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Der Frankfurter Grüngürtel

Einmal um Heusenstamm bin ich schon gelaufen. Und die Dietzenbach-Runde hat sich als coupierter langer Lauf etabliert. Das hat etwas: einmal den eigenen Wohnort zu umrunden, insbesondere mit unseren modernen Uhren, mit denen man die Laufstrecke so schön angezeigt bekommt. Diese Faszination ist es, die auch den Frankfurter Grüngürtel ausmacht.

Denn einmal im Leben Frankfurt laufend zu umrunden, das wollen viele einmal machen – zumindest viele aus der regionalen Läufer-Blase, aus der unser Bekanntenkreis nun einmal größtenteils besteht. Entsprechend intensiv hatten wir die Idee immer wieder im dienstäglichen gemeinsamen Tempotraining erörtert, mit Philipp, Max und Robert sollte es ein Teamausflug werden. Im Frühjahr vor anderthalb Jahren hatten wir aber keinen Termin gefunden, der sich mit den Marathonplänen vertrug.

Seit in diesem Jahr aber alle Rennen abgesagt wurden und sich so auch die FKTs größter Beliebtheit erfreuten, lebte auch unsere Grüngürtel-Idee wieder auf. Einmal um den bebauten Kern von Frankfurt, das wäre doch was!

Der Frankfurter Grüngürtel

Grüngürtel: am Start
Kann losgehen!

Der Frankfurter Grüngürtel wurde 1991 von den Stadtverordneten mit der Grüngürtel-Verfassung unter Schutz gestellt, sodass er nicht mehr bebaut werden darf. So soll für ein gutes Stadtklima gesorgt sein. 1994 wurde der Grüngürtel, zu dem sich Wiesen, Felder, Parks, Sportplätze, Gärten, Auen und Wälder zusammenfügen, auch vom Land Hessen zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.

Der ausgeschilderte Rundweg umrundet Frankfurt. Dabei unterscheiden sich Rad- und Fußweg immer wieder minimal voneinander. Für unser Projekt hatten wir uns für die Radweg-Variante entschieden, einfach weil die FKT so benannt ist.

Das Projekt Grüngürtel

Nun war es also so weit: mit Robert und Philipp hatte ich mich auf den letzten Augustsonntag festgelegt (Max musste wegen seiner Hüfte die Saisonpause vorziehen), um den Frankfurter Grüngürtel anzugehen. Das Wetter sah perfekt aus: herbstlich kühl, mit Regen erst am Nachmittag. Anhaltende Sommerhitze hätte von meiner Seite zur Absage geführt, bei richtig heißen Temperaturen bin ich für ernsthaftes Laufen einfach nicht gemacht.

Grüngürtel Rad Schilder
Immer wieder sieht man Wegweiser, dennoch ist es gut, die Strecke auf dem mobilen Endgerät zu haben.

Doch der gefühlte Herbstanfang brachte auch unangenehme Nebenwirkungen: sowohl Philipp als auch Robert zogen sich eine Erkältung zu. Zuerst hofften wir noch, schließlich mussten beide aber absagen. Ich hatte aber zum einen im Training deutlich herausgenommen, zum anderen wollte ich den Termin nicht verpassen. Vielleicht würde es wieder anderthalb Jahre dauern, bis wir uns auf ein Datum einigen könnten, vielleicht würden wir den Grüngürtel so nie angehen. Also Chance nutzen und einfach mal loslaufen!

Zum Glück habe ich ja die richtige Frau geheiratet: Svenja wollte mich auf dem Rad begleiten. Damit war die unsupported-FKT-Idee zwar hinfällig, der Grüngürtel reizte mich aber auch ohne offizielle Bestzeit und ein gemeinsames Heidl-Abenteuer war mir deutlich lieber, als meinen ersten Lauf mit deutlich mehr als 50 km völlig auf mich allein gestellt anzugehen. So sahen wir Frankfurt gemeinsam von allen Seiten.

Auf ins Abenteuer!

Also ging es am Sonntagmorgen mit unserem Bus und Svenjas Rad an die Frankfurter Stadtgrenze. Geplant hatten wir, an der Schwanheimer Fähre zu parken, um auf der anderen Mainseite im Ziel zu sein. Der Parkplatz war aber geschlossen! Öffnung erst mit der Fähre. Es war also doch gut, dass es nicht mehr um die Bruttozeit ging. Wir parkten also einen guten Kilometer entfernt, auf kostenlosen Parkplätzen, wo das Schwanheimer Ufer in den Höchster Weg mündet.

