Kennt ihr die Grafik, die die Komfortzone erklärt?
In der Mitte ist ein Kreis, der unsere persönliche Komfortzone umfasst. Mit allen Aktivitäten, die wir gewohnt sind und die wir abspulen, ohne groß darüber nachzudenken. Außerhalb dieser Komfortzone liegen Tätigkeiten, für die wir uns überwinden, für die wir über unseren Schatten springen müssen. Ein gutes Beispiel für das Innere unserer Komfortzone wäre ein einfacher Dauerlauf, während ein Tempotraining außerhalb liegt. Entsprechend können wir uns auch nur weiterentwickeln, wenn wir unsere Komfortzone verlassen.
Schließlich gibt es auf der Grafik dann noch einen kleinen Kreis weit rechts oben in der Ecke. Ein Pfeil zeigt darauf, der mit „where magic happens“ beschriftet ist: Erst, wenn wir etwas außergewöhnliches leisten, erleben wir magische Momente. Das kann eine Präsentation vor großem Publikum genauso sein wie der erste Marathon – je nachdem, wo unsere Komfortzone eben liegt.
Rein sportlich betrachtet musste ich am Wochenende meine Komfortzone verlassen, sowohl am Samstag beim Berglauf Auf die Platte in Wiesbaden wie auch am Sonntag im Rheingau. Und hier schließt sich der Kreis des Beginns dieses Berichts: nur dadurch wurde es zu einem ganz besonderen – magischen – Wochenende:
Auf die Platte, fertig, los!
Es begann am Samstagmittag, als wir uns in Richtung Wiesbaden aufmachten. Dort trafen wir uns mit Johannes, den wir im Anschluss besuchen würden, um wie im letzten Sommer ein Wochenende im Rheingau zu verbringen. Während Johannes über die klassische Version des Auf die Platte Berglaufs über 8,1 km antrat, mutete ich mir die erst zum dritten Mal ausgetragene „extrem“-Variante zu: zunächst auf der klassischen Strecke bis hinauf zum Jagdschloss Platte, dann über Umwege wieder hinunter und erneut bis nach oben.
Bei tollem Sonnenschein herrschte bestes Laufwetter – im letzten Jahr musste der Lauf wegen des vielen Schnees ausfallen. Das war in diesem Jahr kein Problem, wobei es deutlich kälter war als zuletzt vorhergesagt. Aufgrund des sehr kalten Winds lagen die gefühlten Temperaturen nur knapp über 0 °C.
Ziemlich genau um 14:15 Uhr, dem anvisierten Startzeitpunkt, gab es eine kurze Rede, die die Organisatorin nach ein paar einführenden Sätzen mit den Worten: „damit sage ich auf die Platte, fertig, los!“ recht überraschend abschloss und damit auch das Startsignal gab. Wir waren uns aber nicht sicher, weil der Startschuss fehlte – war das jetzt nur die Ankündigung? Manche zuckten schon, blieben dann aber doch stehen. Erst durch ihr bestätigendes „los, los!“ waren wir uns dann sicher und rannten los. Ein denkwürdiger Start für ein denkwürdiges Rennen.
Mal steil, mal steiler
Während (run with the) Flow Neuschwander unten im Park auf den ersten 500 m noch sehr gemütlich machte und wir uns zu dritt kurz unterhielten, zog er in den ersten Serpentinen hoch zum Kletterwald auf dem Neroberg schnell davon. Weil Björn (Kuttich) aber glücklicherweise auch am Start war, musste ich nicht alleine laufen. Hinter uns war die Lücke genauso groß wie vor uns.
Nach den ersten Serpentinen ging es wieder steil hinab. Ein Stück, auf dem die Oberschenkel schon richtig gefordert wurden, bevor dann der eigentliche Anstieg hoch auf die Platte begann. Gemeinsam mit Björn ließen die sich zunächst nicht allzu steilen Waldwege gut laufen. Auf den langen Geraden konnten wir Flo auch noch in der Ferne sehen, ansonsten waren wir bis auf die gelegentlichen Passanten und die ausgesprochen häufig postierten Streckenposten allein unterwegs.
Ich fragte mich schon, wann denn endlich das berühmte Steilstück kommen würde, als wir von zwei Streckenposten nach links senkrecht nach oben geschickt wurden. Lange Zeit liefen wir noch, wechselten dann schließlich aber doch in den Wanderschritt. Ab einer gewissen Steigung kommt man genauso schnell nach oben, muss aber weniger Atmen.
Wann bin ich denn zum letzten Mal während eines Wettkampfs gegangen?
Das ist glücklicherweise schon länger her, hier muss sich aber niemand dafür schämen. Wieder auf Asphalt und dem letzten – wieder weniger steilen – Stück Anstieg ging es dann nach guten 36 Minuten das erste Mal durchs Ziel, von wo wir kurz an der Verpflegungsstelle und dann wieder gen Tal zurückgelotst wurden.
