Vater, Trainer und Läufer. Drei Wörter, die Sebastian Reinwand recht gut beschreiben: während der aus der Nähe des fränkischen Roth stammende Läufer halbtags arbeitet, bleibt genug Zeit, um seinen Sohn in die Kita zu bringen, seine Athleten zu betreuen und mehrmals täglich für sein Saisonhighlight 2018 zu trainieren – den Marathon Europacup im Rahmen der Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin.
Einen Namen als Trainer hat er sich in den letzten Jahren vor allem damit gemacht, dass er seinen Vereinskollegen Andreas Straßner in die deutsche Marathonspitze geführt hat, für Garmin Tutorials aufgezeichnet hat und zuletzt auch für strava schreibt. „Lieber lang und schnell als kurz und langsam“ ist sein Motto. Jede/r ambitionierte Marathonläufer/in sollte seine Artikel über die langen Läufe in der Vorbereitung sowie die Verpflegung während des Wettkampfs gelesen haben.
Doch nicht nur als Trainer ist Sebastian bekannt. Nach einigen Jahren als Mittelstreckler wurden auch bei ihm die Wettkampfdistanzen länger. Nachdem er 2017 bereits dritter bei den Deutschen Meisterschaften über 10.000 m werden konnte, folgte sein Durchbruch über die Marathondistanz bei den Deutschen Meisterschaften in Düsseldorf 2018: 2h15’27 nach einem taktischen und sehr beherzten Rennen bedeuteten nicht nur Rang zwei und eine neue persönliche Bestzeit, sondern außerdem die Quali für Berlin:
„Laufen hilft“ will von den Besten lernen und freut sich deshalb über die Möglichkeit des exklusiven Interviews mit Sebastian:
Markus: Hallo Sebastian! Meine erste Frage endet mit einem Ausrufezeichen, und zwar einfach nur: Berlin!
Sebastian: Hallo Markus! Ja, war auf jeden Fall geil! Das war eine besondere Erfahrung und für mich auch das Highlight meiner Karriere. Einmal im Nationaltrikot und dann auch noch vor heimischen Publikum Und was ich von den anderen Athleten gehört habe, also auch von den anderen Nationen – ich selbst war ja noch nirgendwo anders – die haben auch gesagt, dass Berlin einmalig war, vielleicht (höchstens) abgesehen von London bei den Olympischen Spielen oder der Weltmeisterschaft. Nirgendwo anders erlebt man eine solche Stimmung, auch nicht bei einer Europameisterschaft. Da war schon extrem viel los, auch im Stadion, wo eine tolle Atmosphäre ist, auch wenn es nicht komplett ausverkauft ist, wobei es dort auch sehr gut gefüllt war,
Es war die Zuschauerzahl des Berlin Marathons, nur eben auf einer 10-km-Runde! Da war einfach extrem gute Stimmung, da mussten wir sehr aufpassen, nicht doch zu schnell loszulaufen und sich mitreißen zu lassen.
Markus: Ja, das habt ihr aber doch sehr gut hingekriegt.
Sebastian: Genau, ich denke, das haben wir in unserer Dreiergruppe sehr, sehr gut gemacht. Der Philipp Baar, der Jonas Koller und ich. Wir haben uns da von Beginn an zurückhalten können.
Markus: Mit dem Philipp hast du ja auch öfter vorher trainiert?
Sebastian: Genau, ja. Mit dem war ich vorher, also auch schon vor Düsseldorf, im Trainingslager. Vor Berlin waren wir dann in Polen und auch sonst haben wir uns fast täglich über unser Training ausgetauscht. Aufgrund dessen, dass er in Berlin wohnt und arbeitet und ich in Nürnberg bin mit meiner Familie, haben wir aber auch nicht so viel miteinander trainiert. Wir waren noch zusammen auf einem Wettkampf und haben vieles gleich oder ähnlich trainiert und das auch immer abgestimmt.
Markus: Bist du also auch sein Trainer?
Sebastian: Nein, sein Trainer ist Steppke, also Jürgen Stephan, der gleiche wie von Julian Flügel.
Markus: Und der ist auch dein Ratgeber?
