Belastung und Beanspruchung

Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept in der Darstellung von Laurig (2014).
Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept in der Darstellung von Laurig (2014).
Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Belastung und Beanspruchung. Durch die begriffliche Definition der beiden Wörter ist sogar ein Konzept entstanden: das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept (Rohmert, 1984). Eigentlich in der Arbeitsphysiologie entwickelt, können auch wir Sportler Gebrauch dieser Definitionen machen, helfen sie uns doch dabei, Trainingsreize bewusster auszuwählen.

Erste Definitionen wurden bereits 1953 (Lehmann) und 1971 (Valentin et al.) vorgeschlagen, mittlerweile sind die Begriffe laut Norm definiert. So ist die Belastung die „Gesamtheit aller erfassbarer Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und auf ihn einwirken“ (DIN EN ISO 10075-1). Diese Aussage ist an sich neutral – so kann ein 10 km Dauerlauf entspannend oder auch belastend wirken.

Im Gegensatz dazu ist die Beanspruchung die Gesamtheit der individuellen psychophysiologischen Reaktionen auf die einwirkende Belastung: die Beanspruchung ist die „unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“ (ebenso DIN EN ISO 10075-1).

Halten wir also fest: Belastung ist das, was von außen auf uns wirkt, Beanspruchung ist die Auswirkung, die dadurch in unserem Körper hervorgerufen wird. Entscheidend sind dafür natürlich die individuellen Eigenschaften. Um zum Beispiel zurückzukommen sind 10 km Dauerlauf für einen Marathoni kein Problem und sollten keine große Beanspruchung darstellen. Für den Untrainierten kann die gleich Belastung schon zur großen Herausforderung und zur maximalen Beanspruchung werden.

Einfach dargestellt ist das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept im Modell von Laurig (2014). Die Beanspruchung hängt von der Belastung ab: bleiben die individuellen Eigenschaften gleich, bedeutet eine höhere Belastung auch eine höhere Beanspruchung. Die Eigenschaften beeinflussen die Beanspruchung aber ebenso: so sind verschiedene Menschen bei gleicher Belastung auch verschieden beansprucht. Gleiches gilt für verschiedene Zeitpunkte in der Saison, wenn die Form unterschiedlich ausgeprägt ist. Und auch bei unterschiedlicher Tagesverfassung kann die gleiche Belastung zu einer verschiedenen Beanspruchung führen.

Diese Sichtweise sollten wir also bei der Trainingsgestaltung berücksichtigen: ein kurzer Dauerlauf kann an manchen Tagen für die Regeneration förderlich sein, an anderen Tagen eine Beanspruchung sein. Insbesondere Zeitvorgaben sind hier tückisch, weil die Belastung gleich ist, die Beanspruchung sich aber unterscheiden kann.

 

Quellen:
DIN EN ISO, 10075-1 (2000-11). Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung – Teil 1: Allgemeines und Begriffe. Berlin: Beuth Verlag.
Laurig, W.; 2014. Belastungs-Beanspruchungs-Konzept und Gefährdungsbeurteilung. TU Dortmund. Zugriff am 14.04.2016. Verfügbar unter http://www.ergonassist.de/bel-bean_gefaehrdung/Belastung_Beanspruchung_Gefaehrdung.htm
Lehmann, G.; 1953. Praktische Arbeitsphysiologie. Stuttgart: Thieme.
Rohmert, W.; 1984. Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 38, 193-200.
Valentin, H.; Klosterkötter, W.; Lehnert, G.; Petry, H.; Rutenfranz, J.; Wittgens, H.; 1971. Arbeitsmedizin. Ein kurzgefaßtes Lehrbuch für Ärzte und Studenten. Stuttgart: Thieme.

2 Kommentare

  1. Da hast du einen sehr guten Anlass zum Mal-wieder-drüber-Nachdenken gegeben! Das Ganze ist wohl auch der Grund, warum vielfach empfohlen wird, nach Puls und nicht nach Zeitvorgaben zu trainieren. Wobei diese Regel, so glaube ich gehört zu haben, für Profis nicht gilt: Hier wird immer nach Zeitvorgabe trainiert. Oder weißt du da Genaueres?

    1. Auch da gibt es unterschiedliche Ansätze. Arne hat ja immer Muss- und Kann-Einheiten. Sören Kah hat angeblich immer nach Puls trainiert.
      Was aber natürlich nicht heißen muss, dass die Beanspruchung immer niedrig gehalten werden muss oder sollte 😉

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