Es ist etwas ganz Besonderes, wenn die hessischen Meisterschaften beim Heimrennen im eigenen Ort stattfinden. Vielleicht sogar eine einmalige Gelegenheit. Schon als ich im Herbst zur Lesung beim Stammtisch des SC Steinberg war, stand fest, dass die hessischen Halbmarathonmeisterschaften 2024 im Rahmen des Steinberger Volkslaufs stattfinden würden. Obwohl meine langen Läufe derzeit selten länger sind als 20 Kilometer sind, musste ich natürlich dabei sein! Der Start ist keinen Kilometer von unserer Haustür entfernt.
Nachdem ich den Winter mit immer schnelleren Zeiten über zehn Kilometer geradezu grandios gemeistert hatte und im März im Training sogar noch zulegen konnte, war im April „der Wurm drin“. Gleich zwei Mal war ich erkältet, sodass nicht nur der Seligenstädter Wasserlauf ins sprichwörtliche Wasser fiel, sondern auch weitere Trainingseinheiten ausfallen mussten. Das Selbstvertrauen hätte gerne noch ein paar Einheiten gehabt, die gut liefen. Aber: ich war gesund am Start! Eine kleine Schnupfnase hatte mich zu Beginn der Woche anderes befürchten lassen.
Das Heimrennen an einem dieser Tage
Allzu oft hatte uns der diesjährige Frühling noch keine sommerlichen Tage gebracht. Erst einmal hatte ich in diesem Jahr nur ein Trikot angehabt. Zum Laufen habe ich das gern, dabei darf es lieber kühler als zu warm sein. Der Sonntag des Steinberger Volkslaufs war jedoch einer jener Tage, die sich bereits wie Sommer anfühlen, wobei man vom Laufen noch an den teils deutlich kühleren Frühling akklimatisiert ist. Schon beim Start um neun Uhr war es warm – und die Sonne sollte im Verlauf des Rennens mächtig einheizen.
Beunruhigen ließ ich mich von den Wetteraussichten nicht. Schließlich konnte ich daran erstens nichts ändern und zweitens wusste ich noch nicht, was auf mich zukommen würde. Zwar hatte ich bereits am eigenen Leib erfahren, dass es im Steinberger Wald sehr schwül werden kann, die letzten Rennen waren aber schon so lange her, dass die Erinnerungen ausreichend positiv überschrieben waren. Am Vortag hatte ich meinen Lauf auf strava noch damit betitelt, dass ich bereit sei, zu knautschen und mich auf das Rennen freute. Wie gesagt, ich wusste noch nicht, was auf mich zukommen würde.
Wahrscheinlich hätte ich defensiver anlaufen sollen. Ein alter Anfängerfehler. Man lernt eben nie aus.
Wo sind sie denn, die Schnellen?
Der Weg von zuhause reichte nicht, um aufgewärmt zu sein, so nah ist die Heinrich-Mann-Schule von uns aus. Nachdem ich meine Startnummer abgeholt und meinen Beutel abgelegt hatte, lief ich also noch ein paar Meter in den Wald, wo ich prompt einige Vereinskameraden traf. Unter anderem Philipp, mit dem ich einmal mehr zusammenarbeiten wollte. Er ist im Normalfall ein Garant für grandiose Rennen.
Nach kurzer Gymnastik, dem obligatorischen Schuhwechsel, zwei Steigerungen und dem ersten Gel war es bereits Zeit, zum Start zu gehen. Schon jetzt trank ich ausreichend und benetzte Kopf, Arme und Beine mit Wasser. Das tat gut, wie immer war der Effekt aber schnell verflogen.
Im Startbereich waren dann gefühlt nur blaue Trikots um mich herum. Wo waren sie denn, die Schnellen? Fabian (Sposato) und Moritz (Weiß) kamen zwar noch, aber im Grunde waren wir die Schnellen. Am Ende sollten fünf der ersten acht Männer Spiridonis sein, und auch die ersten drei Ränge der Mannschaftswertung gingen an uns. Was eine Teamleistung!
Es lief (zu) gut
Pünktlich um neun Uhr fiel der Startschuss, es konnte endlich losgehen. Ich war verwundert, dass die anderen verhältnismäßig langsam angingen, freute mich aber gleichzeitig über die guten Beine. Die letzten Trainings hatten anderes befürchten lassen. Nie macht das Laufen aber mehr Spaß, als wenn es spielerisch einfach geht.
