Dass plötzlich alles anders war habe ich bereits bei meinem ersten virtuellen Wettkampfbericht angeschnitten. Durch COVID-19, das Coronavirus SARS-CoV-2, leben wir in besonderen „Corona“-Zeiten: unsere Grundrechte sind eingeschränkt, wofür es keinen nationalen Notstand braucht, sondern lediglich das Infektionsschutzgesetz.
Auch der Datenschutz kommt derzeit viel zu kurz, nicht nur, weil über immer mehr Überwachung diskutiert wird, sondern weil beispielsweise selbst beim seriösen Anbieter RKI und deren „Corona-Datenspende-App“ der Datenschutz nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint: dort werden unsere Fitnessdaten direkt aus der Cloud mit Klarnamen abgerufen und die Zugangsdaten nur unzureichend geschützt. Auch das Handelsblatt berichtet von 300 Wissenschaftler/innen, die vor voreiligen Schlüssen warnen. Datenschutz ist keine Lappalie, auch wenn sich viele freiwillig eine Wanze ins Wohnzimmer stellen!
Außerdem bleibt derzeit die persönliche Kommunikation völlig auf der Strecke. Wir vermissen Familie Freunde und Kollegen, wofür die virtuellen Alternativen kein Ersatz sein können. Zuweilen – gerade zu Beginn, als die Unsicherheit der kommenden Maßnahmen noch größer war – hatte ich fast schon Angst, in der Wohnung bleiben zu müssen. Ohne Bewegung und frische Luft wird man doch verrückt! Ich hatte schon Programme im Kopf, die ich auf der Rolle (zum Glück gibt es ja Zwift), im Treppenhaus oder gar auf dem Balkon hätte machen können. Zum Glück kam es nicht so weit.
Doch nicht alles an der Corona-Krise ist negativ!
Nicht alles an der derzeitigen Lage – der Corona-Krise – ist negativ: abgesehen von den positiven Auswirkungen auf die Umwelt gibt es weitere Lehren, die wir aus der Pandemie ziehen können. Ganz wichtig dabei: laufen hilft! Das ist gleich der erste Punkt.
Hier meine sieben Lehren aus der Krise:
1. Laufen hilft!
Laufen hilft nicht nur im Alltag – gegen mangelnde Fitness, Langeweile oder beim Nachdenken – sondern insbesondere eben auch in Krisen. Seien es persönliche, wenn Laufen gegen Trauer, Depression oder Liebeskummer hilft, oder allgemeine: Laufen hilft jetzt mehr denn je! Die tägliche Dosis Bewegung, frische Luft und Sonnenschein hilft, nicht verrückt zu werden, wenn wir ansonsten nur in Ausnahmefällen nach draußen gehen, um persönliche Kontakte zu vermeiden. Wer gelaufen ist, fühlt sich nicht nur besser (immer!), sondern ist außerdem auch ausgeglichener und umgänglicher. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir noch laufen gehen dürfen!
Weiterhin hilft laufen auch durch Spendenaktionen.
2. Alleine laufen ist doof!
Meistens bin ich beim Laufen alleine unterwegs, dennoch schätze ich Gesellschaft dabei sehr. Ein wichtiger Bestandteil einer normalen Woche ist deshalb stets das dienstägliche Vereinstraining, sodass ich mich mit meinen Lauffreundinnen und –freunden nicht nur austauschen kann, sondern wir uns auch gegenseitig zu einer besseren Leistung treiben. Im Normalfall versuche ich mich zusätzlich noch mindestens ein weiteres Mal zum Laufen zu verabreden, einfach, um ein wenig zu Plaudern. Auch sogenannte Kaffeefahrten mit dem Rad lassen die Zeit wie im Fluge vergehen. Laufen ist kein Einzelsport, sondern lebt von der Gemeinschaft!
3. Wettkämpfe motivieren!
In der Corona-Krise habe ich gelernt – siehe Punkt 1 –, dass Laufen auch ohne Wettkämpfe Spaß macht und wichtig ist. Durch das Laufen geht es mir besser. Dennoch vermisse ich die Wettkämpfe, die hin und wieder das Salz in der Suppe sind: zum einen wegen der Gemeinschaft – siehe Punkt 2 –, weil man insbesondere in der Region einfach immer wieder dieselben netten Gesichter sieht, zum anderen wegen der Extra-Motivation! Es sind die großen Ziele, die mich im Training für das Extraprozent an Einsatz motivieren und mich auch an nassen, dunklen Tagen die Schuhe schnüren lassen. Zur Zeit schweben wir in dieser Hinsicht im luftleeren Raum. Wann wir wohl wieder an der Startlinie Aufstellung werden nehmen dürfen?
