Chia- vs. Leinsamen: ihr Superfoodler aufgepasst!

Chia LeinsamenKleine, schwarze Körner werden ins Müsli oder in den Smoothie geworfen und zu Pudding verquollen. Die ganz extremen behaupten sogar, die Chia-Samen hätten ihr Leben verändert. Chia: ein „Superfood“! Ja, es ist in Mode, Chia-Samen zu essen. Ein Supernahrungsmittel müsste aber mehr zu bieten haben, wie der Vergleich zeigt.

Chia-Samen
Decken wir den Mythos auf. Chia-Samen sind schwarze Samen einer Salbeipflanze aus Mexiko/Guatemala/Nicaragua, ähnlich wie Mohn, die schon von den Mayas und Azteken gemocht wurden. „Chia“ heißt übersetzt „Stärke“.

Das sogenannte Superfood kostet ca. 40€ pro Kilogramm, schmeckt
etwas nussig und ist gesund. Es soll entgiften und weitere positive Eigenschaften aufweisen. Beispielsweise machen die Samen schlank, weil sie satt machen. In Verbindung mit Flüssigkeit quellen die Körner zu einer glitschigen Masse auf und füllen damit den Magen. Sie helfen der Verdauung, weil der Darm durch die Ballaststoffe (ein Drittel des Gewichts) gereinigt wird. Chia-Samen verlangsamen die Umwandlung von Kohlenhydraten in Zucker, fördern die Konzentration und senken den Cholesterinspiegel, weil viele Omega-3-Fettsäuren enthalten sind, die den Cholesterinstoffwechsel nachhaltig regulieren.

Seit zwei Jahren ist der Import der reinen Samen durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erlaubt. Chia ist nicht gefährlich, empfohlen werden aber nicht mehr als 15 g am Tag. Die Samen enthalten viele gesunde Inhaltsstoffe wie Kalzium und Eisen, viel pflanzliches Eiweiß, Ballaststoffe, Vitamine, Antioxidatien und ungesättigte Fettsäuren.

So weit, so gut. Chia scheint gesund. Die langfristigen Wirkungen auf den Menschen sind aber unbekannt. Werden eventuell Allergien ausgelöst? Ferner zeigten Studien mit 92 (Nieman et al., 2009) bzw. 62 (Nieman et al., 2012) Probanden keinen Einfluss auf Blutdruck, Entzündungswerte oder Fettstoffwechsel. Weder zum Guten, noch zum Schlechten.

„Chia wirkt entgiftend und konzentrationsfördernd? Kann man als Werbung behaupten und dazu Indianergeschichten erzählen, belegen lässt sich das bisher nicht. Energiespendend? Ist auch ein Schokoriegel.“ – Wiebke Hollersen, welt.de, 21.07.15

Auch Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bestätigt, dass erst noch Studien zeigen müssen, inwiefern der regelmäßige Verzehr von Chia-Samen das Auftreten beziehungsweise den Verlauf von Krankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und Krebs beeinflussen kann (Mühlbauer, 2015). Abschließend müssen wir festhalten, dass Chia-Samen ein transatlantisch importiertes Lebensmittel mit CO2 Fußabdruck sind. Und zu allem Überfluss zeigen aktuelle Tests (Öko-Test, 2016), dass bei manchen Marken gesetzliche Pestizid-Rückstandshöchstmengen überschritten wurden.

Leinsamen
Betrachten wir im Vergleich dazu Leinsamen. Unscheinbar, klein und braun, nicht im Trend. Und dennoch – trotz vergleichsweise sehr günstigen 5€ pro Kilogramm – genauso wertvoll und ähnlich („nussig“) schmeckend.

Linum usitatissimum bedeutet „äußerst nützlicher Lein“. Und das ist und war das Gewächs, auch Flachs genannt, wirklich! Der Leinsamen gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Welt: er wurde schon um 5000 vor Christus angebaut. Die genaue Herkunft ist allerdings unbekannt.

Früher wurden die Flachsfasern zu Stoffen verarbeitet. Leinen galt bis ins 18. Jahrhundert als der wichtigste Textilrohstoff. Erst später wurde Leinen durch Baumwolle und synthetische Fasern abgelöst.

Doch nicht nur die Fasern überzeugen. Leinsamen und das daraus gewonnene Leinöl dienten bereits im antiken Griechenland als Heilmittel gegen vielerlei Beschwerden, was wohl insbesondere daran liegt, was in Leinsamen alles enthalten ist. Denn Leinsamen bestehen, und stehen den Chia-Samen damit in nichts nach, aus 25% Ballaststoffen, 25% Eiweiß und 30-45% aus Öl (Linol-, Linolen- und Ölsäure). Zusätzlich enthalten ist beispielsweise die Linolensäure, eine Omega-3-Fettsäure, der verschiedene gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben werden (z. B. steigern der Gehirnleistung).

Weiter liefern die Samen ein breites Spektrum an wichtigen gesundheitsfördernden Nährstoffen, wie gesunde Fette, Antioxidantien, B-Vitamine, Ballaststoffe, Proteine, Mineralien und in geringen Mengen Lignane (Antioxidantien). Und auch der Verdauung und beim Abnehmen helfen sie, denn aufquellen kann nicht nur Chia. Insbesondere in der Samenschale sind reichlich Schleimstoffe enthalten, die im Darm aufquellen und dadurch die Verdauung anregen. Abgenommen wird dadurch, dass Leinsamen von Giftstoffen befreien und helfen, den Zuckerkonsum und Heißhunger zu reduzieren.

