Da bin ich also wieder. Wie im letzten Jahr stehe ich wieder am letzten Samstag im Januar am Start, um 50 km zu laufen. Nachdem es vergangenes Jahr so gut lief, brauchte es heuer nicht viel, mich zu einer Wiederholungstat zu überreden. Und wieder wollte ich mir keinen Druck aufbauen, das Rennen aus dem Training heraus bestreiten und mir immer offen lassen, einfach zwischendrin aufzuhören. So wie im letzten Jahr, als es mir so viel Spaß machte. Als ich zwar schließlich froh war, angekommen zu sein, aber nie ans vorzeitige Aufhören dachte. Dennoch: die Erwartungen waren gestiegen. Ich wusste jetzt ja, dass die Distanz machbar ist. Und wieviel Zeit ich beim ersten Versuch gebraucht hatte. Meine 3h23’57 entsprachen einem Schnitt von 4’05/km.
Und jetzt? Habe ich eine deutlich bessere Marathonzeit stehen und 6000 Trainingskilometer mehr in den Beinen. Etwas schneller müsste es doch also schon gehen. Oder etwa nicht? Machen es meine eigenen gestiegenen Erwartungen schwieriger? Oder hilft die Erfahrung? Zumindest versuchen wollte ich es. Und mit 4’00/km anlaufen. Das ist leicht zu rechnen. Mal sehen, wie lange das gehen würde und was dabei herauskommt.
Nachdem ich im letzten Jahr Sechster geworden war, bekam ich folgerichtig eine niedrige Startnummer zugeteilt: die fünf. Und weil vor einem Sechsten nicht allzu viele schneller laufen, ordnete ich mich in diesem Jahr auch beim Start vorne ein. Dann, pünktlich um 10 Uhr, ging es endlich los. Vorbei die Zeit der Vorbereitung, jetzt musste nur gelaufen werden. Gleichmäßig, energiesparend, im eigenen Rhythmus. Abschalten, nur laufen. Für die nächsten zwei, zweieinhalb Stunden. Dann darf angefangen werden, nachzudenken.
Und während deutsche Tennis- und Handballgeschichte geschrieben wurde, geschah auch in Rodgau historisches. Es wurde ein Rekordlauf! Nicht nur ganz vorne, auch bei mir ging es gut los. Vom Start weg freie Bahn. Nach der ersten engen Kurve am Verpflegungsstand vorbei und auf die Felder. Der erste Kilometer: zu schnell, ca. 3’45. Also die anderen laufen lassen, es etwas gemütlicher angehen. Am Start hatten noch einige andere von einem 4er Schnitt gesprochen, die waren jetzt aber schon weit enteilt! Aber das Rennen ist lang, einige würde ich später wieder stellen.
Bis zum Ende der ersten Runde hatte ich mit Bernhard Eggenschwiler einen guten Laufpartner gefunden. Bernhard hat vergangenes Jahr die 100 km in Biel in beeindruckter Manier gewonnen und schon seit dem letzten Jahr folgen wir uns gegenseitig auf Strava. Jetzt konnten wir uns endlich auch mal persönlich austauschen, was wir in Folge vielleicht etwas zu intensiv taten, verbummelten wir die zweite Runde mit 20:40 min doch gehörig. In der Folge konzentrierten wir uns wieder mehr und waren nach 15 km und 1h00’01 wieder perfekt auf Kurs.
Wie schon vorausgesehen war wieder die dritte Runde die schlimmste, weil alle, die wir überrunden mussten, noch in sehr großen Gruppen zusammenliefen. Mit knapp 1000 Startern war viel los, sodass der Laufrhythmuss nicht nur von Verpflegungs- und Wendepunkt unterbrochen wurde. Bei der Verpflegung in der fünften Runde war es auch, dass Bernhard das Tempo nochmals erhöhte und eine Lücke entstand. Zuerst dachte ich noch, ich käme wieder heran, ließ nach einer Runde in schnellen 19’07 aber wieder von diesem Vorhaben ab. Ich musste mein eigenes Tempo finden.