Hinunter ist keine gute Alternative
Es war glücklicherweise etwas Umweg eingeplant, sodass man bergab gefahrlos laufen konnte. Ich hatte mir ein Gel eingesteckt, dass ich für diesen Streckenabschnitt eingesteckt hatte. Es rutschte mir aber beim Herausziehen doch glatt durch die Finger und fiel auf den Boden. Auch später stolperte ich noch zwei Mal kurz. Wenn es das nächste Mal wieder um mehr geht, muss die Konzentration deutlich höher sein!
Ich drehte kurz um, um es wieder aufzulesen… und Björn wartete doch glatt auf mich! So konnten wir weiterhin gemeinsam laufen. Wir liefen recht entspannt bergab, was dennoch den Gesamtschnitt rapide senkte. Und obwohl es für das Herz-Kreislauf-System eine willkommene Erholungszeit war, wünschte ich mir bald, dass das Gefälle aufhören möge, denn schon jetzt spürte ich die Oberschenkel. Ein wenig erinnerte mich der Lauf an den Melibokuslauf – nur dass jetzt im Anschluss noch ein zweiter knackiger Anstieg folgen würde. Wie der Name schon sagt war der Berglauf extrem.
Bereit für das Finale?
Nach einigen kleineren Gegenanstiegen war dann schließlich Kilometer 20 erreicht – endlich würde es nur noch bergauf gehen. Jetzt begann Björn Druck zu machen. Während ich anfangs noch folgen konnte waren die Oberschenkel bald zu müde, sodass schließlich eine Lücke aufging.
Ab und an kam ich wieder – zumindest gefühlt – ein Stück näher an Björn heran, bis zum letzten Steilstück hatte er aber ca. 20 Sekunden herausgelaufen. Dort wollte ich es nochmal versuchen, Björn blieb aber zu stark. Immerhin – ohne ihn als lange Begleitung und Fixpunkt auf den letzten Kilometern wäre der Lauf weit weniger abwechslungsreich gewesen. Und die Komfortzone hatte ich eindeutig verlassen.
Schließlich oben auf der Platte gönnte ich mir einen Becher Cola, schon stiegen wir (Svenja war nach oben gewandert) in den Bus, der uns zurück zum Start bringen würde. Johannes wartete schon eine Weile, um noch länger zu stehen war der Wind einfach zu kalt. Ziemlich direkt machten wir uns dann auf den Weg nach Oestrich-Winkel.
Waren wir im letzten Sommer für den langen Lauf am Sonntagmorgen noch extra früh aufgestanden, um der Hitze möglichst zu entgehen, ließen wir uns heute mehr Zeit, sodass es etwas wärmer werden konnte.
Im sonnigen Rheingau
Nach einem gemütlichen Frühstück machten wir uns dann für den Lauf bereit, wobei sich Svenja deutlich wärmer anzog, weil sie uns auf dem Rad begleiten würde. Bei herrlichem Sonnenschein ging es dann gegen halb elf hinauf in die Weinberge. Nach gestern wollten wir es gemütlich angehen und auf einer etwa 25 km langen Runde den Rheinsteig und den Philosophenweg erkunden.
Zunächst ging es quasi nur nach oben. Als der größte Teil der Steigung aber geschafft war, wurden wir mit tollen Ausblicken belohnt. Auch die Wege, die Johannes für uns ausgesucht hatte, waren sehr abwechslungsreich. In Kombination mit dem Kaiserwetter gab es nichts, wo ich lieber hätte sein wollen.
Jetzt, wo es nicht mehr gar so steil hinauf ging und sich Flachstücke mit kleinen Steigungen oder Gefällen abwechselten, war es auch für Svenja wieder angenehm, mitzufahren, sodass wir zu dritt die Zeit genießen konnten.
Nach etwa 16 Kilometern beschlossen wir nicht nur, die mitgenommene, gummiartige Verpflegung anzubrechen, sondern außerdem noch bis zum Niederwalddenkmal zu laufen. Warum aufhören, wenn es gerade so schön ist? Wir wurden mit einem herrlichen Ausblick belohnt, bevor es dann für die letzten etwa 11 km zurückging. Zwar hauptsächlich flach oder leicht bergab, meine Oberschenkel mochten hinauf aber lieber als hinab. Dennoch war es eine malerisch schöne Route durch sonnenbeschienene Weinberge.
Eine Tour, die wir so nur erlebt haben, weil wir unsere Komfortzone verlassen haben.
Hier gibt es ein kleines VIDEO (danke an Johannes!) von unserer Sonntagstour.
2 Kommentare
Kommentare sind geschlossen.