Koffein, das assoziiert man zunächst einmal mit Kaffee: Laut statista.com werden in Deutschland jährlich rund 580.000 Tonnen Rohkaffee (bzw. etwa 525.000 Tonnen Röstkaffee) verbraucht, was pro Person rund 162 Liter im Jahr entspricht. Doch Koffein ist in weit mehr, als nur in Kaffee, Cappuccino und Espresso. Weiterhin kommt es in schwarzem Tee (das Tee-Koffein entfaltet seine volle Wirkung erst im Darm, weswegen die Wirkung später einsetzt, dafür aber gleichmäßiger ist und länger andauert), Cola, Red Bull, Zartbitterschokolade und weil es ebenso in der Kakaopflanze enthalten ist – eigentlich zum Schutz vor Fressfeinden und Parasiten – auch in Schokolade, Schokokeksen und -kuchen, Trinkkakao sowie Eiscreme vor. Koffein wird zunehmend im Leistungssport, beispielsweise in Energiegels, eingesetzt. Doch steigert es wirklich unsere Ausdauerleistung?
Koffein: wo es herkommt
Koffein aus Kaffeebohnen wurde erstmals um 1820 von Friedrich Ferdinand Runge (1794 – 1867) isoliert, der von keinem anderen als Johann Wolfgang von Goethe ein paar Kaffeebohnen geschenkt bekommen hatte (Carvalho et al., 2012, S. 41). Später – 1895 – gelang Emil Fischer (1852 – 1919) die Totalsynthese des Stoffs, wofür er den Nobelpreis erhielt (Giebelmann et al., 2011, S. 507). Im Reinzustand und unter normalen Bedingungen ist Koffein ein weißes, geruchloses, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack.
Koffein: was es bewirkt
Bis Koffein in unseren Blutkreislauf gelangt und die Blut-Hirn-Schranke passiert dauert es 10 bis 60 Minuten. Im Gehirn entfaltet es dann seine Wirkung, die laut Experten im Durchschnitt ca. drei bis vier Stunden anhält, was von Körpergröße, Gewicht, dem Koffeinverhalten, der Art des eingenommenen Koffeins, ob Raucher oder Nichtraucher und einigen Faktoren mehr abhängt. Männer sprechen in der Regel schneller an als Frauen (Mizevaite, 2013).
Der Abbau von Koffein (80 %) findet in der Leber statt, wo es zu Paraxathin demethyliert wird. Der Rest (16 %) wird zu Theobromin und Theophyllin umgewandelt. 3 % des Koffeins wird über den Urin unverändert ausgeschieden (Dürr, 2011, S. 7).
Koffein hat eine direkt stimulierende Wirkung auf das zentrale Nervensystem. Die Aufmerksamkeit und das Reaktionsvermögen werden erhöht, Ermüdung und Erschöpfung hinausgezögert. Koffein kann die kognitive Leistung erhöhen. Es regt die Herztätigkeit an, steigert den Blutdruck, erweitert die Bronchien und Blutgefäße, stimuliert die Muskeltätigkeit, regt die Verdauung an und beeinflusst die Stimmung, die Konzentrationsfähigkeit und den Schlaf.
Im menschlichen Gehirn gibt es eine natürliche Bremse, damit dieses nicht ständig auf Hochtouren arbeiten muss. Es wird der Botenstoff Adenosin ausgeschüttet, der bewirkt, dass wir müde werden. Koffein besitzt nun eine ähnliche Struktur wie Adenosin und dockt, ohne diese zu aktivieren, an denselben Rezeptoren an. Dadurch sind wir wacher und bleiben länger leistungsfähig. Das Denkvermögen wird beschleunigt, der Puls gesteigert und die Koordination verbessert.
Wenn ein Mensch allerdings über eine längere Zeit hohe Dosen von Koffein zu sich nimmt, verändern sich die Nervenzellen. Es werden mehr Adenosin-Rezeptoren gebildet, sodass wieder Adenosin-Moleküle an Rezeptoren andocken können und die anregende Wirkung des Koffeins stark eingeschränkt wird. Eine derartige Toleranz entwickelt sich bereits nach 6 bis 15 Tagen starken Koffeinkonsums. Eine Koffeinentwöhnung dauert laut Ridell et al. (2012) 2 bis 9 Tage.
Die Nebenwirkungen von (zu hohem) Koffeinkonsum können Unruhe, Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Sehstörungen und ein trockener Mund sein. Beim Menschen liegt die letale Dosis bei ungefähr 10 Gramm Koffein (5 – 30 g), was etwa 333 Espressi entspricht. Vergiftungserscheinungen können allerdings schon ab einem Gramm auftreten.
