Wie doch die Zeit vergeht! Mein letzter Weinberg-Orientierungslauf war bereits im Mai. Damals ging es durch die Weinberge um Wörrstadt, dieses Mal war Saulheim Austragungsort. Seit Mai ist viel passiert, sodass es gar nicht wirkt, als wäre der letzte Lauf bereits so lange her. Jetzt, im November, sind die Voraussetzungen andere. Neben den offensichtlichen Unterschieden, dass die Saison am Ende, das Wetter etwas kühler und die Tage kürzer sind, ist die größte Änderung, dass wir – also Svenja und ich – nicht mehr zu zweit zur Wettkampfstätte fahren, sondern dass Jesper jetzt dabei ist. Es ist noch einmal etwas ganz anderes, von einem kleinen Fan im Ziel erwartet zu werden!
Neben Jesper und Svenja war außerdem noch unsere Nichte Levke mit dabei, die durch eine AG in der Schule zum Orientierungslauf gekommen ist. Neben drei kleineren Läufen war sie bereits im Sommer in Frankfurt am Start, ihr fünfter Orientierungslauf-Wettkampf würde nun also der Weinberg-OL in Saulheim werden.
Am Mittwoch hatten Levke und ich uns gemeinsam noch einmal die Karte aus Wörrstadt angeschaut, sodass ich mich im Vorfeld gut vorbereitet fühlte. Neben dem Übungsmaterial hatte ich schließlich in Wörrstadt Erfahrung sammeln können und wusste jetzt etwas besser, wie man sich in Weinbergen zurechtfindet. Die größte Besonderheit ist sicherlich die, dass man durch die Weinberge laufen darf, solange man keine Weinreben kreuzt. Dadurch lässt sich die ein oder andere Abkürzung finden.
Kurz vor knapp am Start
Weil Jesper kurz vor der geplanten Abfahrt noch Hunger hatte, kamen wir nur 20 Minuten vor Levkes Start (13:36 Uhr) in Saulheim an. Wir konnten allerdings nicht direkt dorthin laufen, sondern mussten zunächst noch einen Chip organisieren, wobei der Ausrichter sehr nett aushalf. Weil der Start weiter vom Wettkampfzentrum im Bürgerhaus entfernt war als angenommen, kamen wir kurz vor knapp an. Levke schien der Stress aber nichts ausgemacht zu haben, sie war die Ruhe selbst. Schließlich hatte sie ihre Karte in der Hand und machte ihre Sache ganz hervorragend: alle Posten gefunden und das schnellste Mädchen ihrer Altersklasse! Sogar in der gemeinsamen Wertung mit den Jungs wurde sie Zweite von zehn!
Dieses tolle Ergebnis erfuhr ich erst nach meinem Lauf. Nachdem ich Levke hatte loslaufen sehen, hatte ich wiederum nicht mehr allzu viel Zeit, um zu meinem Start (14:11 Uhr) zu kommen. Der Start der Erwachsenen war nämlich noch einmal zwei Kilometer weiter weg – und vorher musste ich noch zurück zum Auto, um meinen Chip und Kompass zu holen sowie meinen Pullover ab- und mein Trikot überzustreifen.
Auch ich wäre nur auf die Minute genau zu meinem Start gekommen, hatte aber das Glück, dass alle Starts um zehn Minuten nach hinten verschoben worden waren. So konnte ich mich noch kurz entspannen, mich ein wenig orientieren sowie mich mit Jürgen und Michael austauschen, während bedrohlich dunkle Wolken aufzogen.
Kreuz und quer durch die Weinberge
Von der bedrohlichen Wetterfront wurden wir in der Folge glücklicherweise verschont. Zwischendurch nieselte es nur leicht. Dennoch war es vom Regen der vergangenen Nacht teilweise sehr schlammig und rutschig. Wenn die Reben im rechten Winkel zur Laufrichtung standen, ging es aber auch oft über Wege. Trail-Schuhe waren entsprechend die beste Wahl. Man könnte fast schon meinen, ich hätte ein wenig OL-Erfahrung, zumindest die Ausstattung passte.
Diesen Erfahrungen bzw. den eigenen Fähigkeiten traute ich allerdings bereits beim ersten Posten nicht. Zwar wiederholte ich meinen Fehler aus Wörrstadt nicht und hielt die Karte gleich von Beginn an richtig herum, als ich aber links oberhalb von mir in den Weinbergen einen Posten sah, lief ich direkt hin. Eigentlich wusste ich, dass er zu früh kam und ich eigentlich noch weiter musste, doch die Anfangseuphorie bzw. –aufgeregtheit ging mit mir durch. Damit hatte ich mir direkt einen Umweg, Extrahöhenmeter und natürlich Zeitverlust eingehandelt. Schaut man sich die Zwischenzeiten an, was beim OL sehr praktisch ist, lag ich mit meinem ersten Split damit auf dem vorletzten Platz und hatte mehr als eine Minute verloren. Aber ich machte mir nichts daraus, zumindest hatte ich jetzt ein besseres Gefühl für den Maßstab. Dieser war mit 1:15.000 nämlich sehr klein. Im weiteren Verlauf hätte ich mir teilweise eine Lupe gewünscht.
