Wie nach dem Hannover-Marathon angekündigt, will ich mich in der näheren Zukunft etwas intensiver dem Orientierungslauf widmen. Auf der einen Seite ist das genau mein Ding: man lernt neue Gegenden kennen, muss sich dabei die schnellste Route suchen und ergo nicht nur schnell rennen, sondern auch genauso schnell denken. Auf der anderen Seite gehöre ich aber zu denjenigen, die sich – zumindest vor wichtigen Wettkämpfen – akribisch vorbereiten. Vor einem Marathon beispielsweise kenne ich jede Kurve der Strecke. Das ist beim Orientierungslauf, wenn man die Karte mit den abzulaufenden Posten erst direkt mit dem Starten der Stoppuhr bekommt, natürlich nicht möglich. Man kennt nur den Ort des Wettkampfzentrums sowie die Streckenlänge und Höhenmeterangabe der Luftlinie. Alles andere ist offen. Entsprechend war ich vor dem Weinberg-OL in Wörrstadt etwas aufgeregt. Aber ich freute mich darauf!
Überhaupt kann Aufregung ja durchaus positiv sein: sie aktiviert und macht wach. Ich war gespannt auf eine neue Gegend, ein für mich (fast) neues Wettkampfformat sowie der erste Test für meinen eigenen SI-Chip. Nur einen Kompass habe ich noch nicht.
Weinberg-OL in und um die Weinberge
Beim Weinberg-OL in Wörrstadt wurde vom ausrichtenden TGM Budenheim im Vorfeld immerhin schon so viel verraten, dass es nicht nur über die umliegenden Weinberge gehen würde, sondern ebenso durch die Straßen von Rommersheim. Weiterhin wurde in der Ausschreibung lange Kleidung empfohlen, weil die Belaufbarkeit in Teilbereichen der Karte durch Brennnesseln, Dornen und hohe Gräser erschwert sei. Da hatte ich mir die steilen und sonnigen Weinberge anders vorgestellt. Und während ich mich im Training der letzten Wochen eher in Richtung 5-10 km orientiert hatte, wurden für meine Altersklasse H19 bereits für die Luftlinie 9,2 km mit 320 Höhenmetern angegeben. 18 Posten galt es zu finden. Da war die Aufregung berechtigt.
Die Fahrt nach Rheinhessen – Wörrstadt liegt südlich von Mainz und dem Rhein in Rheinland-Pfalz – verlief am Sonntagmorgen problemlos. Vor Ort herrschte schon jetzt perfektes Wetter, mit Sonne satt und der Tendenz zur Hitze. Im Wetterbericht war der Vormittag deutlich kühler angekündigt, bereits auf dem Weg zum Start war mir in kurzer Hose und T-Shirt nicht kalt. Diesen konnte man gut zum Einlaufen nutzen: zwei Kilometer, auf denen man bereits die Aussicht genießen konnte, später würde dafür keine Zeit mehr sein.
Meine Startzeit war für exakt 11:15 Uhr angesetzt. Jeweils sechs Minuten vor sowie nach mir liefen die Nächsten in meiner Kategorie und damit mit der gleichen Karte. Für andere Altersklassen überschneidet es sich teilweise, jede*r muss aber nach der eigenen Bahn laufen. Das Wettkampfgebiet ist nicht gesperrt, man muss also auf Straßenverkehr achten. Beim Weinberg-OL darf außerdem Kulturland nicht gequert werden, auch das Übersteigen von Zäunen oder Rebzeilen ist verboten. Dennoch bleiben ziemlich viele Möglichkeiten!
Voller Enthusiasmus geht es los
Schließlich war es so weit. Zunächst wurde ich aufgerufen und durfte in die erste Startbox. Dort gab es die Postenbeschreibung. Und mein Chip piepste ordnungsgemäß, sodass ich weiterhin davon ausging, dass er funktionierte (problemlos!). Zwei Minuten später ging es dann los: pünktlich um 11:15 Uhr durfte ich meine Karte aufnehmen, am Start stempeln und loslaufen.
Und das tat ich dann auch: voller Enthusiasmus erst einmal geradeaus. Kurz darauf wunderte ich mich aber bereits, dass ein abgehender Weg zur Linken nicht eingezeichnet war. Wenig später stand fest, dass ich damit begonnen hatte, die Himmelsrichtung um 90° zu verdrehen. Prompt hatte ich mir also 300 Zusatzmeter eingehandelt. Doch ich machte mir nichts daraus, immerhin wusste ich jetzt ganz sicher, wo ich war.
