Was macht man, wenn man in einer Stadt den ganzen Tag alleine Zeit hat? Man könnte durch die Innenstadt bummeln, sich Sehenswürdigkeiten anschauen, Geocaches suchen, eine Fahrradtour machen oder einfach auf dem Hotelzimmer liegen und fernsehen. Teilweise habe ich das auch gemacht, als wir zuletzt in Hannover waren. Hier hat Svenja eine Weiterbildung und ich entsprechend zwei Tage ganz für mich allein.
Schon das letzte Mal hatte ich natürlich nach regionalen FKTs geschaut. Und es gab auch eine: den Grünen Ring um Hannover nämlich. Nur ist die Streckenlänge mit 80 km einfach ziemlich lang. Deshalb war ich an unserem letzten Hannover-Wochenende zwei Mal laufen und drehte eine Runde mit dem Rad. Per Zufall lief ich dabei um den Altwarmbüchener See und radelte auch bereits ein ganzes Stück auf dem Grünen Ring.
Und weil ich mittlerweile meine längste gelaufene Strecke auf dem Grüngürtel auf über 60 km ausgebaut hatte und außerdem – wie im zugehörigen Erfahrungsbericht beschrieben – das Umlaufen von Städten seinen Reiz hat, wollte ich es einfach einmal versuchen, um Hannover zu laufen.
Der Grüne Ring um Hannover
Bent Jakuboski, der die FKT-Strecke erstellt hat, hat sich bei seiner Hannover-Umrundung sehr viel Mühe gegeben, um die Route attraktiv zu machen. Mit seiner Einreichung hat er sehr schöne Fotos hochgeladen: sie zeigen die Weite des Nordens, alte Bauwerke, Wiesen, Wälder und Flüsse sowie ein paar Tiere. Sehr abwechslungsreich und einladend.
Auch sind auf den Fotos immer wieder blau angestrichene Pfosten, Bänke, Bäume und Wegweiser zu sehen: das sind die Wegmarkierungen des Grünen Rings. Blau zu grün – ist doch logisch! Und so viel sei schon vorweggenommen: obwohl es sehr viele blaue Objekte gibt braucht es auf jeden Fall die Route auf einer Karte, sonst verläuft man sich garantiert.
„Die blauen Zeichen markieren den Grünen Ring, eine Fahrradroute, die auf landschaftlich reizvoller Strecke rund um die Landeshauptstadt führt.“
Nordtour des NDR
Die Faszination der langen Strecken
Als mich Svenja eine Woche zuvor fragte, ob ich es wirklich ernsthaft in Betracht ziehe, 80 km laufen zu wollen und ich bejahte, stellte sie die berechtigte Frage, ob ich wisse, dass ich irre sei. Das wusste ich. Gleichzeitig üben lange Strecken auch immer eine gewissen Faszination aus. Jeder kennt das – denke ich zumindest – beispielsweise vom Langdistanz-Triathlon, sei er nun auf Hawaii oder daheim. Weite Strecken sind die ultimative Herausforderung für die eigene Kraft und Geistesstärke. Und ja: nach dem Grüngürtel wollte ich ein weiteres Mal meine Grenzen verschieben. Schaffe ich 80 km an einem Tag? Die Idee war exotisch und verrückt, gleichzeitig aber auch ein pures, unverfälschtes Abenteuer zum Austesten, was überhaupt möglich ist.
Außerdem gibt es, was mir auch schon bei meinem ersten Ultra im Rodgau sehr geholfen hat, immer wieder die Option zum Aussteigen, denn „die gesamte Strecke ist so angelegt, dass sie immer wieder auf das Bus- und Schienennetz des öffentlichen Nahverkehrs trifft.“ Wenn es also nicht laufen sollte oder es mir schlecht ginge, würde ich mich einfach zurück zum Hotel chauffieren lassen.
Die konkrete Planung
Immer wieder hatte ich mir, während ich in den letzten Wochen überlegte, ob ich es wirklich wagen soll, die Strecke angeschaut und überlegt, was der beste Plan wäre. Bei einem Rundkurs kann man schließlich überall starten und enden. Steigungen spielen auf dem Grünen Ring um Hannover keine Rolle, zum einen muss der Startpunkt aber gut von unserem Hotel aus zu erreichen sein, zum anderen sollte es idealerweise im Ziel Verpflegung geben.