Sebastian: Ja, also ich bin mein eigener Trainer und tausche mich außerdem noch mit meinem allerersten Heimtrainer aus, dem Leonard Scholl vom TSG Roth, was damals SC Roth war, bei dem ich 2003 begonnen habe, mit ihm stehe ich immer noch in engem Kontakt. Er schaut über mein Training, weil man ja auch betriebsblind wird, wenn man sich sein Training selbst schreibt und stehe aber natürlich auch im Austausch mit Philipps Trainer, also mit Steppke. Das einfach allein schon, dass wenn wir zusammen trainieren, auch auf einen Nenner kommen.
Grundsätzlich sind wir uns da auch immer einig, weil es ja keine Rolle spielt, ob wir jetzt 1600er oder 2000er laufen und ob wir jetzt 90 Sekunden oder eine Minute Pause machen, bei 12×1000, da ist dann halt der 1000er zwei Sekunden schneller. Im Prinzip finden wir da immer einen Nenner.
Markus: Hast du sonst noch andere Trainingspartner, den Andreas Straßner beispielsweise?
Sebastian: Eigentlich eher weniger. Diese Vorbereitung für die EM war ziemlich alleine, die davor (Düsseldorf, Anm. d. Red.) bin ich ab und an noch mit Mitku Seboka gelaufen, der war dann aber verletzt, so ab März, also war das dann auch alleine und Andreas Straßner wohnt gar nicht so nah bei mir, also er arbeitet zwar direkt hier, arbeitet aber von sieben bis 15 Uhr und trainiert dann gleich und ich habe einfach einen anderen Rhythmus. Ich trainiere erst gegen halb neun, neun, wenn ich meinen Sohn in die Kita gebracht habe und dann am Abend und Andreas wohnt einfach auch in der anderen Richtung. Wir wohnen tatsächlich 50 km voneinander entfernt.
Außerdem hat das jetzt aktuell auch von der Form nicht gepasst. Ich war schon viel weiter als er, wegen der EM. Das wird dann im Herbst wieder besser sein, weil ich jetzt natürlich Pause mache und er gerade Form schon aufbaut und dann den München Marathon rennt. Dann wird sich das irgendwann wieder überschneiden. Dann werden wir endlich wieder mehr miteinander trainieren können – wir haben bestimmt schon ein Jahr nicht mehr zusammen trainiert.
Markus: Wie würdest du generell deine Form jetzt vor dem Berlin Marathon im Vergleich zu Düsseldorf sehen?
Sebastian: Die war nicht ganz so gut, würde ich sagen. Was aber auch der Sache geschuldet ist, dass zwei solche Vorbereitungen hintereinander nicht so einfach sind. Da waren ja nur drei Wochen Pause dazwischen, dann gingen wieder zwölf Wochen los. Ich habe das ja auch das erste Mal gemacht, sowohl als Athlet als auch als Trainer, und habe mich auch ein bisschen – in Anführungsstichen – verzettelt: die Form kommt eben sehr schnell wieder, wenn man nur drei Wochen Pause gemacht hat, weil ich in den drei Wochen ja auch noch gelaufen bin. Ich habe etwa 40, 70 und 100 Kilometer gemacht. Das ist ja nicht gar nichts und bin zusätzlich noch ab und zu auf der Bahn gelaufen. Ich habe in Karlsruhe einen relativ zügigen 5000er gepaced, genauso wie in Tübingen, etwa eine Woche später.
Dadurch kam dann bei den Longruns schon schnell wieder eine gute Form und ich war schon in Woche vier der Vorbereitung schon wieder sehr fit. Ab Woche sechs kam dafür wieder ein Tief, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Dann war auch noch das Immunsystem geschwächt, dann wird man krank. Wenn man dann wieder fit ist, rennt man wieder, dann kann das aber wieder ein, zwei Tage zu früh gewesen sein, sodass ich dann, vier Wochen vor dem Marathon, ein richtiges Tief hatte. Da habe ich eine Woche komplett ausgesetzt. Das war die Notbremse, mit einem Mix aus Übertraining, auch wenn der Umfang gar nicht so hoch war, der Körper zu dem Zeitpunkt aber einfach nicht mehr erholt war. Dann habe ich mir gesagt, dass eigentlich nur noch Pause hilft: was soll es bringen? Schnell laufen kann ich nicht mehr, wenn ich jetzt noch versuche, weiter zu trainieren. Dann habe ich mich aber wieder auf den Punkt genau erholt. Also ich war auf jeden Fall sehr fit am Start. Es hätte vielleicht einen Ticken besser sein können, aber ich war im Ziel ja auch vor Philipp Baar, und der hat deutlich mehr trainiert als ich. Er hat im Prinzip perfekt durchtrainiert und war trotzdem hinter mir. Ich war dafür halt erholter. Es ist ja immer eine Gradwanderung zwischen was mache ich alles noch im Training und erhole ich mich dann noch bis zum Wettkampf, sodass ich dann wirklich frisch bin?
