gemacht, genauso Crossläufe. Es war immer abwechslungsreich und nicht nur stupides Rundenrennen 😉
Ich kann nicht sagen wann genau der Punkt war, dass ich mich für die Straße entschied. Ich bin da reingewachsen und habe es einfach ausprobiert. Mit Erfolg. Meine Grundschnelligkeit ist eine sehr gute Grundlage für die Langstrecke und nach wie vor trainiere ich meine Schnelligkeit. Sie hilft mir spritzig zu bleiben und auch höhere Geschwindigkeiten ertreten zu können.
Manche würden vielleiht sagen, dass es klar war, dass ich bei dem Elternhaus „auf der Straße“ lande, aber dem ist nicht so. Ich bin nicht durch meine Eltern zur Leichtathletik gekommen und auch nicht durch Sie meine ersten Straßenläufe gemacht. Allerdings profitiere ich nun sehr von dem Wissen meiner Eltern und bin darüber sehr dankbar. Und meine Mama als Vorbild … ich würde eher sagen als Idol.
Markus: Natürlich wirst Du auch immer mit Deiner Mutter verglichen. Macht Dir das etwas aus? Orientierst Du Dich an ihr und willst in naher Zukunft ihre Bestzeit angreifen?
Katha: Früher hat es mich etwas genervt bei Straßenläufen immer als „die Tochter von“ vorgestellt zu werden, denn ich bin ich. Inzwischen ist es für mich ok und es macht mich doch stolz ihre Tochter zu sein. Und der Familienrekord ist schon ein Ziel – inzwischen auch vorstellbarer!
Markus: Deine Mutter ist auch Deine Trainerin. Orientiert ihr Euch daran, was sie früher trainiert hat, oder schlagt ihr ganz neue Wege ein? Wie sieht Deine typische Trainingswoche aus und auf wie viele Wochenkilometer kommst Du?
Katha: Meine Mama bringt sehr viel Erfahrung mit. Natürlich orientiert man sich an erfolgreichen Erfahrungen, doch ist jeder Athlet anders und somit muss auch das Training angepasst werden. Ich reagiere auf bestimmte Trainingsreize anders als sie damals, auch wenn wir uns sehr ähneln. Das muss natürlich mitberücksichtigt werden.
Eine typische Trainingswoche habe ich nicht. Mein Training findet in Blöcken statt, die sich wiederholen. Somit kann ein Block 9 Tage umfassen und beinhaltet Krafttraining, wie auch Koordinationstraining, Tempoläufe, Tempodauerläufe und Dauerläufe verschiedener Länge. Was wie schnell und wie lang trainiert wird, hängt von der Trainingsphase ab. Aber in der Spitze komme ich auf 190 – 220 km/Woche. Wichtig ist die Wiederholung.
Markus: Lässt Du Dir Dein Training komplett vorgeben oder bist Du bei der Erstellung des Trainingsplans mit dabei? In welchen Zeiträumen wird geplant?
Katha: Ich spreche das Training gemeinsam mit meiner Trainerin ab. Sie gibt den Plan vor, doch Inhalte besprechen wir gemeinsam. Meine Planung steht meistens für 4-6 Wochen, doch wird zum Teil aller 3-5 Tage geändert 😉 Das klingt nach Chaos, aber wir passen das Training auch nach äußeren Umständen und körperlichen Zustand an.
Markus: Was ist die wichtigste Einheit für den Marathon? Wie häufig läufst Du den „langen Lauf“ und wie schnell (oder langsam)? Was ist Deine Lieblings-Marathoneinheit und was macht Marathontraining Deiner Erfahrung nach aus?
Katha: In meinen Augen gibt es keine „wichtigste“ Einheit. Die Summation und Kombination aus den langen Läufen, den Geschwindigkeiten und der körperlichen Erholung machen das Marathontraining aus. Natürlich stellen die langen Läufe, bei mir bis 35 km, einen wichtigen Grundstein dar. Die Geschwindigkeit hängt auch hier wieder von der Trainingsphase ab. Von den Geschwindigkeiten gehe ich da bis 3:50 min/km. Weiter bin ich zum momentanen Zeitpunkt noch nicht im Training gekommen. Und meine liebsten Einheiten wechseln da öfters mal. Manchmal liebe ich die langen Läufe, dann macht mir der schnelle Dauerlauf mal wieder mehr Spaß.
