Der Mainova Frankfurt Marathon, das sind Emotionen auf und an der Strecke, das sind 2.500 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, das sind 13 Kilometer Absperrgitter, zwei Tonnen Finishermedaillen, 18.000 Gels und 14.000 Riegel. Der Frankfurt Marathon, das sind 115 Nationen, die über 42,195 Kilometer über einen Klangteppich von DJs, Sambagruppen und Blaskapellen laufen, um schließlich über den roten Teppich der Festhalle ins Ziel zu kommen.
Dieser Frankfurt Marathon, er feiert Jubiläum. Der älteste deutsche Städtemarathon wird bereits zum 40. Mal ausgetragen und glänzt im Vorfeld mit Schlagzeilen wie „Deutsche Athleten auf Frankfurts Schnellstraße nach Paris“ und „Revanche beim internationalen Männer Elite-Feld“. Deren Ausgang widmen wir uns im Laufe des Rennens. Denn dies ist ein Erlebnisbericht von der Strecke: 3:57:56 h brauchen die Teilnehmenden in Frankfurt im Schnitt für den Marathon, ich trete in diesem Jahr mit der 2:59-h-Flagge an, um möglichst viele unter die 3-h-Marke zu ziehen.
Ein Laufbericht von der Strecke
Nach längerer Marathonabstinenz – meinen letzten Frankfurt Marathon lief ich 2019 – freute ich mich sehr auf das Rennen. Auf der Pressekonferenz wurde der Spannungsbogen aufgebaut, auf der Messe dann die letzten Vorbereitungen getroffen. Es konnte losgehen.
Der Sonntagmorgen des Mainova Frankfurt Marathon empfing uns zwar nicht kalt, jedoch ziemlich nass. Am Start regnete es noch nicht, die Straßen waren gleichwohl von einem Wasserfilm bedeckt, der die Lauferei mal mehr, mal weniger rutschig machte. Während Florian und ich, die wir gemeinsam für das richtige Tempo für 2:59 h sorgen würden, im Startblock immer wieder unsere Taktik erklärten, verging die Zeit wie im Fluge. Schon startete der Countdown, dann fiel der Startschuss, wenig später waren auch wir in Bewegung. Auf geht’s, nur nicht zu schnell!
Denn ein zu schnelles Loslaufen, das rächt sich beim Marathon. Entsprechend war die Taktik, die ersten 10 km sogar einen Hauch zu langsam anzugehen, schließlich würde es anschließend an den Main hinunter gehen.
Trotz des teilweise bescheidenen Grips – da wünschte ich mir die bewährte Continental-Sohle der adidas Schuhe statt der gestellten des Sponsors – und gefühlt tausenden Läuferinnen und Läufern (insgesamt hatten etwas mehr als 13.000 Marathonis gemeldet, seit 1981 haben bereits 306.482 Läuferinnen und Läufer die Marathondistanz gefinisht) klappte die Taktik geradezu perfekt. Schon der erste Kilometer war mit 4:18 min nicht zu schnell. Fünf Kilometer waren nach 21:31 min gelaufen.
Tausende auf und an der Strecke
Dass Frankfurt eine Sportstadt ist, bewiesen wieder einmal die Menschenmassen, die trotz der bescheidenen Wetterlage teilweise mehrreihig am Streckenrand standen. Sicher gab es auch ruhige Ecken, mitunter war es aber so laut, dass man die vielen quietschenden Schritte um einen herum nicht mehr hörte. Da war ein Lächeln Dauerzustand!
Etwa bei Kilometer sieben konnten wir einen Blick auf die Großleinwand mit der Rennübertragung erhaschen. Dort flitzte gerade Simon Boch (PB von 2:09:25 h in Linz) durchs Bild, der genau wie Miriam Dattke (2:26:50 h) eigentlich in Berlin hatte starten wollen, davor aber krank geworden war. Nun soll die Olympianorm von 2:08:10 h bzw. die persönliche Bestzeit in Frankfurt fallen. Miriams Ziel war ambitioniert, aber angemessen: „Ich will 2h24 vorne stehen haben!“
Um den Sieg würden beide wohl nicht mitlaufen. Bei den Frauen war das Feld dicht besetzt: die schnellsten gemeldeten waren Magdalyne Masai (2:22:16 h, die Frau von Jake Robertson) und Visiline Jepkesho (2:21:37 h). Bei den Männern war ein Dreikampf zwischen Vorjahressieger Brimin Misoi („I trained very well“), dem Vorjahrs-Zweiten Samwel Mailu (der ein sehr gutes Englisch spricht und unter 2h05 laufen will) sowie Guye Adola, der sich mit seiner Bestzeit von 2:03:46 h einst in Berlin ein packendes Duell mit Meister Kipchoge lieferte.
Für mehr als einen kurzen Blick war allerdings keine Zeit, selbst wenn wir gewollt hätten: Es galt nicht zu stürzen, in den vielen engen Kurven nicht zu viel Tempo zu verlieren und dennoch weiterhin möglichst konstant zu laufen. Trotz der Bedingungen lagen wir weiterhin sehr gut im Plan: der zweite 5-km-Abschnitt war in 21:24 min gelaufen.
Erst an den Main zum Fotopunkt, dann hinaus nach Höchst
Jetzt ging es bergab, wenn bis zum Main auch zwei Wellen überlaufen werden müssen. Auf diesem Abschnitt werden in Frankfurt immer die schnellsten Zwischenzeiten gelaufen. Das liegt nicht nur an den abschüssigen Passagen, sondern sicher auch wieder an den Zuschauern, die jedes Jahr rechts und links der Straße ein Lauffest feiern.