Dass Kaffee dehydriert, ist mittlerweile widerlegt. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) können „Kaffee sowie schwarzer und grüner Tee […] in der Flüssigkeitsbilanz wie jedes andere Getränk behandelt werden. In erster Linie sind sie jedoch Genussmittel und als Durstlöscher nicht geeignet“.
Koffein zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit
Weil jede Bewegung über das Gehirn gesteuert wird, meint Prof. Dr. Kuno Hottenrott, Trainingswissenschaftler an der Universität Halle-Wittenberg: „Je wacher wir sind, je besser wir uns fühlen, desto leichter fällt es, körperlich aktiv zu sein“. Die Leistungsbereitschaft wird gesteigert.
Darüber hinaus deutet eine Reihe von Studien darauf hin, dass Koffein auch die sportliche Leistung ankurbeln kann. Dem zugrunde liegen die folgenden möglichen Annahmen:
- Koffein reduziert die Rate des Muskelglykogenkonsums während der ersten 15 Minuten des Trainings, weil der durch das Koffein erhöhte Plasma-Adrenalinspiegel die Fettoxidation verbessert.
- Koffein mindert die wahrgenommene Anstrengung: das zentrale Nervensystem wird stimuliert, indem das Koffein antagonistisch zur Wirkung von Adenosin fungiert. Es blockiert den Adenosin-Rezeptor und verhindert somit dessen beruhigende Wirkung, wodurch Ermüdungserscheinungen ausbleiben und das Schmerzempfinden vermindert wird.
- Koffein verbessert den Blutfluss zu Muskeln und Herzen.
- Koffein ruft einen adrenalin-ähnlichen Effekt hervor, sodass mehr Calcium während der Kontraktion in die Muskelzellen fließt und somit die potenzielle Stärke und Kraft der Muskelaktivität steigert (Verzögerung des Abbaus von cAMP). [Dieser Effekt konnte bisher nur über sehr hohe, in der Praxis kaum zu erreichende Koffeinkonzentrationen nachgewiesen werden]
Ob einer oder mehrere dieser möglichen Gründe zutreffen, ist derzeit noch unklar. Zeitweise deklarierte man den Stoff sogar als Doping: 1962 wurde die Einnahme von Koffein (eine einheitliche Menge von 15 mg/Liter) durch das IOC verboten. Einige Jahre später wurde diese Entscheidung wieder revidiert. 1984 gab es erneut Koffeinrestriktionen, derzeit steht Koffein aber nicht auf der Dopingliste.
Doch widmen wir uns nun den Auswirkungen auf den Ausdauersport:
Koffein im Ausdauersport: die Studienlage
Eine Meta-Studie, also eine Arbeit, die bereits vorhandene Publikationen zusammenfasst, liegt von Higgins et al. (2016) vor. Nach den zusammengefassten 600 Studien wird für die optimale sportliche Leistungsfähigkeit empfohlen, 30 bis 45 Minuten vor dem Sport 3 bis 7 mg Koffein pro kg Körpergewicht aufzunehmen. Zum Vergleich: Eine Tasse Kaffee enthält ungefähr 50 – 100 mg Koffein, allerdings in gebundener Form. Das ist schlechter nutzbar als zum Beispiel in Tablettenform (erhältlich in der Apotheke). Laut der Meta-Studie verbessert sich die Ausdauerleistung von Läufern und Radfahrern um bis zu beachtliche 24 Prozent!
Für die optimale sportliche Leistungsfähigkeit wird empfohlen, 30 bis 45 Minuten vor dem Sport 3 bis 7 mg Koffein pro kg Körpergewicht aufzunehmen.
Higgins et al. (2016)
Beachtet werden müssen dabei allerdings Faktoren wie der alltägliche Koffeinkonsum und die Ernährung bzw. die Glykogenspeicher: Faktoren, die in manchen Studien exakt überwacht, in anderen nicht berücksichtigt werden. Weiterhin werden, wie leider in sehr vielen sportwissenschaftlichen Studien, die Untersuchungen nur mit einer geringen Anzahl von Probanden durchgeführt.
Hier eine kleine Auswahl von Studien aus dem Ausdauersport, um ein Gefühl für die Untersuchungen zu bekommen:
- Am Christ Church College in Canterbury mussten 18 Läufer zwei Mal 1500 m laufen. Einmal ohne, einmal mit zwei Tassen Kaffee davor. 14 der Läufer liefen mit Koffein schneller, was statistisch signifikant ist. Im Durchschnitt verbesserten sie sich von 4:50 min auf 4:46. In einer zweiten Studie hatten 10 Läufer mit Kaffee einen besseren Schlussspurt.
- An der Universität Guelph in Kanada hielten die 14 Läufer, die an der Studie teilnahmen, mit 6 mg/kg beim Intervalltraining 20 % länger durch als ohne Koffein.
