Man könnte meinen, in der Marathonvorbereitung seien Kilometer alles. Wirklich alles. Wer die meisten Kilometer in der Vorbereitung läuft, hat die besten Grundlagen und kommt ergo am besten durch. Dieses Credo scheint grundsätzlich nicht falsch, das realisierte Tempo während der ganzen gelaufenen Strecke ist dabei aber sicher nicht irrelevant. Was also tun?
Nun, wie immer ist logisches Denken nie verkehrt. Verbessern können wir uns nur durch neue Reize, weshalb ein Variieren des Lauftempos angebracht erscheint. Natürlich gibt es andere, die ähnliche Gedanken hatten und verschiedene Trainingsbereiche definiert haben. Betonen möchte ich an dieser Stelle die fließenden Übergänge. Es gibt kein Training, dass exakt einen Effekt liefert. Im Menschen gibt es keine singulären Zusammenhänge, jedes Training dient verschiedenen Anpassungen. Folglich gibt es auch nicht nur vier oder fünf exakt definierte Geschwindigkeiten oder Pulswerte, sondern das komplette Spektrum vom langsamen Trab bis zum vollen Sprint. Und dieses Spektrum sollte komplett ausgeschöpft werden.
Dennoch unterteilen wir in verschiedene Trainingsbereiche, denen im Anschluss Kernziele zugeordnet werden. Je nachdem, welches Hauptziel ein Training hat, wird die passende Geschwindigkeit und damit die Beanspruchung ausgewählt.
Zum Berechnen der einzelnen Bereiche wird (nach Canova oder auch Pöhlitz) zunächst das Marathon-Zieltempo festgelegt. Beispielsweise 5’15/km (ergibt 3h41’31) oder auch 3’40/km (ergibt 2h34’43). Von diesem Zieltempo werden alle anderen Bereiche abgeleitet, weshalb es als 100% definiert wird.
Rechenbeispiel 1: Im ersten Beispiel wird ein Schnitt von 5’15/km als Zielgeschwindigkeit definiert. Daraus ergibt sich: 5’15/km = 315s/km = 100% –> 3,15s = 1%. Ein Bereich von 85% ergibt sich zu 315s (=100%) + 15 x 3,15s (=15%) = 362,25s. Ein Lauf bei 85% müsste also mit 6’02/km absolviert werden.
Rechenbeispiel 2: Im zweiten Beispiel wird ein Schnitt von 3’40/km als Zielgeschwindigkeit definiert. Daraus wiederum ergibt sich: 3’40/km = 220s/km = 100% –> 2,2s = 1%. Ein Bereich von 110% ergibt sich zu 220s (=100%) – 10 x 2,2s (=10%) = 198s. Ein Lauf bei 110% müsste also mit 3’18/km absolviert werden.
Mathematisch erscheint es zunächst als falsch, für geringere Prozentwerte zu addieren und für größere zu substrahieren. Im Kontext ergibt die Rechnung aber natürlich Sinn: für eine geringere Belastung des Herz-Kreislauf-Systems wird natürlich langsamer gelaufen, was sich in einer längeren Zeit pro Kilometer wiederspiegelt.
Es ergibt sich folgende Tabelle:
Beanspruchung | Tempo [min/km] Beispiel 1 | Tempo [min/km] Beispiel 2 | Bezeichnung | Trainingsbereich |
max | 8s-200m | 8s-200m | Zentrales Nervensystem | 2×100, 2×80, 2×60 m [5-10′] |
115% | 4’28 | 3’07 | kurze Intervalle bzw. Motorik | 10×500 [90“] bzw. 10×100 // 5×200 // 3×400 |
110% | 4’44 | 3’18 | Intensiv-spezifische Ausdauer | Intervalle à 1-3km [500m], in Summe 10-12 km |
———— | 20-25×400 [45“ Trab] | |||
105% | 4’59 | 3’29 | Extensiv-spezifische Ausdauer | Intervalle à 2-7km, in Summe 12-23 km // TDL 20-40′ |
100% | 5’15 | 3’40 | Renntempo | 6->10->15->20->30 km TDL |
95% | 5’31 | 3’51 | Mittelschnelle Läufe | 16-20 km DL-TW (1000/1000 mit Diff. von ~30“) // 4-5×5000 [3-4′ Trab] // 32-45 km spezifisch-extensive Läufe |
———— | ||||
90% | 5’47 | 4’02 | Mittlere Läufe | 6 km Berganläufe mit kurzen Trabpausen // 40-52 km |
85% | 6’02 | 4’13 | Marathonausdauer | 18->22 km DL2 // FS mit 5×10-12′ // 2-3 h |
80% | 6’18 | 4’24 | Langsame Läufe | 25->30 km DL1 // MSL 35->40->45 km |
———— | ||||
75% | 6’34 | 4’35 | Regeneration | 5-8 km |
70% | 6’50 | 4’46 | Regeneration | 6 km |
Abkürzungen: DL = Dauerlauf; MSL = Marathonspezifischer Lauf; TDL = Tempodauerlauf; TW = Tempowechsel; Diff. = Differenz; FS = Fahrtspiel; -> = Entwicklung zu; // = oder
Speziell für das Marathontraining werden drei Hauptziele definiert:
a) Entwicklung der vL3 (Geschwindigkeit bei 3mmol/l Laktat im Blut) durch TDL von ca. 15 km bei 100-105%
b) Entwicklung der vL2 durch lange Läufe bei ca. 80%
c) langfristig die optimale Energiebereitstellung über den Fettstoffwechsel, die Ganzkörperkraft, die optimale Laufökonomie und ein gutes Tempogefühl erreichen.
Weiterhin auffällig: Die ganz langsamen Geschwindigkeiten dienen nur der Regeneration! Dazu und welche Hauptziele mit den einzelnen Trainingsbereichen verfolgt werden im nächsten Artikel mehr.
Ja, ich auch 🙂
„Ein Bereich von 110% ergibt sich zu 220s (=100%) – 22s (=10%) = 198s“ soll es heißen. Verschrieben, aber dennoch richtig gerechnet.
Gruß
Danke für den Hinweis. Nicht verschrieben, sondern das Multiplikationszeichen (-10×2,2) wurde nicht angezeigt. Ich habe es ausgebessert.
Zum Glück habe ich in Mathe aufgepasst 😉
Super Artikel, sehr hilfreich.