Auf der Alten Brücke, die überlaufen wird, bevor es am Sachsenhäuser Ufer gen Westen geht, ist das perfekte Fotomotiv: hier werden die Bilder gemacht, auf denen die Laufenden die Frankfurter Skyline im Hintergrund haben. Weiter geht es nach Niederrad und in Richtung Halbmarathon.
Auf der Strecke war es jetzt ein wenig freier. Nach der wuseligen Innenstadt hatte sich alles ein wenig sortiert, wir konnten als große Gruppe rollen. Als ich mich hin und wieder umschaute, um einen Überblick zu bekommen, wurde ich mir der Verantwortung gewahr: unter drei Stunden wollten wirklich sehr viele laufen. Entsprechend eng ging es auch an der Verpflegungsstellen zugange, zum Glück stürzte heute aber niemand. Und der Plan bzgl. der Zwischenzeiten ging auf, wie es fast perfekter nicht aufgehen konnte: mit einer – wie vorhergesehen – etwas schnelleren Zwischenzeit von 20:52 min lagen wir bei Kilometer 15 lediglich zwei Sekunden hinter der angestrebten Marke von 1:03:45 h.
Noch hielt das Wetter, lediglich dann und wann wehte eine stärkere Böe durchs Feld. Das ist das Risiko beim Frankfurt Marathon: durch den Termin Ende Oktober ist das Wetter unberechenbar. Außerdem gilt es, der ersten Erkältungswelle zu entgehen. Zusammen mit COVID sorgte diese dafür, dass trotz der über 13.000 Voranmeldungen bei der 40. Auflage des Frankfurt Marathons keine 10.000 Läufer*innen ins Ziel kamen. Schade! Hoch anzurechnen ist dem Veranstalter, dass niemand zu einem Start gedrängt wird. Mit Attest kann man seinen Startplatz kostenlos aufs Folgejahr übertragen.
Die zweite Hälfte beginnt bei Kilometer 30 und ist doppelt so lang wie die erste
Weiter rollte der 2h59-Zug am Halbmarathon (1h29‘39) vorbei in Richtung Höchst, dem Startpunkt der Erstauflage des Frankfurt Marathon im Jahre 1981. Eine Regel besagt, dass es ein guter Marathon wird, wenn man sich auf der Brücke, die kurz vor km 25 überquert wird, noch gut fühlt.
Doch das Federlassen begann, die zweite Hälfte wurde für manch einen sehr lang. Während es der Vorjahressieger Brimin Misoi seinen Konkurrenten absichtlich schwer machte (er gewann in beachtlichen 2:04:53 h) und der Siegerin Buzunesh Gudeta (2:19:27 h) vier weitere Frauen unter 2h25 folgten, verfehlten beide deutschen Top-Athleten die Olympianorm. Miriam Dattke kämpfte sich wacker nach 2:28:12 h ins Ziel, Simon Boch ließ seiner flapsigen Ankündigung „2:07 oder Parkbank“ zum Glück keine Taten folgen, sondern lief nach 2:12:32 h ins Ziel.
Und mir? Erging es leider auch nicht viel besser. Obwohl die Form geschätzt für aktuell etwa 2h45 reichen müsste, bekam ich immer schwerer Luft. Zunächst redete ich mir die Lage schön und hielt einfach das Tempo, auch wenn es auf den leicht ansteigenden Passagen mühsam wurde. Schließlich musste ich einsehen, dass ich es in diesem Tempo nicht ins Ziel schaffen würde. Es tat mir sehr leid um die große Gruppe, ich musste aber wieder zu Atem kommen. Zum Glück lag Florian noch gut im Rennen und konnte Orientierung geben.
Auf die vielleicht naheliegende Lösung meiner Probleme kam ich zu diesem Zeitpunkt nicht, die sich sorgenden Gedanken fragten sich sogar, ob die letzte Erkältung doch Corona gewesen war und Gefäße geschädigt hatte, weil ich solcherlei Beschwerden noch nie gehabt hatte.
Nachdem ich die Fahne verstaut hatte, joggte ich weiter ins Ziel. Die Medaille wollte ich mir sichern. Verschwunden waren die Atemprobleme allerdings noch immer nicht, in der Festhalle kam ein Engegefühl in der Brust hinzu. Doch die Ärzte gaben nach einem EKG Entwarnung, die Ursache der eingeschränkten Atmung war trivial: der Brustgurt des Fahnen-Rucksacks war zu straff gezogen, er hatte die Rippen verschoben. Nach und nach konnte ich im doppelten Sinne aufatmen.
Der 40. Mainova Frankfurt Marathon
Was bleibt ist einmal mehr die Frage, warum wir uns das eigentlich antun. Warum trainieren wir Monate und Jahre, um im schlechtesten Fall kilometerlang zu leiden und bitter enttäuscht zu werden? Selbst die Schnellsten unter uns müssen sich manchmal dem Marathon beugen.
Nun, weil die Atmosphäre berauscht. Weil Laufen Spaß macht. Weil Laufpartys die besten Feste sind. Weil es genial ist, wenn kein sozialer Stand, keine Herkunft oder Hautfarbe zählt, sondern lediglich die Form und die Willensstärke. Und schließlich weil man schlicht und einfach stolz auf sich sein kann, ein Marathoni zu sein.
Ein Kommentar
Kommentare sind geschlossen.