Trainingstempo – Macht langsam schnell?

Wie ist das denn eigentlich mit dem Trainingstempo? Sollten wir immer möglichst schnell laufen? Oder immer nur langsam, um uns für die wichtigen Wettkämpfe zu schonen?

„The more consistent running we can get in, generally the better. Do not forget this simple fact.“ – Johnson (2006)

Quelle: Seiler (2012)
Quelle: Seiler (2012)

Es leuchtet wohl jedem ein, dass nur das eine genauso wenig Sinn macht wie nur das andere. Ein sinnvoller Mix ist beim Trainingstempo das Mittel der Wahl. Dabei sollten alle Geschwindigkeitsnuancen abgedeckt werden; manche legen zusätzliche Schwerpunkte, wie beispielsweise das angestrebte Wettkampftempo. Auch Topläufer variieren natürlich die Trainingsgeschwindigkeiten, wie beispielsweise eine Studie von Billat et al. (2001) zeigen konnte. Dort wurden die Unterschiede zwischen „Top-Marathonläufern“ (PB <2h11) und „guten Marathonläufern“ (PB <2h16) untersucht. Die Top-Läufer liefen deutlich mehr Wochenkilometer (206 km +/-26 im Vergleich zu 168 +/-20), bei ungefähr gleichem Umfang von intensivem Training (3000-10000m Wettkampftempo: 20,4 km +/- 1,7 im Vergleich zu 17,8 km +/- 1,8) und gleicher Intensitätsverteilung: 18 Distanzprozent schneller als Marathontempo (MRT), 4% im MRT und 78% langsamer.

Wie im Bild zu sehen war beispielsweise auch das Training von Ingrid Kristiansen, eine norwegische Langstreckenläuferin, die in den 1980er Jahren Weltrekorde über 5000 (14’37) und 10000 m (30’13) sowie über 10 km, 15 km, Halbmarathon und Marathon (2h21) aufstellte, von den niedrigen Intensitäten geprägt. Das ganze Jahr über lief sie größtenteils „langsam“, die schnelleren Trainingszonen variierten je nach Saisonzeitpunkt. Seiler (2012) hält fest: zum Saisonhöhepunkt werden mehr intensive Einheiten absolviert, dennoch bilden die „langsamen“ Einheiten sowohl Großteil wie auch Grundlage des Trainings.

Über das Tempo- bzw. Intervalltraining an sich wird häufig geschrieben, was sicherlich auch seine Berechtigung hat. Meiner Meinung nach ist Kreativität dort das Wichtigste: Sowohl von der Intensität als auch von der Länge her. Manchmal darf es knallen, manchmal ist Zurückhaltung gefragt. Nur so werden Tempohärte und spezifische Ausdauer, aber auch Kraft und Laufstil trainiert.

Aber was ist mit dem „langsamen“ Rest? Immerhin wird der Großteil des Trainings in langsameren Bereichen als dem Marathontempo absolviert, bei Profis meist ca. 80% des Umfangs! Über vier Fünftel des Trainings sollte man sich auch einmal Gedanken machen.

Seiler und Tønnessen (2009) raten nach der Analyse von Training verschiedener Ausdauersportarten zu einem Verhältnis von 80:20 niedrig zu hochintensivem Training. Niedrigintensives Training (Blutlactat von <2 mmol/l) fördert „physiologische Anpassungen“ und ist keinesfalls vergeudete Trainingszeit. Außerdem korreliert ein höheres Trainingsvolumen mit physiologischer Leistungsfähigkeit.

„Looking back I think I would have been a lot better off if I took a longer term approach and tried to consistently get in as many miles as possible and not worry so much about the short term. What you do this week affects what you do in two years.“ – Johnson (2006)

Was häufig falsch interpretiert wird, ist das sogenannte „langsame“ Laufen und wird deshalb hier in Anführungszeichen gesetzt. Denn damit ist nicht (nur) das gemütliche Joggen gemeint. Am effektivsten für Langstreckenläufer ist es nämlich, zügig zu laufen. Definiert wird dieses „zügig“ auf unterschiedliche Art und Weise. Mal wird von der Marathonzielgeschwindigkeit heruntergerechnet, mal wird die VO2max als Referenzwert genommen. In den angestrebten Bereichen werden unterschiedliche Anpassungen angestrebt: im Stoffwechsel, in der Laufökonomie, in der Ausdauer, in der Ermüdung, in der Regeneration und, und, und!

 

Fazit: Die Grundlage für gute Ausdauerleistungen ist die aerobe Leistungsfähigkeit. Von manchen als „langsam“ oder „easy“ bezeichnet, ist dennoch nicht regeneratives Laufen gemeint. Wer langfristig auf den (Mittel- und) Langstrecken schneller werden will, muss ab und zu schnell, darf ab und zu ganz langsam, muss aber so viel wie möglich in den Bereichen zwischen 78 und 92% seiner Marathonzielgeschwindigkeit trainieren. Dann macht langsam auch schnell!

Quellen:
Billat, V. L.; Demarle, A.; Slawinski, J.; Paiva, M.; Koralsztein, J.-P.; 2001. Physical and training characteristics of top-class marathon runners. Med. Sci. Sports Exerc., Vol. 33, No. 12, 2001, pp. 2089–2097.
Johnson, W.; 2006. Why I sucked in college. letsrun.com
Seiler, S.; 2012. Training Intensity Distribution. In: Endurance Training: Science and Practice
Seiler, S.; Tønnessen, E.; 2009. Intervals, Thresholds, and Long Slow Distance: the Role of Intensity and Duration in Endurance Training. Sportscience 13, 32-53, 2009 (sportsci.org/2009/ss.htm)

2 Kommentare

  1. Hi Markus, danke für den Beitrag. Das macht auf jeden Fall Sinn und ist auch nachvollziehbar, was die Studie aussagt. Meine Frage wäre nur, wie sich die Höhenmeter bei den „Alltagsläufen“ auswirkt? Du schreibst, 80% der Läufe zwischen 78-92% vom Marathontempo; bei meinen „Alltagsläufen“ habe ich hier im Taunus bei 10km schnell mal 200hM. Weißt du wie man die einrechnen kann?

    1. Hi Felix,
      klar – das gilt natürlich nur für flache Strecken. Für coupierte Strecken gibt es Ansätze von Rechnern, die Höhenmeter auf den Schnitt umrechnen. Meiner Meinung nach wäre es aber noch besser, wenn du dich auf dein Körpergefühl verlassen kannst. Meist weiß man ja ungefähr, welche Anstrengung welchem Tempo entspricht.

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