Wie Bent und auch Torben Bernhardt, dessen Zeit (7h16’17) es heute zu schlagen galt, fand ich dafür den Altwarmbüchener See als am besten geeignet. Mit der Linie 3 konnte ich in einer guten Viertelstunde bequem anreisen, außerdem gibt es nicht nur am See einen kleinen Kiosk, sondern außerdem auch auf der anderen Seite der Straßenbahn einen Supermarkt. Nun denn, so weit, so gut!
Weil der Trinkrucksack auf dem Grüngürtel eher suboptimal war, weil ich ständig die Länge der Träger verändern musste und hinterher Rückenschmerzen hatte, wollte ich wieder mit meiner Laufweste laufen. Hinein passen ein Wechsel-T-Shirt und meine Windjacke mit Mund-Nasen-Schutz und Geld, ein Riegel, Clif-Bloks und zwei Softflasks, den dritten halben Liter verstaute ich in der Hose, zusammen mit Handy, zwei Gels und einer Laugenstange (auf dem Grüngürtel brauchte ich Salz). Die Flaschen wollte ich unterwegs neu befüllen, dafür sollte es mindestens zwei Möglichkeiten geben.
Auch würde ich andere Schuhe anziehen. Hatte ich mich beim Grüngürtel auf die dicke Hoka-Sohle verlassen, waren mir doch mit der Zeit ab und zu die Zehen eingeschlafen, weshalb ich dieses Mal meine Dauerlaufschuhe mit Einlagen wählte.
Und immer aus den Erfahrungen lernen
Gleichzeitig geht es mir bei meinen FKT-Versuchen um mehr als das Austesten der Grenzen und das Entdecken neuer Landschaften und Orte (nie lernt man Gegenden besser kennen als beim Laufen): ich will auch aus den Extremsituationen lernen, denn je besonderer die Aufgabe, desto spezieller die Anforderungen.
Konkret kann ich für meinen nächsten ernsthaften Marathonversuch schon jetzt ableiten, dass ich unterwegs nicht nur möglichst viele Kohlenhydrate brauche, sondern außerdem recht viel trinken muss. Durch Dehydrierung sinkt die Leistungsfähigkeit massiv ab. Derzeit schwebt mir vor, mich alle fünf Kilometer mit kleinen Flaschen versorgen zu lassen, aus denen ich alle 2,5 km energiereiche Flüssigkeit aufnehme. Ideal dafür ist die bereits beim Wispertaunussteig gelobte neue Hose mit hohem Bund, in dem man ohne Einschränkung des Laufstils viel verstauen kann.
Der Grüne Ring Hannover wiederum hat mir heute außerdem gezeigt, dass für lange Kanten Krafttraining wichtig ist. Die Oberschenkel müssen einiges aushalten. Aber dazu kommen wir erst in ein paar Kilometern:
Jetzt aber los!
Nach aufwändigem Packen im Hotelzimmer, einem kurzen Stopp beim Bäcker, einer Fahrt mit der Straßenbahn und 600 m Spaziergang zum Altwarmbüchener See war ich also an diesem Samstagmorgen am Start angekommen. Bevor es losgehen konnte musste noch ein Baum gegossen, meine Jacke in der Weste verstaut und meine Trinkflasche im Gebüsch versteckt werden. Nach dem Rheingauer Klostersteig, dem Kleinen Mainzer Höhenweg und dem Wispertaunussteig sollte es meine vierte FKT werden. Dieses Mal aber mit Abstand die längste Distanz.
Dennoch wollte ich es nicht zu gemütlich angehen. Natürlich darf man nicht zu schnell laufen, auf der anderen Seite wird irgendwann auch die bloße Dauer anstrengend. 4‘30/km scheint mir dafür derzeit ein guter Kompromiss zu sein. Um zu Beginn möglichst einfach nur zu rollen und entspannt zu bleiben, lief ich mit Musik auf dem Ohr los. So machte ich mir keinen Kopf darüber, wie abstrus viele Kilometer noch vor mir liegen, sondern lief einfach. Das Tempo passte sehr gut.
Unangenehm war zu Beginn nur, dass ich schon wieder hätte austreten können, was ich mir aber verkniff, um keine Zeit zu verlieren und ins Laufen zu kommen. Außerdem setzte bald schon spürbar Gegenwind ein, der mich sehr lange – gefühlt bis Garbsen (km 55) – nervte.
Durch den grünen Misburger Wald ging es einem Grünen Ring angemessen streckentechnisch erst einmal angenehm los. Einige der Wege kannte ich durch meinen langen Lauf zum Altwarmbüchener See bereits. So war der Mittellandkanal nach guten fünf Kilometern schnell erreicht.