4. Virtuelle Rennen motivieren nur bedingt!
Klar, am Ende läuft man immer allein, muss immer Knautschen, wenn man nicht mehr kann. Auch bei richtigen Wettkämpfen. Um die Motivation hoch zu halten, kamen jetzt vermehrt virtuelle Rennen auf, bei denen man einfach irgendwann für sich die vorgegebene Distanz absolviert und seine aufgezeichnete GPS-Datei in die Wertung einreicht. Natürlich motiviert das, einmal richtig Gas zu geben. Laufe ich aber so komplett alleine, kann ich nie so sehr an die Grenze gehen wie im richtigen Wettkampf. Das Adrenalin fehlt mir.
Es ist ein bisschen so, wie wenn man Segmente bei strava jagt. Es macht hin und wieder Spaß, ist aber aufgrund gewisser Umstände (von Rückenwind über GPS-Fehler bis hin zu absichtlichem Schummeln) nicht mit einem persönlichen Duell zu vergleichen. Leute, ich vermissen euch, allein schon zum Abklatschen nach einer tollen Einheit!
5. Menschen wollen immer das, was sie nicht bekommen!
Im Internetz kursierte ein Witz, der die Realität leider besser darstellte als jegliche Beschreibung: normalerweise sitzt die ganze Familie daheim und starrt auf elektronische Geräte, jetzt aber, in der empfohlenen Ausgangssperre, wollen alle nach draußen. So war es schon immer. Menschen mit glatten Haaren wollen Locken, Menschen mit lockigen Haaren greifen zum Glätteisen. Wir wollen immer das, was wir nicht haben. Auch ich sage natürlich – siehe Punkt 1 – dass laufen hilft, dennoch sollte man es nicht übertreiben. Einen Spaziergang muss man nicht dort machen, wo alle anderen sind. Gespräche sollten kurz gehalten werden, mit genügend Abstand. Denn was ist wirklich wichtig? Dass wir die Gesundheit und Existenzen derjenigen, die nichts für ihr Pech können, nicht fahrlässig behandeln, nur weil wir nicht mitdenken – daraus folgt Punkt 6.
6. Mitdenken ist schwierig!
Jeder ist sich selbst der nächste. Wie sonst kann man es erklären, wenn die empfohlenen Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten werden können? Wenn beim Einkaufen der Abstand nicht eingehalten wird oder im Wald der komplette Weg blockiert wird. Rücksicht und Geduld sind Tugenden, Mitdenken aber scheinbar exorbitant schwierig. Je schneller wir das Virus besiegen, desto eher können wir doch auch die Sicherheitsvorkehrungen zurücknehmen!
Und dann bleibt hoffentlich auch noch etwas übrig:
7. Was übrig bleiben könnte!
Schlussendlich bleibt dennoch die Hoffnung, dass von der Krise etwas Positives bleibt. Dass wir gemerkt haben, was uns wirklich wichtig ist – nämlich die „selbstverständlichen“ Dinge: Familie, Freunde, Freiheit. Keine Statussymbole wie dicke Autos oder Urlaub mit (Langstrecken-)Flügen. Dass wir als Gesellschaft gelernt haben, dass Ideen von Home-Office bis zum bedingungslosen Grundeinkommen nicht der Verweigerung, sondern der Entfaltung dienen. Weil wir einander vertrauen können.
Außerdem hoffe ich, dass wir uns die Wertschätzung auch nach der Corona-Zeit bewahren. Weil wir gemerkt haben, wie viele Tätigkeiten einfach nicht systemkritisch sind, und genauso verstanden haben, wer alles wichtige Arbeit leistet. Vielleicht bleibt etwas dieser Solidarität, Dankbarkeit und Wertschätzung, vielleicht sogar der höfliche Abstand im öffentlichen Raum.
Und schließlich bleiben vielleicht auch einige der neuen Routinen, dass wir – ganz persönlich – beispielsweise täglich Stabi machen (IGMM)!
Laufen ist doch ein toller Sport!
Auch die Corona-Krise zeigt, was Laufen doch für ein toller Sport ist: wir können jederzeit die Schuhe schnüren und auch ganz allein Erfüllung finden, wenn sonst nichts geht. Ganz ohne Ansteckungsgefahr. Wer es mit besonderen Anstrengungen übertreibt, schwächt dadurch zwar sein Immunsystem, dauerhaft wird es aber durch körperliches Training stärker. Und virtuell können wir sogar in Zeiten wie diesen gemeinsam trainieren.
Bleibt gesund!
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