Im ersten Teil haben wir gelernt, was Laktat ist und welche Schwierigkeiten bei einem Laktattest auftreten. Es handelt sich um eine mehrfach indirekte Messung, bei der wir somit mit hohen Messunsicherheiten rechnen müssen. Dennoch wird versucht, durch Stufentests Einsicht in die aktuelle Leistungsfähigkeit der Athleten zu bekommen.
Warum nicht einfach direkt messen?
Nun könnte man berechtigterweise fragen, ob nicht der Wettkampf der beste Leistungstest ist. Am Ende zählt die Zeit (bzw. die Platzierung) über eine bestimmte Streckenlänge. Durch (Test-)Wettkämpfe weiß man weiterhin, ob man besser oder schlechter geworden ist. Woher aber weiß man, ob das Training physiologisch auch so gewirkt hat, wie man sich das vorgestellt hat?
Im Gegensatz zu Wettkämpfen soll ein Laktattest Einsicht in die der Leistungsfähigkeit zu Grunde liegenden körperlichen Voraussetzungen geben. Die Testauswertung soll Antworten auf die Fragen
- Wie hat das Training physiologisch gewirkt?
- Was sind die gegenwärtigen und generellen Stärken des Athleten?
- Was sind die gegenwärtigen und generellen Schwächen des Athleten?
geben.
Daraus kann/muss abgeleitet werden,
- an was der Athlet arbeiten muss und
- wie der Athlet trainieren muss.
Wie in der Grafik 1 gezeigt ist der Blutlaktatwert Ausdruck des Wechselspiels von anaerober und aerober Energiebereitstellung sowie von den Transportprozessen von den Muskelzellen ins Blut. Wir messen die Überlagerung von Laktatproduktion, -elimination und -transport. Somit ist Laktat ein indirekter Marker für die Energiestoffwechselprozesse.
Laktattest: ein praktisches Beispiel
Im Vorfeld wurden die Stufenlängen und -geschwindigkeiten aufgrund des geschätzten Leistungsstands so gewählt, dass nach den ersten beiden Stufen der Laktatwert unter 2 mmol/l und nach der vierten Stufe über 4 mmol/l liegt. Da es sich um einen submaximalen Test handelt, kann dieser beendet werden, nachdem ein Laktatwert von über 4 mmol/l gemessen wird.
Der Stufentest wurde mit einer Stufenlänge von 2000 m, also mit Belastungszeiten zwischen 8’00 und 6’40, so durchgeführt, dass möglichst nach jeder Stufe ein „eingeschwungener“ Laktatwert gemessen werden konnte. Im Anschluss an den Test wurde nach einer Pause von 12 min ein 200-m-Lauf in maximaler Geschwindigkeit angeschlossen, um einen Maximalwert zu ermitteln.
Nach jedem Lauf wurde versucht, den höchsten Laktatwert zu ermitteln (nach intensiver Belastung steigt die Blutlaktatkonzentration nach Belastungsende weiter an. Alle Werte außer der Maximale sind somit nicht eindeutig). Auch vor jedem Lauf wurde die Laktatkonzentration bestimmt. Somit kann für jede einzelne Belastung der Blutlaktatanstieg beobachtet werden.
Der Test fand bei guten Bedingungen statt. Die Temperatur war angenehm, es wehte allerdings etwas Wind.
Als Ergebnis ergibt sich eine Tabelle, die jeder Laufgeschwindigkeit einen Laktatwert zuordnet. Dadurch kann die Laktatkurve erstellt werden. Die grafische Darstellung dieser Werte zeigt Grafik 2.
Auswertung des Stufentests
Vergleicht man die Laktatkurven (bzw. die Laktatwerte bei gleicher Laufgeschwindigkeit) einer Person zu verschiedenen Zeitpunkten (vgl. Grafik 2), lassen sich Rückschlüsse auf die Veränderung der Leistungsfähigkeit ziehen.
Als abgeleitete Kenngrößen ergeben sich verschiedene Schwellen: die vL2 (Tempo bei 2 mmol Laktat/l) bei 3‘37/km im Vergleich (2013) zu 3‘48/km, die vL3 bei 3‘29/km im Vergleich zu 3‘35/km und die vL4 bei 3‘25/km im Vergleich zu 3‘29/km. Es lässt sich beobachten, dass zum einen die Laufgeschwindigkeiten für gegebene Laktatwerte 2018 in allen Bereichen höher sind als 2013 und zum anderen ist die vL2 näher an die vL4 gerückt.
Typischerweise sieht man in einer Verschiebung der Kurve (vgl. Grafik 2) nach rechts bzw. unten eine Verbesserung (niedrigere Laktatwerte bei gleicher Geschwindigkeit), während man eine Verschiebung nach links bzw. oben als Verschlechterung interpretiert, weil die gesamte Entwicklung dem aeroben System zugeschrieben wird.
Aufgrund der bereits beschriebenen Wechselwirkungen stellt sich eine solche Interpretation aber als zu stark vereinfacht heraus. Veränderte Laktatwerte eines Sportlers bei gleicher Geschwindigkeit können verschiedene Ursachen haben:
- Eine Veränderung der aeroben Leistungsfähigkeit
- Eine Veränderung der anaeroben Leistungsfähigkeit
- Eine Veränderung der Laufökonomie (Energiebedarf)
- Eine Veränderung der Substratverfügbarkeit (Glykogenspeicher)
Im oben gezeigten Beispiel ist wahrscheinlich die anaerobe Kapazität schlechter und außerdem die aerobe Kapazität besser geworden. Weiterhin hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Laufökonomie angepasst und ist bei niedrigen Geschwindigkeiten (Marathontempo) besser und bei höheren Geschwindigkeiten schlechter geworden.
Ableitung für die Trainingssteuerung
Neben der Ableitung von Laufgeschwindigkeiten oder Intensitätszonen aus den Ergebnissen des Laktattests für die Trainingssteuerung lassen sich ebenso Prognosen für Wettkämpfe treffen. Ein Beispiel ist die Annahme, dass man eine Stunde lang/einen Halbmarathon an der individuellen anaeroben Schwelle laufen kann.
Ferner kann durch Modelle bzw. Stoffwechselsimulationen abgeschätzt werden, bei welcher Geschwindigkeit die maximale Fettverbrennung (absolut und nicht Prozentual an produzierter Gesamtenergie, das ist entscheidend) stattfindet, was im Regelfall bei etwas niedrigeren Geschwindigkeiten als die vL2 geschieht. In diesen Geschwindigkeiten sollten die marathonspezifischen langen Läufe absolviert werden.
Zusammenfassung
- Schlussendlich zählt immer nur die Wettkampfleistung
- Der Laktatwert ist ein indirekter Marker für die Energiestoffwechselprozesse
- Durch eine Laktatmessung während eines Stufentests können Trainingsempfehlungen gegeben werden
Schlussbemerkung
Danke an Axel für die Mitwirkung bei der Erstellung beider Beiträge!
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