Über „Gott und die Welt“ wurde heute beim Training nicht sinniert, obwohl der Kirchenlauf dafür als ideal geeignet erscheinen könnte. Viel eher ging es heute darum, während bei einer Streckenlänge von 16,6 km alle Heusenstammer Kirchen abgelaufen wurden, schneller zu sein als der Kaiser. Welcher Kaiser?
Nun, 1764 war einiges los in der damals noch überschaubaren Gemeinde von Heusenstamm, denn Kaiser Franz I. machte mitsamt seinem Gefolge seine Aufwartung. So kamen auf einen Einwohner drei Besucher, die versorgt werden mussten. Kein Wunder, dass bei dieser logistischen Meisterleistung der Bau des berühmten Heusenstammer Torbaus vernachlässigt wurde – dieser war nämlich zum Zeitpunkt des Kaiserbesuchs noch nicht fertiggestellt.
Heute, 250 Jahre danach, wird wieder gefeiert, nämlich das Jubiläum. Neben Theaterstücken, verschiedensten Veranstaltungen und Attraktionen wurde dafür auch extra der Kirchenlauf um zwei Wochen vom standardmäßigen Termin verlegt, um zeitgleich mit den Feierlichkeiten ausgetragen werden zu können. Und diesmal kann der Torbau auch in voller Pracht bewundert werden, denn er ist fertiggestellt.
Und an Ort und Stelle war heute auch der Start. Weil ich in diesem Jahr zum ersten Mal die längste angebotene Streckenlänge absolvieren wollte, ging es gleich um 15 Uhr los. Um dem Kaiser keine Chance zu geben, hatte ich mir – nach alter DL3 Herangehensweise – alle fünf Kilometer eine Steigerung vorgenommen: 18:00, 17:30 und 17:00 bevor es zum Endspurt auf die letzte Meile gehen sollte. Geplante Zielzeit: 58:06. Tja, die Vorgabe konnte ich nicht einhalten, denn der Kaiser hatte Verstärkung aus Dänemark angefordert. So war der Kirchenlauf in diesem Jahr sehr international. Eine Gruppe von 15 Dänen war bei Adidas in Herzogenaurach ausgestattet worden und sich vor dem Rückflug aus Frankfurt noch den Kirchenlauf zum Beinevertreten ausgesucht. Die Splitzeiten stimmten nicht, dafür die Endzeit aber fast exakt.
Es ging direkt schnell los: 3:15 min für den ersten Kilometer. Nach ca. 3 km hatten wir alle anderen Dänen abgehängt, so war ich mit einem Dänischen Muskelmann mit einigen Tattoos allein auf weiter Flur. Meistens liefen wir nebeneinander. Bis jetzt noch sehr entspannt, mein Mitläufer wohl aber auch. 5 km Durchgangszeit: 17:13. Dann wurde es etwas langsamer, auch wegen den schlechter zu belaufenden Schotterwegen. In Rembrücken dann der erste Wendepunkt, ein großer Nachteil am Kirchenlauf. Weiterhin gemeinsam ging es auf den Rückweg. Für die nächsten 5 km brauchten wir 17:53. Dann wagte ich einen Test mit einer ordentlichen Tempoverschärfung, gefühlt bis ca. 3:10/km, über ca. 500 m. Doch der Däne ging mit, ich hatte es wohl mit einem ordentlichen Kaliber zu tun. Es wurde auch wieder etwas schneller. Die 15 km hatten wir nach 52:26 min hinter uns (5-k-Split: 17:20). Dann noch über das Feld zum letzten Wendepunkt, bevor es durch den Wiesenbornweg zur Unnergass ging. Vor der letzten Linkskurve ging der Däne dann energisch nach vorne und zog sofort den Schlussspurt an. Den 5-Meter-Rückstand konnte ich nicht mehr aufholen. Als guter Gastgeber ließ ich also den weitgereisten Gast vor. Zielzeit: 58:07,9 min, 1,4 Sekunden hinter dem Dänen.
Im Fazit ein gutes Training, das zeigt, dass die Grundlagenausdauer gut konserviert wurde. Dass der Schlussspurt allerdings verloren ging, das wurmte natürlich. Wirklich schämen muss ich mich aber nicht. Der Sieger Daniel Skaaning Sandersen hat ersten Nachforschungen zufolge beachtliche Bestzeiten vorzuweisen: 10 km 31:40; Halbmarathon 69:38 min und Marathon in 2:29:07 h. Also doch eine andere Liga!
Die tollen Bilder hat mein Papa geschossen, herzlichen Dank dafür!