Valentin Pfeil beispielsweise, der Österreicher, der auch ein sehr guter Freund ist, der hatte das gleich Problem. Er ist letztendlich bei km 28 ausgestiegen und er hat unglaubliche Einheiten vorher trainiert, von denen ich keine einzige habe trainieren können. Aber ich habe ihn dann eben bei km 28 überholt, weil er gesagt hat, er sei in den letzten 14 Tagen einfach nicht mehr richtig frisch geworden.
Ich habe mich zumindest in den letzten drei Wochen die ich noch hatte von Woche zu Woche besser gefühlt. Von Einheit zu Einheit habe ich richtig gemerkt wie ich jeden Tag bis zum Rennen noch besser werde. Ich wusste dann nach meinem Standard-Abschlusstraining am Tag vorher, dass ich fit bin. Da laufe ich immer sechs Kilometer locker und drei Kilometer gesteigert, ca. 3’30-3’20-3’10 und die waren alle mit Handbremse noch ein, zwei Sekunden zu schnell. Da weiß man dann: jetzt bist du fit! Wenn man das locker rennt. Von daher war das auf jeden Fall OK von der Vorbereitung und ich war sicherlich in einer guten Verfassung am Start.
Markus: Du hast es eben schon angesprochen: die Longruns machst du immer sehr zügig, da hast du ja auch schon mehrere Artikel zu geschrieben. Ist es bei den anderen Dauerläufen auch wichtig, die in einem bestimmten Tempo zu absolvieren oder kann man die deiner Philosophie nach locker machen?
Sebastian: Ich sage mal so: der Longrun ist der schnellste Lauf in der Woche bei mir, also im Marathontraining. Da wird einfach möglichst nah an das Marathontempo herangelaufen. Bei mir liegt das so bei 20 Sekunden über dem Marathontempo, ca., im Schnitt und hat auch Anteile wie 6×2‘ oder 3×2 km oder letzte 5 km im Renntempo oder knapp drunter, also hintenraus, in der Ermüdung. Um jenseits von 20 km noch einmal schnell zu laufen, nochmal ins Renntempo zu gehen, am Ende der Trainingswoche.
Die anderen Läufe, ich sage mal so, ich bin kein Fan von zu langsamen Läufen. Bei mir stellt sich immer automatisch ein Dauerlauftempo von etwa 4‘00/km ein, wenn ich regenerativ laufe. Irgendwas zwischen 4’05 und 3‘55/km, je nachdem, wie ich gerade muskulär drauf bin. Auch wenn ich nicht auf die Uhr schaue oder ohne Uhr laufe steht das am Ende drauf.
Ich bin auch kein Fan davon, unendlich Kilometer zu sammeln. 200, gar 220 km, wenn ich dann nicht mehr schnell laufen kann, oder nicht mehr ordentlich sauber laufen kann. Ich bin jetzt beispielsweise in meiner Düsseldorf-Vorbereitung „nur“ 167 Kilometer im Schnitt gelaufen. Da laufen viele wahrscheinlich mehr Kilometer, dafür hatte ich halt einen Gesamtschnitt – jetzt müsste ich lügen – von glaube ich 3‘47/km. Über alle Kilometer, also mit Ein- und Auslaufen in der gesamten Vorbereitung.
Und mein Dauerlauftempo erstreckt sich so, bei normalen Dauerläufen, um 3‘50/km, wobei ich fast immer progressiv laufe. Ich laufe ungern schnell los, die ersten zwei, drei Kilometer meist um 4’15, 4’10. Dann ist der Gesamtschnitt natürlich niedriger, aber die letzten 10 sind dann meist Richtung 3’40 bzw. 3‘45/km. Dann ist der Gesamtschnitt vielleicht nur 3’52 oder so aber der wirksame Anteil vom Dauerlauf war schon deutlich schneller.
Markus: Sind deine Babyjogger-Läufe auch mit eingerechnet?