So verpassten wir aber die Schwanheimer Düne. Das war schade, denn auf die Holzplanken hatte ich mich besonders gefreut. Einen Umweg wollte ich deshalb aber trotzdem nicht laufen. Trotz der spontanen Umplanung war der Weg zur Route dann schnell gefunden. Die neue Uhr ist dafür super. Lange hatte ich gehadert, ob ich mir wirklich eine neue leisten soll, solange die alte funktioniert, durch die vielen Navigationseinsätze hat sie sich aber schon mehrfach bezahlt gemacht. Auch auf den restlichen gut 60 Kilometern funktionierte alles einwandfrei.

Durch die weiten Wiesen bei Schwanheim erwischten wir dennoch einen schönen Start. Immer wieder stießen wir im Verlauf der Strecke auf Abschnitte, die wir schon kannten – aber nie mit dem Grüngürtel in Verbindung gebracht haben. Jetzt beispielsweise passierten wir den Start des Schwanheimer Pfingstlaufs, später auch im Wald und am Mainufer hätten wir sonst nicht an den Grüngürtel gedacht.

Den Goetheturm als ersten Fixpunkt

Als ersten Abschnitt hatte ich für mich den Weg bis zum Goetheturm definiert. Zu Beginn ging es somit tendenziell bergauf. Natürlich waren sämtliche Wege gut laufbar, dennoch war es teilweise gefühlt eher mühsam. Ab dem Goetheturm würde es dann bergab an den Main gehen, die richtige Steigung dann nach insgesamt etwa 35 km folgen. Gut, dass dieser tendenziell ansteigende Part am Anfang kam. Wäre der Parkplatz geöffnet, es wäre ein guter Plan gewesen!

Doch zurück zur Strecke. Bald schon waren wir wieder im Wald, auf bekannten Wegen: hier war ich sowohl schon mit Teamkollegen gelaufen, auch komme ich durch den Schwanheimer Wald, wenn ich meinen Bruder, Schwägerin und Nichte laufend in Kelsterbach besuche. Anschließend befanden wir uns auf der Route des Frankfurter Halbmarathons, wobei der Grüngürtel an einem Pferdehof vorbeiführt, bevor es um das Stadion geht. Dort hätte man kürzer laufen können, aber noch war Energie da, es wurden keine Gedanken an später verschwendet.

Auf dem Frankfurter Grüngürtel

Auf dem Weg zur Isenburger Schneise ließ ich direkt meinen Müsliriegel fallen – eigentlich wollte ich doch Energie aufnehmen und meinen Rhythmus nicht durchbrechen. Immer diese Anfängerfehler, ansonsten lief es sich aber flüssig und rund.

Wie die Isenburger Schneise müssen auf dem gesamten Rundweg immer wieder große Straßen überquert werden, obwohl es wie jetzt auf dem Weg zu Jacobiweiher und Oberschweinstiege häufig über Brücken und durch Unterführungen geht. Am besten wählt man also eine Uhrzeit, zu der wenig Verkehr ist. Wir hatten heute häufig Glück und mussten nur selten stoppen.

Schließlich strahlte dann der Goetheturm im neuen Glanz zu unserer Rechten. Der erste Abschnitt war damit geschafft.

Weiter geht’s nach Offenbach

Dann ist erstmal Entspannung angesagt, denn vom Goetheturm aus rollt es quasi von selbst hinab an den Main. Auf dem Weg zur Gerbermühle wachsen links und rechts Kürbisse, auch an „unsere“ Grüne Soße müssen wir denken. Passt ja auch irgendwie zum Grüngürtel.

Weiter geht es dann in Richtung Offenbach, für einige Kilometer verläuft die Strecke jetzt am Main entlang. Vor der neuen Hafenstadt ist großräumig eine Baustelle abgesperrt, die aber nicht für einen Umweg sorgt. Eine Eisdiele passierend, in der wir zuletzt von meiner Oma eingeladen wurden, geht es dann in Richtung Start und Ziel des Offenbacher Mainuferlaufs, wo wieder gute Erinnerungen (2018 und 2019, dieses Jahr fällt er leider aus) warten.

Am Main ist an diesem Sonntagmorgen viel los, manche spielen Beachvolleyball oder Fußball am Ufer (wie viele Bälle wohl schon im Main gelandet sind), es wird gelaufen, geradelt und spazieren gegangen, Hundebesitzer führen ihre Lieblinge aus (auf der ganzen Strecke gab es heute keinen einzigen unerzogenen Hund). Das Highlight ist ein selbstangetriebenes Wakeboard auf dem Wasser, das uns überholt.

