Im Ziel eines Rennens bin ich eigentlich nie zufrieden. Eine Aussage, die erst einmal sacken muss. Woran liegt das? Eine Einführung in das Wettkampfszenario.
Im Ziel eines Rennens bin ich eigentlich nie zufrieden, weil ich entweder mein Potential nicht abrufen konnte oder aber, weil ich an einem guten Tag als Perfektionist gerne noch ein Stückchen schneller gewesen wäre.
Um das weiter auszuführen, beschreibt zunächst Teil 1 des zweiteiligen Artikels die unterschiedlichen Wettkampfszenarien. Ich unterscheide in vier unterschiedliche Typen von Rennen, die ich kurz aufführen will:
Wettkampfszenario 1: ein schlechtes Rennen, Typ A
Von „schlechten“ Rennen gibt es zwei Arten. Zum einen die Rennen, bei denen es einfach nicht läuft. Wie zuletzt in Groß-Gerau. Wenn die Tagesform nicht stimmt, es einfach nicht rollt, die Anstrengung zwar da ist, die Beine aber nicht reagieren. Wenn es sich zwar schnell anfühlt, die Uhr aber etwas ganz anderes behauptet. Meist sind die Gründe nicht offensichtlich. Nicht frisch genug? Schlecht geschlafen? Eine Erkältung im Anflug? Wenn man es wüsste, hätte man es besser machen können.
Kurz: Rennen zum Vergessen.
Wettkampfszenario 2: ein schlechtes Rennen, Typ B
Zum anderen gibt es die Rennen, in denen man Fehler macht. Ganz klassisch wäre zu schnell loszulaufen, wie ich zuletzt beim 50er in Rodgau. Oder aber sich taktisch unklug zu verhalten. Eine Lücke aufgehen zu lassen, eine solche zu schnell zu schließen, im falschen Moment anzugreifen – die Varianten sind vielfältig. Axel sagte einmal zu mir, er würde die meisten Rennen am liebsten gleich noch einmal laufen, um die Sache etwas anders und damit vermeintlich besser zu machen.
„Ich würde das Rennen am liebsten direkt noch einmal laufen!“
Denn die Crux bei diesem Wettkampfszenario ist, dass solche Rennen gute Rennen hätten werden können, weil die Bedingungen (Form, Tagesform, Wetter, Feld, etc.) passten. Zu einem guten Rennen gehört aber mehr als „nur“ schnelle Beine. Eine Erfahrung, die man machen muss.
Aus manchen dieser taktischen Fehler kann man lernen und beim nächsten Mal anders handeln. Manchmal muss man das Risiko aber auch eingehen und beispielsweise in einer Gruppe mitgehen, um Chancen auf ein richtig schnelles Rennen zu haben. Was natürlich auch schiefgehen kann.
Kurz: Rennen zum Haare raufen.
Wettkampfszenario 3: ein gutes Rennen, Typ A
Nun zu den guten Rennen. Auch bei guten Rennen gibt es unterschiedliche Arten, einfach, weil die Zielsetzung völlig unterschiedlich sein kann. Wieder habe ich in Typ A und Typ B unterteilt. Bei Typ A geht es nur um die Zeit, die Platzierung spielt keine Rolle.
Beispiele für diesen Typ sind große Rennen, wie Marathons. Es geht nur gegen die Uhr. Und gut ist, wenn man schnell unterwegs ist. Falls jemand aus der Gruppe heraus attackiert, interessiert das nicht, weil es um einen möglichst ökonomischen und damit gleichmäßigen Lauf geht.
Ein schönes Beispiel war mein Berliner Halbmarathon 2015. Zunächst in einer Gruppe, auf der zweiten Hälfte dann allein, aber sehr gleichmäßig und schnell, mit einer Bestzeit, die bis heute steht.
Kurz: Rennen gegen die Uhr
Wettkampfszenario 4: ein gutes Rennen, Typ B
Beim anderen Typ – Typ B – geht es im Vergleich dazu nun überhaupt nicht mehr um die Zeit, sondern nur um die Konkurrenz. Auch ein sehr langsames Rennen kann ein gutes sein, sofern man taktisch alles richtig macht. Ganz gleich, ob es um den Sieg oder eine Platzierung geht, gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, um sich gegen ähnlich starke Konkurrenz durchzusetzen: mit Druck von vorne, mit einer Attacke, erst ganz am Schluss im Spurt. Wichtig ist nur, ein Rennen zu laufen, nicht zu reagieren, sondern zu agieren!
Bei einem solchen Rennen denke ich beispielsweise an die hessischen Crosslaufmeisterschaften 2013. Insbesondere beim Cross ist die Zeit natürlich völlig nebensächlich. Umso mehr ging es um die Platzierung, bei der ich mich im Kampf um Rang 2 gegen starke Konkurrenz durchsetzen konnte. Auch, weil ich das Heft in die Hand nahm.
Kurz: Rennen um den Sieg
„Zufriedenheit heißt Stillstand!“
Es gab sie schon, die richtig guten Rennen. Und dennoch: Im Ziel eines Rennens bin ich eigentlich nie zufrieden. Trotz Bestzeit fragte ich mich beim Berliner Halbmarathon zuerst, was ich hätte besser machen können. Oder, wenn es um die Platzierung geht, ob nicht noch ein Platz weiter vorne möglich gewesen wäre. Erst im Rückblick erkennt man, wie gut die Leistung wirklich war. Man sagt zwar, Zufriedenheit heiße Stillstand, dennoch wäre im Ziel doch eine andere Geisteshaltung angebracht. Stolz über das Erreichte.
Aber dazu mehr in Teil 2 am Dienstag.
Hallo Markus!
Interessanter Artikel mit einem bösen Cliffhanger, denn gerade Teil 2 würde mich jetzt brennend interessieren.
Sieht man nämlich von deiner Schilderung der Wettkampfszenarien ab greifst Du ein alltägliches Problem der Gesellschaft auf: anstatt den Moment z.B. der Bestzeit zu leben und diesen auszukosten werden fortwährend getreu dem Motto „höher, schneller, weiter“ Vergleiche mit Läufer XY angestellt und dieser wird beneidet, da er drei Sekunden schneller war oder einen Platz weiter vorne. Unsere durch Wachstum geprägte Gesellschaft jagt beständig der Zufriedenheit hinterher.
Ich freue mich auf die Geisteshaltung von Teil 2.
Bis dann
Thomas
Hallo Thomas,
Ja, ein einziger Artikel wäre zu lang geworden. Hoffentlich wird Teil 2 nicht zu pathetisch. Sehen wir dann am Dienstag ?
Viele Grüße
Markus