- An der John Hopkins Universität in Baltimore wurden Gedächtnistests mit Bilderreihen durchgeführt. Mit 100 mg Koffein wurde die Leistung nicht besser, mit 200 mg deutlich besser (außerdem wurden wesentlich mehr Details erkannt), mit 300 mg war die Leistung wiederum nicht besser.
- Jenkins et al. (2008) untersuchten 13 Radfahrer, denen 2-3 mg Koffein/kg Körpergewicht verabreicht wurden. Sie verbesserten sich um 3 bis 4 %.
- Astorino et al. (2011) verabreichten 16 Radfahrern 5 mg/kg, was zu einer Verbesserung von 0,3 bis 2 % führte.
- Irwin et al. (2011) stellten bei 12 Radfahrern, denen 3 mg Koffein pro kg Körpergewicht verabreicht wurden, eine Verbesserung von 3 bis 3,6 % fest.
- Bei Backhouse et al. (2011) wiederum konnte bei 12 Athleten (6 mg/kg) kein Unterschied festgestellt werden.
- Auch Motl et al. (2003) konnten bei 16 Untrainierten (10 mg/kg) keinen Unterschied erkennen, woraus Goldstein et al. (2010) bzw. die Internationale Gesellschaft für Sportlerernährung schließen, dass Koffein nur die Leistung von Trainierten steigert. Ebenso könnte natürlich auch die Dosis zu hoch gewesen sein.
- Bridge und Jones (2006) schließlich stellen bei acht Marathonläufern (3 mg/kg) eine Verbesserung von 1,2 % fest.
Wie bereits erwähnt halten wir also fest, dass es teilweise zu deutlichen Leistungssteigerungen kommt, wobei es auch auf die Dosis ankommt. Die Probandenanzahl ist bei den Studien aber sehr gering. Neben dem Koffeinkonsum und der Ernährung der Probanden wird oft auch nicht festgehalten, ob die Probanden davon wissen, wann sie Koffein intus haben (Placebo-Effekt).
Zusammenfassung
Koffein macht wacher und damit potentiell leistungsfähiger. Viele Studien deuten an, dass eine sportliche Verbesserung im Rahmen des Möglichen liegt, wenn man vor dem Training oder Wettkampf einen Kaffee trinkt bzw. Koffein zuführt. Viele Spitzensportler schwören beispielsweise auf einen Espresso vor dem Training. Wie immer bleiben die Auswirkungen aber individuell, sodass auch hier gilt: Ausprobieren!
Literatur
ASTORINO, T.,A. et al. (2011): Minimal effect of acute caffeine ingestion on intense resistance training performance. In: Journal of strength and conditioning research, Heft 6: S. 1752-1758
BACKHOUSE S., H. et al. (2011): Caffeine ingestion, affect and perceived exertion during prolonged cycling. In: Appetite, Heft 57: S. 247-252
BRIDGE, C. A.; JONES, M., A. (2006): The effect of caffeine ingestion on 8 km run performance in a field setting. In: Journal of sports sciences, Heft 24 (4): S. 433-439
CARVALHO, J., J.; EMMERLING, F.; SCHNEIDER, R., J. (2012): The Chemistry of Caf-feine. In: PREEDY, V., R. (Hrsg.): Caffeine: Chemistry, Analysis, Function and Effects. Cambridge: RSC Publishing
DÜRR, I. (2011): Kaffee: Wirkungen auf die Gesundheit. Gladenbach: Jürgen Haas Print Con-sulting, 3.Aufl.
GIEBELMANN, R.; LOGEMANN, E.; ARNDT, T. (2011): Kulturgeschichtliches zu den Rötegewächsen. In: Toxichem Krimtech, Heft 78 (3): S.504-511
GOLDTEIN, E. et al. (2010) (b): International society of sports nutrition position stand: caffeine and performance. http://www.jissn.com/content/pdf/1550-2783-7-5.pdf
HIGGINS, S., STRAIGHT, C. R., LEWIS, R. D. (2016). The Effects of Preexercise Caffeinated Coffee Ingestion on Endurance Performance: An Evidence-Based Review. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2016 Jun; 26 (3): 221-239
IRWIN, C., D. et al. (2011): Caffeine withdrawal and high-intensity endurance cycling performance. In: Journal of sports science and medicine, Heft 29 (5): S. 509-515
JENKINS, N., T. (2008): Ergogenic effects of low doses of caffeine on cycling performance. In: International journal of sport nutrition and exercise metabolism, Heft 18 (3): S. 328-342
MIZEVAITE, J. (2013). Koffein und seine Wirkung auf Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Bachelorarbeit, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.
MOTL, R.,W.; O’CONNOR, P. J.; DISHMAN, R., K. (2003): Effect of caffeine on perceptions of leg muscle pain during moderate intensity cycling exercise. In: The journal of pain, Heft 6: S. 316-321
Statista.com (2018). URL: https://de.statista.com/themen/171/kaffee/
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