Gleich zu Beginn die erste Baustelle
Am Kanal hätte es schön rollen können. Nach noch nicht einmal neun gelaufenen Kilometern wurde ich aber von der ersten Absperrung aufgehalten. Weil keine Umleitung ausgeschildert war – warum wird das für Fahrradwege eigentlich nie ordentlich gemacht? –, war Improvisation gefragt. Ich lief also den nächstmöglichen Weg nach Anderten hinauf und hatte Glück: auf Anhieb erwischte ich eine passende Parallelstraße und war schnell wieder auf der FKT-Strecke zurück. Uff. Positiv war dabei, dass ich zwei wirklich schöne Katzen sah, für die Svenja bestimmt angehalten hätte.
Nach elf Kilometern ging es dann rechts aufs Feld, auch hier war ich bereits einmal entlang geradelt. Eine sehr schöne Ecke! Erste Bissen meines Müsliriegels kauend ließ ich es weiter rollen und genoss das gute Laufgefühl.
Nachdem dann das Kaiserdenkmal Kronsberg (km 14,5) und ein gefährlich aussehender aber völlig harmloser Hund passiert waren (wie schon auf dem Grüngürtel gab es keine negativen Zwischenfälle), lag Hannover gut sichtbar zu meiner Rechten. Hier oben wäre es sehr angenehm zu laufen gewesen, hätte nur die ständig der Wind steif von vorne geweht.
Dennoch konnte ich mir – und das ist bei solch einem langen Unterfangen keine Selbstverständlichkeit – dort ein Segment holen, wobei die Messlatte auch nicht allzu hoch hing. Es war dennoch das erste Zwischenziel. Durch eine lange Allee ging es dann im Anschluss den Anstieg, den es die letzten Kilometer hinauf gegangen war, zügig bergab. Schon war der südlichste Punkt des Grünen Rings erreicht.
Ausgebremst wurde ich nach ca. 18 km vor dem Ortseingang Laatzen: bei der Wahl zwischen Pfad und Straße entschied ich mich für den Pfad, der aber leider in einer Sackgasse endete. Statt kehrtzumachen und 300 m zurückzulaufen sparte ich mir lieber 600 m Umweg und kletterte einen Abhang hinauf. Alles noch kein Problem.
Die Messe weckt Erinnerungen
Hinter der TUI Arena liegt auch das Messegelände im Süden von Hannover. Dort erinnere ich mich nicht nur gerne an die HMI, sondern auch an die EXPO 2000. Mittlerweile sind die Gebäude schon so lange dem Verfall preisgegeben, dass man einige Plätze als „lost places“ bestaunen kann.
Weiter im Laatzener Stadtteil Grasdorf verlief ich mich dann gleich das nächste Mal. Dort waren die vielen möglichen Abzweigungen auf der Karte auf die Schnelle einfach nicht auseinanderzuhalten. Dieser Rhythmusbruch war aber schnell vergessen, denn etwa bei der Halbmarathonmarke entdeckte ich einen Brunnen, den ich spontan dazu nutzte, meine fast schon leere erste Softflask wieder aufzufüllen. 0,5 kg schwerer ging es dann weiter, jetzt in Richtung Maschsee.
Ebenso war bereits in Laatzen der Akku meines Kopfhörers leer. Es war nicht unbedingt die glücklichste Ecke für mich, was ich aber erst jetzt im Nachgang realisiere.
Durch das folgende Naturschutzgebiet Alte Leine läuft man fast zehn Kilometer lang, teilweise auf kleinen Pfaden. So stelle ich mir einen Grünen Ring vor. Überhaupt war der Grüne Ring um Hannover deutlich grüner als der Grüngürtel um Frankfurt. Auch um Hannover gab es aber natürlich auch unangenehme Ecken, teilweise geht es beispielsweise an großen Bundesstraßen entlang.
Mit dem ersten Gel, das ich dort verspeiste, sendete ich auch einen Zwischenstand an Svenja: „Bisher läuft es sehr gut!“, das zeigte auch die Zwischenzeit, denn trotz Abhang, Brunnen und wärmeren Temperaturen als erwartet lag der Schnitt noch bei 4‘32/km.