Sebastian: Genau, ja, die sind auch mit drin. Die regenerativen Läufe mache ich mit dem Babyjogger, und mein Modell ist so designed, dass das quasi nichts kostet. Wenn man geradeaus läuft, am Kanal oder auf der Straße, möglichst flach, dann sind das vielleicht zwei bis drei Sekunden (pro Kilometer), was das ausmacht. Also die Babyjogger sind vielleicht im Schnitt einen Hauch langsamer, man läuft dafür aber anders, aufrechter. Man hat dadurch automatisch einen saubereren Stil und dadurch verliert man gar nicht so viel Zeit, weil der Trott, in den man sonst bei lockeren Läufen verfällt, einfach mit dem Babyjogger nicht vorkommt. Dadurch zieht man seinen Laufstil einfach sauberer.
Gerade jetzt im Sommer war es mir zu spät erst zu laufen, wenn mein Sohn in der Kita ist, weil er eh schon früher wach war und es so heiß wurde, also haben wir die Läufe schon morgens gemacht. Dadurch war ich dann auch schon um halb neun Uhr fertig und musste nicht in die ganz große Hitze.
Markus: Jetzt kannst du ja auch ziemlich gut schwimmen, in der direkten Marathonvorbereitung würdest du aber trotzdem nur laufen und nicht alternativ trainieren?
Sebastian: Ich sage mal so: ein Läufer muss laufen. Wenn jemand schon sieben Mal in der Woche läuft, dann kann er durchaus überlegen, ob er nicht die Einheit acht und neun – wenn er denn so viel trainieren will – ins Wasser oder aufs Rad verlegt. Auch für Leute, die sehr anfällig sind: am Tag nach dem Longrun geht es im Prinzip ja nur darum, stoffwechselmäßig Abfallprodukte abzubauen und die Muskulatur zu regenerieren. Dafür ist eine Schwimmeinheit auf jeden Fall sinnvoller als eine Stunde laufen zu gehen.
Der Meinung bin ich schon. Ich persönlich habe es jetzt nicht mehr gemacht, weil ich ein sehr muskulöser Läufer bin und ich durch das Schwimmen immer sehr schnell an Muskelmasse zulege. Da ich für einen Marathonläufer sowieso sehr muskulös bin und einen hohen BMI habe, trotz eines sehr niedrigen Körperfettanteils. Ich habe beispielsweise weniger Körperfett als Julian Flügel aber einen viel höheren BMI. Oder als Philipp Baar. Aufgrund dessen habe ich das Schwimmen eingestellt, dass ich weniger Muskeln im Oberkörper habe. Dass Brust und Schultern nicht so auseinander gehen.
Anderen aber kann ich das wie gesagt empfehlen, gerade an Tagen nach dem Longrun. Da ist es sinnvoll Schwimmen oder eine Runde Radfahren zu gehen, weil der Bewegungsapparat weniger belastet wird. Gerade beim Schwimmen wird die Muskulatur auch deutlich entspannt. Das bringt auf jeden Fall etwas und ersetzt hier und da vielleicht sogar den Physio.
Je nachdem, wie intensiv man den Beinschlag macht, muss man nur darauf aufpassen, dass es nicht zu sehr auf die Hamstrings geht. Wenn man locker schwimmt, ohne auf irgendwelche Intervallzeiten fokussiert zu sein, dann ist das sehr sinnvoll.
Markus: Machst du etwas in Richtung (selbst-)Massage, Stabi oder Dehnen?
Sebastian: Ich neige sehr stark zum Verkürzen, deshalb dehne ich eigentlich vier bis fünf Tage die Woche, nur nach Longruns und Tempotraining dehne ich abends nicht. Ansonsten bin ich abends eine halbe Stunde fleißig. Außerdem hier und da die Selbstmassagerolle, meistens nach dem Aufstehen um in Schwung zu kommen und den Rücken einzurenken und über beide Beine, bis es knackt. Ansonsten bin ich zwei Mal in der Woche regelmäßig beim Physio. Das hat sich auf jeden Fall bewährt, da hätte ich auch ein paar Jahre früher drauf kommen können. Das Geld ist gut investiert, weil es viele Verletzungen einfach vermeidet. Seitdem ich regelmäßig zum Physio gehe – und nicht nur, wenn etwas zwickt – keine Hamstring-Probleme mehr. Oder auch das typische Zwicken im Gesäß. Die Muskulatur ist einfach insgesamt lockerer.