So dauerte es bis nach dem ersten Kilometer, als es hinab in Richtung Heusenstamm ging, dass sich die ersten Drei abgesetzt hatten und Jonas (Abraham) die Führung unserer Spiridon-Verfolgergruppe übernahm. Jonas, Philipp und Julian Andres Molina Molina waren alles Vereinskollegen, mit denen ich schön durch die heimischen Wälder rollen konnte. Es ging gut – vielleicht zu gut. Die ersten fünf Kilometer passierten wir nach 17:32 Minuten.
Nach der nächsten Wasserstelle ließ ich Jonas und Julian ziehen. Zwar fühlte ich mich noch gut, wollte aber nicht zu viel Kraft aufwenden, nur um den Anschluss zu halten. Philipp blieb zwar zunächst hinter mir, ging bald darauf aber vorbei und arbeitete sich nach und nach zu den anderen beiden nach vorne. Er würde einmal mehr ein herausragendes Rennen zeigen.
Wenn das Heimrennen lang wird
Ich hatte kein Problem damit, selbst für das Tempo zu sorgen. Die Wege, die mir sonst mitunter lang vorkamen, flogen nur so unter meinen Füßen dahin. Schon war die nächste Verpflegungsstelle erreicht, dann ging es die Steigung wieder hinauf, an deren Ende es auf die zweite Runde gehen würde. Die 10-km-Marke passierte ich nach knapp 36 Minuten.
Auf dem Bergabstück zurück zur Verpflegungsstelle griff ich zum Gel, das ich dabeihatte, um ein Energiedefizit zu vermeiden. Etwas Wasser half beim Herunterspülen. Ich merkte aber, dass der Abstand nach vorne deutlich anzusteigen begann. Auch die Zwischenzeiten, die ich hin und wieder überprüfte, waren deutlich langsamer geworden. Nun, mit der Platzierung konnte ich leben. Die Top 8 sind bei einer Meisterschaft immer etwas Besonderes und in meiner Altersklasse sollte ich sogar vorne liegen.
Nach zwei Dritteln der Renndistanz wurde es dann richtig schwer. Im Nachhinein betrachtet war ich sicher bereits dehydriert. So leicht es am Anfang ging, so schwer wurde es nun. Jetzt war es von Nachteil, dass ich genau wusste, wie lang es noch bis zur nächsten Kurve war. Am liebsten hätte ich gar eine Gehpause eingelegt, am Wendepunkt kurz zuvor hatte ich aber gesehen, wie dicht an dicht die Verfolger liefen. Ich wollte mich doch nicht einholen lassen!
Mit letzter Kraft ins Ziel
Ich schaffte es bis zur Steigung, bevor Silvio Welkner zu mir auflief. Das Gute: zum einen zog er nicht sofort vorbei, zum anderen meinte ich mich von der Meldeliste her zu erinnern, dass er in einer anderen Altersklasse startete. So konnten wir uns gegenseitig ziehen, bis nicht nur der Anstieg geschafft, sondern anschließend auch der Parkplatz passiert war. Erst auf dem letzten Kilometer konnte ich nicht mehr folgen und musste ihn ziehen lassen.
Wie froh ich war, endlich den Wald hinter mir zu lassen! Selten war ich so erleichtert, endlich das Zielbanner zu erblicken. Abgesehen von Marathons vielleicht überhaupt noch nie. Dennoch konnte ich mich über Svenja und Jesper sowie meine beiden Nichten freuen, die anfeuernd auf mich gewartet hatten. Im Ziel musste ich mich erst einmal setzen, bevor ich mir etwas zu Trinken holen konnte.
Und tatsächlich: ich war unter die ersten Acht gelaufen und hatte doch glatt meine Altersklasse gewonnen! Ich darf mich hessischer Seniorenmeister nennen! Und auch die Zeit ging mit 1:18:01 h völlig in Ordnung. Beim Steinberger Volkslauf war ich in der Vergangenheit zwar auch einmal schneller (2019), dafür zwei Mal auch schon langsamer (2016 und 2017) gelaufen.
Der Überblick
Datum: So, 26. Mai 2024
Ort: Dietzenbach, Deutschland
Wettkampf: 47. Steinberger Volkslauf
Distanz: 21,1 km
Zeit: 1:18:01 h
Platz: 8.
Schuhe: Nike Vaporfly Next % 2
Ernährung: ein Gel vor dem Start, eins während dem Rennen
Fotos: Thomas, Lars, Florian
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