Nach dem langen Stück am Main geht es schließlich über die Brücke am Campingplatz nach Fechenheim. Während wir noch über einen futuristischen Motorradanhänger staunen, begegnet uns das einzige bekannte Gesicht auf der ganzen Strecke: Connie kommt uns gut gelaunt entgegengelaufen. Für später hatte ich noch auf bekannte Läufer/innen gehofft, dort aber niemand wahrgenommen.

Der Grüngürtel ist nicht immer grün

Den folgenden Abschnitt empfinde ich als unangenehm. Fechenheim zeigt sich von seiner hässlichen, verbauten Seite und stinkt obendrein. Da fällt der Fluglärm, der jetzt leider nach und nach wieder mehr wird und uns schon im Stadtwald gegenseitig teils nicht verstehen ließ, kaum ins Gewicht. Wenn dieser Part wirklich zum Grüngürtel zählt, haben wir definitiv etwas falsch gemacht!

Endlich geht es dann nach einer Unterführung und einer weiteren Straßenquerung ab in ein schönes Waldstück, das Naturschutzgebiet Enkheimer Ried ist nicht weit. Den Aussichtspunkt am Riedteich lassen wir links liegen, denn aufi geht es jetzt genug: steil geht es den Berger Hang hinauf, ich wechsele ins Gehen und trinke ausgiebig, Svenja muss absteigen und schieben. Hier stehen schon erste Obstbäume, an deren Fallobst sich die Wespen tummeln.

Oben, kurz die Aussicht genießend, meinen Riegel aufessend und eine halbe Salzkartoffel nachschiebend, sind wir noch nicht ganz oben. Auf der Hohen Straße folgen noch weitere kleinere Anstiege. Hier ist aber das schönste Stück des Grüngürtels, man kann weit schauen, zwischen den Streuobstwiesen (Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Quitten und wahrscheinlich noch viel mehr) und den Feldern wirkt die Stadt wieder weit entfernt. Obwohl es teils mitten durch hunderte von Wespen am Boden geht, haben wir Glück und werden nicht gestochen. Das viele Obst ist interessanter.

Der Marathon kommt und geht

Als dann auch die letzte Kuppe überlaufen ist, ist die Marathonmarke erreicht. Dann einfach weiterzulaufen ist ein etwas surreales Gefühl, und doch sind die folgenden Kilometer auch nicht anders als die zuvor. Auch die 50-km-Marke, meine bisher weiteste gelaufene Strecke, wird später kommen und gehen. Einfach so.

Etwa bei der Marathonmarke esse ich meine zweite halbe Kartoffel – das nächste Mal muss ich auf die richtig langen Kanten mehr Salziges mitnehmen, die folgende Abneigung gegenüber Süßem wie Riegeln oder Gel, wird noch zu einem Problem werden. Zunächst aber geht es über Straßen, die ich von Dauerläufen mit Martin kenne, der leider zu diesem Zeitpunkt mit dem Rad unterwegs war, auch an der Nidda erkennen wir niemanden. Weiter hinab soll es dann zum letzten Abschnitt an der Nidda gehen, die Bahnunterführung ist aber gesperrt. Wir hatten zwar ein Schild gesehen, das über die Sperrung einer Unterführung informierte, wussten aber nicht, ob genau Unsere die Betroffene ist. Was also tun, wenn die Umleitung in die falsche Richtung zeigt?

Am höchsten Punkt des Frankfurter Grüngürtels
Am höchsten Punkt im Norden Frankfurts

Wir entschieden uns für die richtige Himmelsrichtung, in der Hoffnung, die Bahn bei einem anderen Übergang überwinden zu können. Eine nette Frau an der folgenden Pferdekoppel nährte die Hoffnung. Laut Karte erwischten wir sogar mit nur einem kleinen Umweg die direkte Route, das Rad musste allerdings einige Stufen hinauf und wieder hinab getragen werden.

Ich nutzte die Chance, meinen mittlerweile leergetrunkenen Trinkrucksack abzusetzen und in Svenjas Rucksack zu stopfen. Der Trinkrucksack war zwar für die Flüssigkeitsversorgung eine sehr gute Idee, dennoch aber noch nicht die optimale Lösung: zum einen musste ich unterwegs immer wieder nachjustieren, zum anderen hatte ich sowohl eine nach wie vor schmerzende Druckstelle als auch einen verspannten Nacken. Jetzt konnte ich freier laufen – auch weil es jetzt die Homburger Landstraße hinab ging. Wieder dachten wir hier an unsere Oma – nur diesmal an eine andere. Dann war die Nidda als letztes Etappenziel erreicht.