Man läuft deswegen nicht unbedingt schneller, aber definitiv mit weniger Schmerzen bzw. mit weniger Risiko, sich Verletzungen einzuhandeln aufgrund irgendeiner Schon- oder Fehlhaltung.
Markus: Und Stabi?
Sebastian: Ja, genau, da muss ich zwar auch ein bisschen aufpassen, wieder wegen der Muskelmasse, aber ich mache in der Regel zwei Mal in der Woche Stabi mit Pezziball und Schlingentrainer. Alles mit Eigenkörpergewicht und auf Balance ausgerichtet. Geräte eigentlich gar nicht, außer mir tut beispielsweise das Knie weh, dann mache ich speziell Maximalkrafttraining für die Oberschenkel, damit die Kniescheibe entlastet wird. Das kommt aber eher selten vor. Ansonsten einfach zu Hause nach dem Dauerlauf, an ruhigen Tagen. Also wenn ich am Mittwoch Tempotraining hatte, dann mache ich am Donnerstag Dauerlauf und danach Stabi.
Früher bin ich dann abends noch Schwimmen gegangen, wobei ich jetzt sagen muss, dass ich persönlich vom Trainingseffekt her nicht mehr besser werde, wenn ich zusätzlich schwimme oder zusätzlich nochmal laufe. Mittlerweile lasse ich hier und da lieber einen Lauf weg und bin ein wenig erholter, was für einen Läufer im fortgeschrittenen Alter von 31 auf jeden Fall sinnvoll ist. Ich merke, dass mir das mehr bringt. Natürlich muss man irgendwann im Leben viele Kilometer laufen, aber ich komme mittlerweile mit weniger Kilometern weiter. Einfach, weil die Grundlage durch die vielen Jahre und Lebenskilometer da ist. Früher habe ich die Kilometer gemacht, die helfen mir heute natürlich. So bin ich immer relativ schnell wieder fit.
Markus: Wie würde generell eine typische Trainingswoche bei dir aussehen? Mittwochs Tempo und Sonntag den langen Lauf habe ich schon herausgehört?
Sebastian: Ja genau. In der Regel mache ich montags immer locker, Dienstag ist ab und zu etwas mit Tempowechsel, z. B. 8×30 Sekunden schnell im Dauerlauf oder Kraftausdauer auf einer bergigen Runde, wobei ich die Berge gleichschnell hoch wie runter laufe. So ergibt sich automatisch eine wechselnde Belastung. Mittwoch dann meistens Tempo, im Marathontraining Frühs Tempo und abends laufe ich zusätzlich, sodass ich auf gute 40 Kilometer an dem Tag komme, oder mehr, dass die muskuläre Belastung einfach mal da ist, weil der Bewegungsapparat ja auch im Marathon weit laufen muss. Donnerstag ist dann wieder locker – und Physio. Also Dienstag und Donnerstag bin ich meistens beim Physio. Freitags ist unterschiedlich, könnte beispielsweise ein mittellanger Lauf über 20 km sein, wo ich jetzt nicht so schnell laufe, so um die 3‘45/km, was auch fünf Sekunden schneller oder langsamer sein kann. Manchmal auch noch ein zweiter Lauf und samstags dann kurze Bergsprints oder 200er, oder auch 16 km und Steigerungen hinten dran oder Rasendiagonalen, einfach für die Schnelligkeit und die Laufstilschulung: entspannt schnell und sauber laufen. Wenn man beispielsweise 300er macht, die werden schon wieder hart, 200er kann man noch schön rollen. Die aber natürlich auch nicht in 29 Sekunden, sondern 32, 31, 30… was halt für mich flüssiges, schnelles Laufen ist, ohne dass ich drücken muss. Stilläufe, im Prinzip. Abends dann nochmal ausjoggen und dann Sonntag den Langen.
Markus: Jetzt bist du ja einen sehr guten Düsseldorf-Marathon gelaufen und dann warst du bei der EM dabei: was ist das nächste Ziel? Willst du einmal Deutscher Meister werden oder zu Olympia?