Zurück in Richtung Norden
Hemmingen südlich passierend wartete dann die nächste Baustelle auf mich, natürlich wieder ohne Umleitung. Weil allerdings nur die Asphaltdecke fehlte und es keine offensichtliche Alternative gab, lief ich zunächst einfach weiter. Auch nutzte ich die erzwungene Verzögerung, um schließlich doch den Kaffee wegzubringen. Erleichtert lief es gleich viel besser – aber nur kurz. Der ehemalige Radweg mündete nämlich in eine wohl neu gebaute zukünftige Bundesstraße. Mir blieb keine andere Möglichkeit, als die neuen Leitplanken zu überklettern und dann eine neue Brücke hinaufzulaufen, um dann endlich wieder auf Kurs zu sein. Dabei merkt man dann doch, dass bereits 30 km in den Beinen stecken.
In Richtung Wettbergen lief es sich dann aber weiterhin gut, jetzt auch ohne weitere Zwischenfälle. Am Sportpark am Empelder Ententeich wurde Fußball gespielt, wobei doch sicherlich mir lautstark zugejubelt wurde und nicht etwa, weil gerade ein Tor gefallen war.
Nach etwa zweidreiviertel Stunden wurde es dann Zeit für ein erstes Drittel meiner Laugenstange. Das Salz tat gut, verstärkte aber die Durst-Problematik. Mir wurde gewahr, dass es ganz schön warm geworden war, obwohl es laut Wetterbericht nicht wärmer als 22 °C werden sollte. Ich würde also vermutlich deutlich mehr Flüssigkeit brauchen, als die 3,5 l, die durch ein weiteres Mal auffüllen meiner drei Softflasks zusammenkommen würden. Zum Glück hatte ich mir auf Anraten meines Vereinskameraden Lothar an der Strecke liegende Friedhöfe notiert, dort sollte es laut seiner Aussage öffentlich zugängliches Trinkwasser geben.
Mit der Marathonmarke nach etwa 3h15 lief es dann auch nicht mehr ganz so fluffig wie zu Beginn. So war der Brunnen, den ich entdeckte, eine willkommene kurze Pause. Zwar musste ich manuell pumpen, was zum Auffüllen etwas unpraktisch war, ich konnte aber etwas trinken, 1,5 l Wasser mitnehmen und hatte etwas Kühlung direkt am Oberkörper anliegend. Der kleine Anstieg hinter dem Kriegsfriedhof von Hannover war dennoch anstrengender als er sein sollte. Eigentlich hatte ich gehofft, mindestens bis km 50 gute Beine zu haben. Nun gut, ich konnte ja jederzeit einfach aussteigen. Erst einmal weiterlaufen.
Cola ist ein Wundermittel
Die Möglichkeit, die sich ein paar Kilometer später am Ortsausgang von Letter bot, nutzte ich dann spontan: kurzerhand bog ich zur Tankstelle ab und kaufte mir einen halben Liter Cola. In der Folge nutzte ich drei kurze Gehpausen, um die Flasche abzupumpen und neue Energie zu bekommen. So lief es dann weiter in Richtung Garbsen über den Stichkanal Hannover-Linden und dann über den Mittellandkanal.
Kurz dachte ich erneut, eine Baustelle blockiere meinen Weg, zum Glück ging die Route aber genau an der Absperrung links ab. Glück gehabt. An den Hinüberschen Gärten schickte ich dann die nächste Statusmeldung an Svenja. Jetzt nicht mehr ganz so euphorisch wie 25 km zuvor, dennoch aber optimistisch, denn für die verbleibenden 30 km blieben noch gute drei Stunden.
In der folgenden Stunde verstärkte sich dann mein Eindruck, Seitenstechen zu haben. Auch heute, am Tag danach, spüre ich noch die Rippen dort, wie die Flaschen in der Weste steckten. Das war sehr unangenehm und behinderte die Atmung. Erst mit der Zeit kam ich auf die Idee, den unteren Haltegurt zu öffnen, wodurch sich der Druck milderte.
Mit dem Forst Heidehaus waren im Vorfeld aber bereits 55 km gelaufen und die nordwestlichste Ecke des Grünen Rings Hannover erreicht. Es ging sozusagen nur noch zurück. Und das immer wieder auf schönen Waldwegen. Wären die großen, dreckigen Straßen nicht, die heutzutage wohl zwangsläufig zu einer Großstadt dazugehören, es wäre eine sehr angenehme Runde fernab der Stadt durch die Natur. Immerhin hatte ich oft Glück mit den Ampeln: mehrmals sprangen sie genau auf Grün, als ich ankam. Hannover gefällt mir als Großstadt also weiterhin sehr gut.