Wie immer gab es viel zu sehen, sodass keine Langeweile aufkam. Außerdem gab es – wie im Training von Kurt – für verschiedene Streckenabschnitte verschiedene Aufgaben: auf der langen Geraden mit Start und Ziel möglichst viel Energie sparen, weil es bergab geht; bei der Verpflegung möglichst unbeschadet einen Becher Tee greifen und von demselben möglichst wenig verschütten, anschließend mit dem Becher in einen Behälter treffen (Trefferquote: 7/8); bis zum Wendepunkt die Ideallinie finden und zwischen km 3 und 4 möglichst klein machen, um dem teils heftigen Gegenwind zu entgehen.
So verging die Zeit wie im Fluge und schon waren 30 km gelaufen. Zwar hatte ich zwischenzeitlich ein Stück Müsliriegel gegessen, was mich aber nur außer Atem brachte und mir energetisch nicht half. Ich denke, dass ich mit meinen langen, nüchternen Trainingsläufen auf dem richtigen Weg bin um beim nächsten Marathon nur minimale Verpflegung zu benötigen.
Ich wunderte mich: zum einen, dass es so prächtig lief. Ich war deutlich unter einem 4er Schnitt unterwegs und vom Gefühl her könnte es noch ewig so weiter gehen. Auf der anderen Seite blieb die Konkurrenz aber außer Sichtweite. Lediglich Robert Etter und Thomas Klingenberger würde ich noch einholen.
Ich lief mittlerweile sehr konstant, immer ca. 19’30 für die 5-km-Abschnitte. Vorher hätte ich nicht gedacht, dass das so einfach möglich wäre. Wie gesagt lässt sich mit einem 4er Schnitt sehr leicht rechnen. Ich entfernte mich aber immer weiter davon – in die schnellere Richtung! Waren wir zunächst auf 3h20 losgelaufen, hielt ich bald 3h18 für möglich. Dann 3h17. Und am Ende blieb ich sogar noch darunter!
Nach der siebten Runde kam die Marathonmarke in Sicht. Erreicht hatte ich sie schließlich nach 2h45’57: mein, wenn auch knapp, bisher zweitschnellster Marathon! Unglaublich, was sich mit der entspannten Herangehensweise eines Ultralaufes alles erreichen lässt! Und dann ging ich schon auf die letzte Runde. Es würde eine unglaubliche Zeit werden! Denn obwohl die letzten drei Kilometer wieder anstrengend wurden, lief ich nach 3h16’25 ins Ziel. Ganze siebeneinhalb Minuten schneller als im vergangenen Jahr, dabei weniger erschöpft. Auch im Ziel griff ich nur zu Getränken, zog mich schnell um und spazierte zum Auto, um schnellstmöglich unter die warme Dusche zu kommen. Eine Wohltat!
Als Fazit halte ich fest, dass mir die langen Kanten liegen. Aus dem Training heraus habe ich mir mit der Zeit von 3h16’25 einen Platz in den Top 80 der ewigen (!) deutschen Bestenliste erlaufen. Meine Grundlagenausdauer ist sehr gut ausgeprägt, dazu lässt sich mit einer entspannten Herangehensweise sehr viel erreichen. Wieder hatte ich viel Spaß am Laufen und dachte gar nicht erst ans frühzeitige Aufhören. Danke, RLT Rodgau!
Allen anderen Ultras eine gute Erholung – und bis im nächsten Jahr. Spätestens!
Welch eine tolle Leistung, meinen Respekt! Ich war ebenfalls da, leider haben wir uns nicht gesehen. Hast mich sicherlich mal überholt 😉 Toll geschrieben und Deinen Blog werde ich zukünftig auch mal mehr verfolgen!
Danke Patrick! Wir haben uns bestimmt gesehen, nur nicht wahrgenommen. In Rodgau ist einfach jeder.
Ich muß so viel Klasse Berichte lesen, komme gar nicht selbst zum schreiben. Auch hier nochmal Herzlichen Glückwunsch!
Du kannst ja eine Auswahl zusammen tragen. Ich glaube, ich habe noch gar nicht alle gefunden.