Weiter weisen erste Studien darauf hin, dass Leinsamen gegen Prostata-, Dickdarm- und Brustkrebs vorbeugen, dass sie den (LDL) Cholesterinspiegel senken, das Blutlipidprofil verbessern und entzündungshemmend wirken sowie vor Zellschäden schützen. All diese positiven Effekte lassen sich noch verstärken, wenn die Samen zerkleinert bzw. zerschrotet werden. Dann muss aber besonders darauf geachtet werden, viel zu trinken.

Schauen wir zum Abschluss noch in die Nährwerttabelle (pro 100 Gramm):

  Chia-Samen Leinsamen
Energie [kcal] 486 372
Fett [g] 31 30,9
 – einfach ungesättigt   5,64
 – mehrfach ungesättigt 24,2 20,79
Kohlenhydrate [g] 4,5 0
Eiweiß [g] 17 24,4
Ballaststoffe [g] 34 35

Auch hier schneiden die Leinsamen besser ab, weil mehr Eiweiß und deutlich weniger (keine) Kohlenhydrate enthalten sind. Warum also Chia?

 

Fazit

Ganz klar: weder Lein- noch Chiasamen sind ein Heilmittel. Eine ausgewogene Ernährung ist und bleibt das A und O! Wer aber denkt, Chiasamen seien das Nonplusultra, wird schwer enttäuscht: der einfache Leinsamen kann locker mithalten und muss dabei nicht um die halbe Welt geschippert werden.

„Superfoods sind schlicht überflüssig. Wer sich abwechslungsreich und regional ernährt, braucht keine Superfoods. Das spart auch die teils weiten Transportwege.“ – Öko-Test, 2016

 

Quellen:
Hollersen, W.; 2015. Das steckt wirklich in den magischen Chia-Samen. URL: http://www.welt.de/gesundheit/article144256205/Das-steckt-wirklich-in-den-magischen-Chia-Samen.html
Mühlbauer, R.; 2015. Chia-Samen: Wirklich ein Superfood? URL: http://www.apotheken-umschau.de/Ernaehrung/Chia-Samen-Wirklich-ein-Superfood-491003.html
Nieman, D. C.; Cayea, E. J.; Austin, M. D.; Henson, D. A.; McAnulty, S. R.; Jin, F.; 2009. Chia seed does not promote weight loss or alter disease risk factors in overweight adults. Nutr Res. 2009 Jun; 29(6): 414-8
Nieman, D. C.; Gilitt, N.; Jin, F.; Henson, D. A.; Kennerly, K.; Shanely, R. A.; Ore, B.; Su, M.; Schwartz, S.; 2012. Chia seed supplementation and disease risk factors in overweight women: a metabolomics investigation. J Altern Complement Med. 2012 Jul; 18(7): 700-8
Öko-Test; 2016. Testbericht Superfood. URL: http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=107544&bernr=04

6 Kommentare

  1. Hey Markus,
    schöne Gegenüberstellung der beiden Sorten. Was du meiner Meinung noch ergänzen kannst ist der Aspekt der „Kosten“.
    Chiasamen kosten nämlich ein vielfaches Mehr als Leinsamen. Daher ziehe ich die Leinsamen vor 😉
    Aber natürlich hast du recht, Leinsamen (oder Chiasamen) machen noch lange keine ausgewogene, gesunde Ernährung!
    Weiter so!
    Lars

    1. Hi Lars,
      Danke für die Rückmeldung! Stimmt natürlich das Leinsamen deutlich günstiger sind, was natürlich auch mit dem Transport zu tun hat.
      Beste Grüße
      Markus

  2. Hallo Markus,

    da kann ich mich nur anschließen. Sehr informativ und für mich auch beruhigend, dass ich in Bezug auf Chia nichts verpasst habe. Bin nämlich ein bisschen vorsichtig mit exotischen Nahrungsmitteln 😉

    Leinsamen hingegen kenne ich und bin auch von der positiven Wirkung z.B. auf die Verdauung überzeugt.

    Und lokal statt global ist im Fall von Nahrung sicher ein gewichtiges Argument.

    Nur die Tabelle verstehe ich nicht ganz. Die Nährwerte beziehen sich auf 100g Samen – bei Chia addieren sich die Nährstoffe (Fett + Kohlehydrate + Proteine + Ballaststoffe) auf deutlich >100g und bei Leinsamen auf <100g… Müsste das nicht jeweils genau 100g ergeben?

    Beste Grüße
    Sebastian

    1. Hi Sebastian,

      danke für den Hinweis! Bei den Chia-Samen habe ich den Fehler behoben, da fehlte ein Komma!

      Die Werte für die Leinsamen passen, die Differenz zu den 100 g sind Wasser und Mikronährstoffe.

      Beste Grüße
      Markus

  3. Hey Markus!

    Gut geschriebener Artikel, der den Hype um Chia als Superfood relativiert.
    Wieder etwas dazu gelernt. 🙂

    Danke

    Thomas

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