Markus: Manchmal hört man, dass Du mit Gesa (Krause) zusammentrainierst. Wie häufig ist es möglich, dass eine 3000-m-Hindernisläuferin und eine Marathonläuferin zusammen trainieren? Läufst Du sonst immer allein oder hast Du noch andere Begleiter?
Katha: Gesa und ich trainieren alles was machbar ist zusammen. Wir wohnen in der direkten Nachbarschaft und bestreiten die meisten Trainingslager gemeinsam. In den Grundlagen können wir viel gemeinsam machen. Da ist der Aufbau recht gleich. Irgendwann ändern sich dann die Distanzen und die Geschwindigkeiten – natürlich, aber dennoch sind wir gemeinsam auf dem Platz oder am Berg, und bringen uns weiterhin vorwärts. Ich bin sehr froh, dass ich sie als Trainingspartnerin habe.
Alleine laufe ich zwar ab und zu, aber oft begleitet mich meine Trainerin mit dem Rad oder zu Fuß, genauso ein guter Freund aus Frankfurt oder mein Freund mit dem Rad. Alleine trainieren ist bei mir also nicht die Regel.
Markus: 2011 ein Ermüdungsbruch, 2012 fielst du lange aus, 2015 dann die Fersen-OP. Was hast Du aus Deinen Verletzungen gelernt? Trainierst Du deswegen heute anders? Läufst Du hauptsächlich oder absolvierst Du auch Alternativtraining?
Katha: Alternativtraining habe ich von Anfang an betrieben. Vor allem in den Grundlagen sind lange Einheiten auf Ski oder Skirollern, im Wasser oder auf dem ElliptiGO hervorragend um diese zu legen. Meine Verletzungen kamen leider oft durch Pech. Den Ermüdungsbruch kann ich mir bis heute nicht erklären, die Fersen-OP hätte 2013 schon durchgeführt werden können, wenn man die Ursache erkannt hätte.
Gelernt aus meinen Verletzungen habe ich, dass ich sehr stark bin, mich immer wieder zurückkämpfe und nicht aufgebe – mit der Hoffnung auf die gewollte Belohnung. Gelernt habe ich auf meinen Körper zu hören, Anzeichen früher zu erkennen und diesen entgegen zu wirken. Und am Lernen bin ich, meinem Körper genug Erholung zu geben und nicht immer mit 100% durch den Tag zu gehen.
Markus: Zum Laufen gehört nicht nur das Laufen an sich. Wie wichtig ist Rumpftraining? Wie bist du zum Thema Dehnen eingestellt? Wie häufig ist Physiotherapie nötig?
Katha: Da mein Physiotherapeut in der Regel die Hände über dem Kopf zusammenschlägt bei meiner Dehnfähigkeit, ist dies ein Punkt den ich jetzt angegangen bin und mein bestes gebe, diese zu verbessern. Krafttraining sowie Stabitraining finden 2 Mal die Woche statt. Es ist ein wichtiger Bestandteil im Training, da er Verletzungen vorbeugt und harte Trainingseinheiten abfängt.
Zur Physiotherapie gehe ich je nach Trainingsphase 2-4 Mal die Woche. Dazu gehören aber auch Saunagänge und heiße Bäder.
Markus: Wie motivierst Du Dich für das Training? Hast Du immer „Bock“ oder musst Du dich manchmal in die Laufschuhe zwingen? Welche Einheiten fallen Dir besonders leicht und zu welchen musst Du dich besonders aufraffen? Wie oft fällt eine im Trainingsplan vorgesehene Einheit aus?