Sebastian: Nein, ganz ehrlich bin ich sehr zufrieden. Auch mit dem Vizemeistertitel – nicht, dass ich mich nicht freuen würde, wenn ich einmal Deutscher Meister werde, aber das ist ja immer so eine Sache: man muss dabei einfach realistisch bleiben. Wenn ein Arne Gabius z. B. nicht da ist, dann ist es für mich egal, ob ich Zweiter oder Erster bin, weil ich weiß, dass der Arne sowieso schneller gewesen wäre. Oder auch Hendrik Pfeiffer, der nicht da war. Von daher bin ich sehr froh mit einem zweiten Platz. Dann muss ich nirgendwo sagen, dass ich Deutscher Meister bin, mit einem schlechten Gewissen sozusagen.
Für mich war die EM in Berlin mein Karrierehighlight und damit höre ich auch auf!
Ich höre quasi auf, wenn es am Schönsten ist. Ich komme ja aus Roth und werde als nächstes die Challenge Roth machen. Ich habe ein Projekt mit der Challenge Roth zusammen, da ich Einheimischer bin. Ich werde jetzt ein Jahr für den Triathlon trainieren, mehr oder weniger als Profi, und dabei schauen, was ein 2h15-Marathonläufer erreichen, wenn er zum Triathlon wechselt, gerade, weil ich ja schon schwimmen kann.
Markus: Und Radfahren kannst du auch?
Sebastian: Nein, bisher nicht [lacht]. Habe ich schon mal gemacht, werde ich aber trainieren müssen. Ich habe mir unter anderem Rat bei Dan Lorang dem Trainer von Jan Frodeno geholt, der mir mit Christoph Großkopf und Sebastian Zeller ein professionelles Team zur Seite gestellt hat. Das wird ein recht professionelles Projekt, das wir da aufziehen. Da könnte man noch einmal separat drüber sprechen.
Aber um nochmal darauf zurückzukommen, was ich noch vorhabe: für mich die 2:15:27 h OK, damit bin ich zufrieden. Ob ich jetzt 2:15:13 oder 2:14:55 renne – ich bin damit zufrieden, das brauche ich nicht mehr. Und Olympia ist für mich auch so eine Sache. Für mich ist die Chance einfach so gering, das zu schaffen. Es gibt einfach Leute, die definitiv besser sind. Von Tom Gröschel habe ich schon immer gesagt, das ist ein Marathonläufer. Unter Normalbedingungen schlage ich den nicht, besonders, wenn er trainieren kann und nicht verletzt ist. Er ist Düsseldorf ja im Prinzip mit wenig Training gelaufen und jetzt sieht man ja, was er rennen kann, wenn er trainiert. Für Berlin hat er eine gute Vorbereitung gehabt und rennt die gleiche Zeit, trotz Hitze. Bei Idealbedingungen läuft der in Berlin auch eine 2h12.
Dann gibt es Leute wie Hendrik Pfeiffer, Philipp Pflieger, wenn er denn weitermacht, der ist in der Regel wahrscheinlich auch schneller als ich und Arne wird es wohl auch nochmal probieren. Und dann ist da natürlich noch mein Teamkollege und guter Freund Philipp Baar, der mit dem Marathon Projekt in Berlin den einzig richtig professionellen Weg geht und sicherlich noch einiges auf die Straße zaubern wird.
Ich habe immer gesagt, mein Ziel ist es, einmal in der Nationalmannschaft zu laufen und mache bis 2018. Ich muss ja auch sagen, dass ich in allen meinen Marathons hinten raus Probleme mit Krämpfen hatte. In Düsseldorf am spätesten, und jetzt in Berlin war es auch wieder das gleiche. Ich habe eigentlich noch nie einen Marathon ausbelastet. Das liegt wohl schlichtweg daran, dass ich vom Muskeltyp einfach mehr Muskulatur habe als andere. Ich habe auch mit der Salzzufuhr ausreichend herumexperimentiert. Irgendein Limit gibt es da anscheinend bei mir. Das ist nicht wie bei anderen, dass ich beispielsweise zu wenig Luft hätte – ich fühle mich immer noch sehr, sehr gut, kann aber nicht schneller laufen, weil ständig die Wade anfängt zu zwicken.