Endspurt an der Nidda

Der Frankfurter Grüngürtel wird auch als Rückzugsort gepriesen, für Mensch und für Tier. Wir sehen zwar ein paar Eichhörnchen und jetzt an der Nidda Enten und Reiher, sonst aber kein wildes Leben. Das ist schade, andererseits war bereits viel los, da werden die Tiere geflüchtet sein. Dennoch fällt uns insbesondere im Nachhinein auf, dass dafür, dass der Grüngürtel einen grünen Ring darstellen und als Lunge der Stadt fungieren soll, sehr viele wirklich hässliche und verbaute Abschnitte dabei sind. Oft ist nur wenig Grün geblieben. Aus meiner Sicht ist das besorgniserregend.

Wenn wir uns eine Welt geschaffen haben, die so giftig ist, dass wir sogar so einen schmalen Streifen als grüne Lunge und Erholungsort ansehen, haben wir wirklich etwas falsch gemacht.

Der Abschnitt an der Nidda ist aber wirklich angenehm, gut zu laufen und dafür, dass es nur am Fluss entlang geht, mit viel Abwechslung. Auf dem Weg zwischen Frankfurter Zoo und Opel Zoo sorgen witzige Schilder für Heiterkeit, im Sinaipark in Dornbusch kommt Safaristummung auf und im Volkspark Niddatal werden wir an den Parkrun erinnert. Dort ist mir bereits jeder Extrameter zu viel, bei einer ausladenden Kurve laufe ich einfach mitten über die Wiese.

Das Tief kommt dann etwa ab Kilometer 52. Das war abzusehen, die Abneigung gegenüber Süßem besteht weiterhin. Zwei Mal versuche ich noch einen Clif Blok, spucke ihn jeweils aber schnell wieder aus. Die einzige Energie kommt folglich aus meinem Wasser, dem ich Sirup und Salz beigemischt habe. Svenja fordert eigentlich von mir, dass meiner Gehpause bis zur Fähre keine weitere folgt, schließlich sei ich selbst auf die Grüngürtel-Idee gekommen, allerdings sind es zu diesem Zeitpunkt noch mehr als sieben Kilometer bis zu diesem geplanten Zwischenstopp.

Und außer mit Worten will sie nicht helfen: meine Idee, dass wir tauschen, sie also läuft und ich auf das Fahrrad steige, tut sie einfach so ab!

Grüngürtel abgehakt!

Geschafft: einmal auf dem Grüngürtel um Frankfurt
Grüngürtel geschafft?

Nun, auch jenseits der 55 km war mein Laufstil weiterhin in Ordnung, so waren schließlich auch diese sieben Kilometer zurückgelegt und der Bolongaropalast sowie die Fähre erreicht. Eigentlich wäre hier das Ziel gewesen, so folgte vor den letzten 1,2 km noch eine Sitzpause. Das Anlaufen auf der anderen Mainseite mag dann etwas ungelenk ausgesehen haben, wie frisch erholt waren die letzten Meter dann aber kein Problem.

Am Auto wartete mit Cola bereits die bewährte Medizin, dazu wurden Kekse kredenzt. Ich war nicht so sehr erschöpft wie vielleicht angenommen, beim Wispertaunussteig war ich deutlich mehr an meine Grenzen gegangen. Die bessere Flüssigkeitszufuhr wirkt Wunder! Überhaupt vertrug ich die lange Distanz sehr gut. Am Nachmittag lag ich nicht etwa nur apathisch auf der Couch, sondern konnte noch Treppensteigen und Kuchen backen. Und am nächsten Tag spürte ich zwar den unteren Rücken und die Ferse, hätte aber bereits wieder laufen können, wenn ich denn gewollt hätte. Wir machten stattdessen in der Mittagspause einen Spaziergang.

Insgesamt war der Grüngürtel den Ausflug wert! Wir haben Frankfurt gemeinsam von allen Seiten gesehen und neue Ecken entdeckt. Bei einem Abenteuer muss schließlich nicht immer alles eitel Sonnenschein sein. Die schmutzigen Ecken machen den nötigen Natur- und Klimaschutz nur umso wichtiger!

Frankfurter Grüngürtel geschafft!
Grüngürtel geschafft!