Ein flüssiges Rennen beim Weinberg-OL in Saulheim
Im Folgenden lief es dafür umso besser. Offiziell war die Streckenlänge mit einer Luftlinie von 8,7 km angegeben, 19 Posten waren zu finden. Zum zweiten wählte ich wohl nicht nur eine gute Route, sondern fand auch den Posten unter dem Hochstand sofort: bei diesem Split hatte ich doch glatt die schnellste Zwischenzeit!
Danach versuchte ich, möglichst kurze Routen zu finden und machte meine Sache gut. Zumindest waren die Zwischenzeiten nicht schlecht: beim 3. Posten hatte ich bei knapp 6‘ Laufzeit nur 7‘‘ Rückstand auf die Bestzeit, beim 4. Posten lief ich einen kleinen Umweg, weil ich die Karte beim Laufen nicht genauer erkennen konnte. 27‘‘ Rückstand bei 5‘ Laufzeit gingen aber dennoch in Ordnung. Beim 5. Posten verlor ich ganz im Westen der Karte trotz kleinem Fehler und Umweg nur 11‘‘, beim 6. Posten hätte ich besser den Weg genommen, wusste aber nicht, ob ich durchs Dickicht gekommen wäre. Diese Sicherheit kostete mich 19‘‘ auf die Bestzeit. Aber ich war besser unterwegs als vielleicht je zuvor. Auch vom Laufgefühl her fühlte es sich nach einem flüssigen Rennen an. Zwischendurch wagte ich einen Blick auf die Uhr, die doch glatt einen Schnitt von 4‘48/km anzeigte: mein erster OL in diesem Tempo, bisher war ich aufgrund der vielen Unterbrechungen immer deutlich langsamer gewesen.
Wie zum Ausgleich missachtete ich dann beim 7. Posten die Grundregel des OL: nur dann zu rennen, wenn man sich sicher ist, wo man hin will. Deshalb lief ich in den falschen Weg und handelte mir erneut Umweg ein. Also mit etwas mehr Bedacht weiter zu Posten Nummer acht. Hier begegnete ich anderen Läufern und grüßte Jürgen und Claas. Ich hatte Spaß, weil es gut lief. Von der Gesamtzeit her lag ich – ohne es im Rennen wissen zu können – mittlerweile auf Rang 4 (von 9).
Konzentration im Finale
Zu den nächsten beiden Posten lief ich vom Gefühl her sehr schnell und flüssig, mit einer weiteren Bestzeit klappte es aber nicht (4 und 15 Sekunden Rückstand). Ich kann mir also mitnehmen, dass ich, wenn ich sicher weiß, wo hinwill, noch schneller laufen muss! Mitten in den Weinbergen erschreckte ich zwei Rebühner, was für mich beeindruckend war, mir dennoch aber leidtat.
Zu den nächsten Posten (11 bis 13) war meine Routenwahl in Ordnung, allerdings war das Lauftempo langsamer. Besonders merkte ich dann bei den dicht beisammen liegenden Posten 14 und 15, wie schwierig es ist, die Konzentration bei zunehmender Erschöpfung aufrecht zu erhalten. Doch dann war bereits Schlussspurt angesagt, wurden doch jetzt die wunderbar abwechslungsreichen Weinberge mit den Grünstreifen, den unterschiedlichen Wegen und Pfaden, den Obst- und Laubbäumen sowie den Ackerflächen verlassen: es ging zurück in Richtung Park, Bürgerhaus und Stadt.
Nach einer Flussüberquerung waren die letzten Posten gut zu finden. Für eine Bestzeit reichte es wieder nicht, es fehlte mir wahrscheinlich die Selbstverständlichkeit, wobei ich mit Cedric vergleichbar schnell (wenige Sekunden Rückstand) unterwegs war. Dennoch kam ich gut gelaunt ins Ziel, wo Levke bereits auf mich wartete. Per Zufall war gerade auch Cedric dort, sodass ich gleich meine Zeit vergleichen konnte. Und siehe da: diesmal hatte ich nur 5:55 Minuten auf die Siegzeit (Cedric) verloren, in Wörrstadt waren es noch ganze 17 Minuten Rückstand auf Toby!
Auch im Vergleich zu anderen Konkurrenten hatte ich mich deutlich verbessert. Hatte ich in Wörrstadt noch mehr als 10 Minuten Rückstand auf Philippe Imbsweiler, waren es diesmal nur 2:18 min. Und auf Jörn Saß hatte ich 5:57 min Rückstand, in Saulheim nur 48‘‘.
So fühlte sich die Belohnung – die es wohl auch nach einem verkorksten Rennen gegeben hätte – umso verdienter an: in Saulheim gab es Stückchen vom Bäcker, daheim dann Pizza vom Italiener. Was ein toller Ausflug!
Der Überblick
Datum: Sa, 05. November 2022
Ort: Saulheim, Deutschland
Wettkampf: 40. Weinberg-OL
Distanz: Luftlinie 8,7 km, 19 Posten
Zeit: 55:44 min
Platz: 4
Crew: Svenja, Jesper & Levke
Schuhe: Adidas Terrex Agravic Flow 2.0
Ernährung: –
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