Ich musste jetzt in Berlin Jonas Koller auch wieder einfach ziehen lassen, ohne dass es jetzt für mich hart war, so wie ich in Düsseldorf den Tom vorbeiziehen lassen musste, einfach weil ich mit Krämpfen in der Wade fast stehen geblieben bin. Von daher bin ich auch damit zufrieden, dass zumindest ein Marathon zu 95 % gut geklappt hat. Berlin war dann auch gut, aber nicht sehr gut, da muss man realistisch sein. Ich behaupte mal, dass das von uns sehr gut getimed war, wie wir angegangen sind in der Hitze und mit der Kühlung usw., aber ich denke, dass ich den Jonas normalerweise geschlagen hätte, was besonders in dem Fall ärgerlich war, weil man damit schnell sechs, sieben Plätze gut gemacht hätte. Mit meinem 33. Platz bin ich aber natürlich auch zufrieden, weil ich mit einem 37. oder 38. Platz in der Meldeliste stand. Von daher ist das immer noch ein Erfolg, da bin ich mit meiner Karriere zufrieden.
Ich werde auch noch weiterhin Marathon laufen, nur eben nicht mit dem Fokus auf Mannschaften oder Bestzeit. Ich muss jetzt auch als Triathlet, wenn ich dort schnell sein will, weiterhin 2h20 laufen können. Das hört sich zwar recht langsam an, wenn man einmal 2h15 gelaufen ist – jetzt kann ich 2h20, in Anführungsstrichen, immer laufen. Oder sagen wir 2h22, wenn ich beispielsweise für eine Frauengruppe Tempo mache. Das ging immer sehr, sehr leicht, dafür muss ich nicht spezifisch auf den Marathon trainieren. Wenn ich drei bis vier Longruns mache, dann ist das normalerweise kein Problem. Für den Triathlon möchte ich natürlich meine Laufstärke erhalten.
Markus: Bleibst du dem Laufen denn als Trainer erhalten oder wechselst du dort auch die Disziplin?
Sebastian: Nein, da bleibe ich dem Laufen definitiv erhalten. Ich werde wahrscheinlich auch den Düsseldorf-Marathon wieder laufen. Es schadet ja auch nicht als Triathlet den Marathon schnell laufen zu können, das machen ja viele.
Ich schaue jetzt erstmal, wie es wird. Es könnte ja auch sein, dass ich mir mit dem Radfahren so schwer tue, dass es nichts wird. Aber wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, so ein Projekt ein Jahr lang zu machen, dann nehme ich das natürlich wahr. Für mich war das jetzt einfach ein sehr guter Zeitpunkt, um aufzuhören.
Man will ja auch nicht so lange machen, bis man langsam wird und dann noch drei Jahre langsam rennen, so in der Art. Und ich verdiene ja jetzt auch nicht so viel Geld mit dem Sport, dass es sich lohnen würde, noch die Antrittsgelder einzustreichen. Ich widme mich jetzt einfach mal dem Triathlon-Hobby!
Markus: Das hört sich ja alles sehr spannend an für das nächste Jahr!
Sebastian: Ja, auf jeden Fall.
Markus: Dafür auf alle Fälle viel Erfolg! Hast du noch einen abschließenden Tipp zum Laufen allgemein oder auch zum Marathon?
Sebastian: Danke! Ja: Beständigkeit zahlt sich aus. Lieber etwas weniger machen und gesund bleiben und auch nicht ins Übertraining fallen und dann gefrustet sein. Es zahlt sich einfach aus, durchzutrainieren, das ist das Wichtigste. Das man gut, ohne Verletzungspausen, durchkommt. Das führt am besten zum Erfolg.
Man muss auch nicht irgendeine einzelne Trainingseinheit fokussieren und dabei Bestzeiten rennen, wenn man einfach viele gute Einheiten zusammenbringt. Die zählen mehr als ein, zwei sensationelle, wenn der Rest eher schlecht ist. Der Trainingsschnitt muss gut sein und lange aufrechterhalten werden. Man muss im Training keine Rekorde brechen, um eine sehr gute Wettkampfzeit zu erreichen. Man muss Geduld haben und Ruhe bewahren, auch wenn es mal einen Tag besonders gut läuft, muss man nicht unbedingt „draufhauen“.
Vor allem an den Ruhetagen muss man sich auch die nötige Auszeit nehmen. Vor allem für die, die berufstätig sind ist manchmal ein kompletter Ruhetag mehr wert als noch ein Dauerlauf. Ich würde immer eher auf Qualität als auf Quantität setzen! Lieber laufe ich einmal am Tag 15 km in einem ordentlichen Tempo als zwei Mal 10 km locker. Da hat man auch Zeit gespart: weniger Zeit, dafür mehr Effekt.
Markus: Okay – danke. Vielen Dank für Deine Zeit und alles Gute für die Zukunft!