Katha: Eine Trainingseinheit, die auf dem Plan steht, habe ich noch nie ausfallen lassen, nur weil ich keinen Bock hatte. Irgendwie habe ich mich immer aufgerafft oder wurde von meinem Freund kurzerhand aus der Wohnung geschmissen mit den Worten „Mach dich jetzt ab – ich koche dann was Leckeres!“ Das war schon eine Motivierung, denn er kocht sehr lecker 😉 Klar gibt es Tage, an denen man so gar keinen Bock hat, aber es ist mein Job und ich weiß wofür ich es tue. Freuen tue ich mich dann über das Geschaffte oder eben einfach darauf mit lieben Menschen durch die z. B. Frankfurter Wälder zu laufen und einfach zu quatschen.
Harte Einheiten fallen mir zwar manchmal schwer, aber nicht zum Aufraffen. Man hat eine gewisse Spannung und will das Training meistern; Am unmotiviertesten bin ich meistens an lockeren Tagen oder nachmittags wenn man nach einem harten Vormittag noch einen DL von 15km absolvieren darf.
Markus: Gibt es in der Vorbereitung Wettkämpfe, die Du brauchst? In diesem Jahr warst Du sowohl über 10 km als auch über den Halbmarathon sehr schnell – ein Indiz oder mehr? Wie viel Abstand ist zum Marathon nötig?
Katha: Da man in der Regel nur 2-3 Marathons im Jahr laufen kann, wäre der Rest der Zeit nur von Training geprägt. Ich mache Unterdistanzläufe nicht nur gerne, sondern brauche sie auch. Sie helfen dabei die Grundschnelligkeit zu verbessern, da man im Training nie solche Geschwindigkeiten erreicht. Und es macht einfach Spaß bei Straßenläufen auf viele internationale Läufer zu treffen und sich mit ihnen zu messen.
In der Regel macht man einen Halbmarathon 2-3 Wochen vor dem geplanten Marathon. Kann man – muss man aber nicht 😉
Markus: Wie sieht der „typische“ Wettkampftag bei Dir aus? Wann stehst Du auf, was isst Du, wie wärmst Du Dich auf?
Katha: Da ein Marathon meistens früh startet stehe ich ca. 4-5 Stunden vor dem Start auf und gehe Frühstücken. Dann gibt es viel Weißbrot mit Honig und Marmelade. Da ich vor Rennen sehr aufgeregt bin, bekomme ich kaum etwas anderes runter. Da auch der Magen gereizt ist, würde Vollkornbrot diesen nur noch schlimmer machen. Dann wird die Tasche gepackt, die Startnummer angebracht und dann nervös gewartet, bis es endlich mit dem Team in Richtung Start geht. Mein Aufwärmen beginne ich in der Regel 45‘ vor dem Startschuss; Einlaufen, ein bisschen Andehnen, L-ABC und 2 Steigerungen, und die obligatorischen 4-5 Toilettengänge 😉 Dann fällt der Startschuss und es wird gelaufen.
Nach einem Rennen versuche ich auszulaufen (sofern das noch geht), und dann irgendwann gibt es die Schlacht am Buffet. Meistens habe ich da aber gar keinen Hunger. Oft hängt man dann gute 2 Stunden bei der Dopingkontrolle, da man auf Grund der Anstrengungen einfach ausgetrocknet ist. Wanne oder sogar Sauna bilden den Abschluss des Tages, bevor es heißt Beine hochlegen und genießen.
Markus: Vielen Dank für Deine Zeit. Weiterhin viel Erfolg und schnelle Beine! Hast Du einen abschließenden Tipp? Zum Laufen allgemein oder auch speziell zum Marathon?
Katha: Danke für das Interview. Mein Tipp an Euch – wenn ihr euch auf einen Marathon vorbereitet und dann kurz vor dem großen Ereignis steht, probiert ja nichts Neues aus. Macht alles wie auch in den Wochen davor. Esst nicht anders, trinkt nichts anderes oder nehmt plötzlich Gels zu euch, weil es andere machen. Lauft lieber in den etwas zu ausgelatschten Schuhen, als in komplett neuen. Und dann genießt es einfach 🙂