Als die berühmte Paula Radcliffe mit ihnen lief, interessierte das noch niemanden. Mittlerweile könnte man sie schon fast als Modeaccessoir bezeichnen, so häufig sieht man sie und so allgegenwärtig sind sie geworden. Teils in schrillen Farben, teils nur dezent und meistens an den Waden: die Kompressionsstrümpfe. Am Anfang hieß es einmal, allein solche Strümpfe brächten 5 % Leistungssteigerung. Natürlich behielten die Skeptiker dieses Werts Recht, wieder einmal stützte man sich auf eine geradezu lächerliche Studie. Aber was ist wirklich dran? Verhelfen Kompressionsstrümpfe objektiv zu einer besseren Ausdauerleistungsfähigkeit oder sind die langen Socken nur teuer bezahlte „Kopfsache“?
Zwei Theorien
Eine bessere Leistung ließe sich auf zwei Arten sinnvoll durch Kompressionssocken erzielen:
Entweder dadurch, dass die Kompression a) ein schnelleres Lauftempo möglich macht oder aber dass diese b) die Regeneration beschleunigt, dadurch besser trainiert werden kann, was wiederum zu Leistungszuwächsen führen sollte. Oder natürlich auch c) beides.
Zwei Hypothesen
Aber warum sollen Kompressionsstrümpfe zu a, b oder c beitragen? Hierfür stehen zwei Hypothesen:
1) Kompressionsstrümpfe sorgen für einen verbesserten Blutfluss. Wegen der Erdanziehung staut sich das Blut eher unten, die Kompression macht den Rücktransport leichter. Dadurch können mehr „Abfallprodukte“ des Stoffwechsels abtransportiert werden. Als Schlussfolgerung tritt die Ermüdung während des Rennens später ein, nach dem Rennen wiederum wird schneller regeneriert.
2) Die Kompression sorgt für eine Reduzierung der Muskelvibrationen, welche durch den Bodenkontakt zustande kommen. Muskeln, Sehnen und Bänder werden Schwingungen ausgesetzt. Mit weniger Vibrationen können die Beine effektiver arbeiten. Hinzu kommt die bessere Wahrnehmung (Proprioception), ein besseres Körpergefühl.
Was die Forschung sagt
Dass Kompressionssocken in Ruhe den venösen Blutfluss steigern, ist erwiesen (Byrne et al., 2001). Während der sportlichen Aktivität ist die Wirkung allerdings umstritten. Bei manchen Studien (Kremmier et al., 2009; Chatard et al., 1998; Bringard et al., 2006; Berry et al., 1987; Creasy, 2008; Byrne und Easton, 2010) lassen sich Verbesserungen (in der Leistung, Ökonomie, Laktatabtransport oder in der Erholung) feststellen, in anderen (Ali et al., 2007) hingegen nicht.
Das grundlegende Problem
Um einen eindeutigen Schluss zu ziehen, fehlt den Studien die Konsistenz. Zu unterschiedlich ist die Anwendung, zu unterschiedlich die Tests. Beispielsweise werden keine einheitlichen Socken oder Hosen untersucht. Außerdem liegt kein vergleichbarer Trainingsstand der Probanden vor.
Es bleibt also wohl dabei, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, ob ihm die langen Socken helfen oder nicht. Die nächste Frage ist die, welche nach dem wie viel an Kompression fragt. Denn dort scheint es ein Optimum zu geben, welches für Ruhe und Aktion unterschiedlich ist. Außerdem sollte die Kompression nicht gleichmäßig sein, sondern etwas mehr Richtung Knöchel und etwas weniger Richtung Knie. Selbstversuch – und ab dafür!
Hi Markus!
Schöner Artikel! Habe auch schon viel darüber nachgedacht aber nie gezielt, als ich noch an der Uni Zugang zu Papern hatte, nach entsprechenden Abhandlungen gesucht.
Axel, deinem Kommentar stimme ich zu. Gute Worte.
In meinen Augen kommt es schon fast einem Wettrüsten gleich, wer das neueste Produkt der Sportindustrie am Körper trägt. In den 80zigern war die Leistung der breiten Masse ohne GPS und Kompressionsstrümpfe deutlich stärker als heute.
Was beim Laufen wirklich wichtig ist? Was hältst Du von einem Start der Serie mit dem Thema Laufschuh?
Viele Grüße
Thomas
Meine Meinung: Leistung kann man sich beim Laufen nicht kaufen! Die Ausrüstung hat nahezu keinen Einfluss. Es gibt immer wieder Geschäftsleute, die uns anderes weismachen wollen. Aber genauso wie Versprechen, dass man mit weniger Training viel Mehr erreichen kann und das Cross-Training und Stabi zu immensen Leistungssteigerungen führt, ist das nur das, was sich viele Hobbyathleten wünschen, jedoch nicht die Realität. Ich warte immer noch auf die Blog-Serie „Was beim laufen wirklich wichtig ist“!
GPS-Uhren ersetzen kein Tempogefühl, funktionieren sowieso nicht und wiegen soviel, dass es garnichts mehr bringt, dass man die leichtesten Laufschuhe gekauft hat. Kompressionshosen kosten durch die Bewegungseinschränkung mindestens genauso viel Zeit, wie sie bringen, …
Singlet, Split-Shorts, leichte Schuhe anziehen und los geht’s! Dabei ist es auch egal, ob die Zwischensohle aus Boost-Material sind 😉
Vielleicht kann man sich aber die ein oder andere Erleichterung kaufen – genau dort setzt die Industrie an. Selbst du schreibst von „nahezu keinem“ Einfluss. Und wenn es beim Marathon doch um Sekunden geht?
Wie würdest du die Serie „Was beim Laufen wirklich wichtig ist!“ denn starten? Welche Themen müssten behandelt werden?
Den Schlussabsatz unterschreibe ich natürlich! Laufen hilft!