Den ersten Posten fand ich kurz darauf auch genau da, wo er sein sollte. Zu Posten zwei hätte ich – im Nachhinein in Ruhe betrachtet – einen deutlich kürzeren Weg nehmen können. Auch lief ich das zu findende Gebüsch von der falschen Richtung an. Aber gefunden ist gefunden. In der Ergebnisliste nach Zwischenzeiten lässt sich nachvollziehen, dass ich bis hierhin bereits vier Minuten auf den Führenden (jetzt Vereinskameraden) Toby Scott verloren hatte. Das geht ziemlich schnell!
Den dritten Posten erwischte ich dann endlich gut. Bis dort ging es aber auch so richtig bergan, was mir Zeit gab, die Karte recht genau zu lesen. Gleich darauf war ich auf den letzten Metern zu Posten vier zwischen Zaun und Klippe verwirrt und verlor so beim Suchen genauso wertvolle Zeit wie beim nächsten Posten, bei dem ich am Hang zu tief landete und mich durch hohes Gras zurückkämpfen musste. Hin zu Posten Nr. 6 erwischte ich dann eine gute Route. Mittlerweile hatte ich auch ein Gefühl dafür, was auf dieser Karte als Pfad galt. Das erste Drittel der Posten war gefunden.
Vom Parkplatz aus sah das Gelände flacher aus
Zu Posten sieben war die Routenfindung kein Problem, die Steigung hatte es aber mächtig in sich. Jetzt merkte ich so richtig, wie heiß es schon geworden war. Mit einer besseren Laufform hätte ich hier einiges herausholen können. So blieb aber Zeit, um bereits den Weg zum nächsten Posten zu planen, der achte war nämlich sehr weit entfernt, fast über die komplette Breite der Karte. Vielleicht hätte ich eine Abzweigung anders nehmen können, im Eifer des Gefechts war aber die Hauptsache, mich festzulegen und zu laufen, statt immer nur hin- und herzuüberlegen. Fast neun Minuten Laufzeit lagen zwischen den beiden Posten.
Zum nächsten Posten fehlte es mir an Erfahrung. Eine Kreuzung war nämlich in Mangenta eingefasst. Ich interpretierte das als für den Lauf gesperrt. Erst im Nachhinein erkannte ich den dargestellten Becher. So verpasste ich die Verpflegungsstelle und kämpfte mich länger durch eine Wiese, die ich sonst nur kurz hätte belaufen müssen.
Auf dem Weg zu Posten 10 wurde ich dann von Toby überholt, dem ich aber nicht allzu lange folgen konnte. In und nach Rommersheim sah ich ihn zwar noch ab und zu, war aber sehr beeindruckt, wie schnell er wusste, wo es hinzulaufen galt. Immerhin gab es kaum Autoverkehr in dem beschaulichen Städtchen. Posten 11 und 12 waren leicht zu finden, danach ging es wieder auf die Felder. Dort erinnerte Posten 13 auf einem Hügel an einen Geocache, zum nächsten Posten musste die Bundesstraße gequert werden, wo ich einem SUV die Vorfahrt gewähren musste. Nach dem vierzehnten Posten änderte ich kurzerhand die Laufroute, um ein paar Höhenmeter zu sparen. Der Hochsitz von Nr. 15 war schnell ausgemacht, zum nächsten Gebüsch merkte ich bergab durch die Weinberge endgültig die Hitze. Im Ziel hatte ich mächtig Durst und hätte noch weit mehr trinken können als wir dabei hatten.
Keine Bestzeit beim Schlussspurt
Dann waren alle Weinberge bezwungen, zum Abschluss ging es nochmal schattig durch einen Wald. Den vorletzten Posten musste ich allerdings noch einmal etwas länger suchen, ich war mir nicht sicher, welche Schneise als Pfad eingezeichnet war und welche nicht.
Für den letzten Posten und das Ziel brauchte ich dann keine Karte mehr, dennoch reichte es nicht für die schnellsten Zwischenzeiten. Knapp vorbei ist auch daneben.
Immerhin: ich hatte alle Posten gefunden, der Test war geglückt. Ich hatte meinen Spaß und bin wieder ein wenig erfahrener im Orientierungslauf. Zu Buche standen am Ende eine Laufzeit von 1:11:46 h und Platz 4 von sechs. Aus den 9,2 km Luftlinie machten meine Navigationskünste 13,8 (GPS-Messung) Kilometer. Jetzt freue ich mich auf den nächsten Lauf!
Der Überblick
Datum: So, 22. Mai 2022
Ort: Wörrstadt, Deutschland
Wettkampf: Weinberg-OL
Distanz: 9,2 km, 320 Hm
Zeit: 1:11:46 h
Platz: 4.
Crew: Svenja
Schuhe: Hoka One One Rincon 2
Ernährung: –
Fotos: Svenja
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