Auf der letzten Rille
An einem Kinderwald mit bemalten Kunstwerken aus Holz vorbei geht es dann nach 58 km erneut am Mittellandkanal entlang, bevor die Strecke ab dem Mecklenheider Forst noch einmal gen Norden abbiegt. Frisch war ich jetzt wirklich nicht mehr, ich musste mich richtig konzentrieren, um die richtigen Abzweigungen zu erwischen. Es wurde also Zeit für eine zweite Cola.
Torben hatte bei seinem Lauf um Hannover nach etwa 62 km einen Supermarkt gefunden, den ich jetzt auch ansteuern wollte. In Godshorn wollte aber einfach kein Geschäft auftauchen, sodass ich recht verzweifelt in eine Bar stolperte, in der noch Gäste beim Mittagessen saßen. Kundschaft brauchte der Wirt wohl aber nicht, ebenso wenig wie gutes Karma. Mit einem unfreundlichen „geschlossene Gesellschaft“ ignorierte er meine Bitte einfach. Seine Kollegin erzählte auf Nachfrage zumindest etwas von einem Kiosk, der aber in der falschen Richtung lag. Ich hoffte das Beste und lief erstmal weiter.
Wieder hatte ich Glück, denn drei Brücken später tauchte in Langenhagen ein Supermarkt auf. Der große Parkplatz bedeuteten zwar 200 Extrameter, die waren es mir aber Wert. Und im Gegensatz zum Wirt von eben war die Kassiererin ausgenommen freundlich, sodass ich mit einem Lächeln auf die verbleibenden Kilometer gehen konnte.
Gute 15 waren es jetzt noch, und so langsam musste ich mich sputen, wenn ich an meinem Vorhaben einer neuen FKT festhalten wollte. Über fünfeinhalb Stunden war ich nämlich bereits schon unterwegs.
Die einem Seitenstechen ähnlichen Beschwerden waren durch den offene Gurt mittlerweile erträglich, so langsam wollten aber meine Oberschenkel nicht mehr. Zum Glück blieb ich bis zum Ende von Krämpfen verschont, dennoch braucht es für solch lange Strecken wohl mehr als meine gelegentlichen Ausfallschritte und Kniebeugen.
Moderne Welt der Technik
Sehr hilfreich ist meine neue Uhr nicht nur deshalb, weil ich so sehr praktisch immer den richtigen Weg angezeigt bekomme, sondern außerdem, weil ich so Nachrichten lesen kann, ohne das Handy herauszukramen. So konnte ich jetzt auf dem kleinen Display die virtuellen Anfeuerungsrufe von Svenja, Philipp und Johannes lesen.
Dennoch aber ging es nicht mehr wirklich schneller. Die Oberschenkel mussten angetrieben werden, ich wusste schon jetzt, dass ich mir Muskelkater einhandelte. Aber mit bereits 70 gelaufenen Kilometern gibt man natürlich nicht mehr wegen müder Beine auf.
Sehr demotivierend war zuvor nur eine Stelle bei km 68, bei der ich eine blau eingefärbte Stelle auf der Karte als Fluss deutete und so zu früh, nämlich vor der Brücke, links abbog. Gemeint war aber wohl eine Art Feuchtgebiet, sodass ich zur Umkehr gezwungen war. Zur Galopprennbahn Neue Bult wollte ich nicht.
Dann waren es irgendwann nur noch acht Kilometer und es ging über ein heißes Feld. Dann waren es nur noch sechs Kilometer und ich konnte trotz meines Schleichschritts noch andere Jogger überholen. Das Ziel fest im Blick kam ein weiterer Anfeuerungsruf von Svenja auf die Uhr, dass ich die FKT deutlich unterbieten werde. Ich war mir nicht mehr so sicher. Wenn die Oberschenkel versagen würden, wären auch 40 Minuten für fünf Kilometer nicht allzu lang. Und durch die kleinen Umwege würden es mehr als 80 km werden. Jetzt zählte jeder Meter.
Einmal um Hannover
Dann aber war der Altwarmbüchener See auf den Rad-Wegweisern ausgeschildert. Nur noch drei Kilometer und die Oberschenkel hielten. Meist interessiert es mich nicht, was andere Leute von mir denken, jetzt fragte ich aber, ob man die Evolution des Ultralaufens wohl erahnen kann? (Auch später beim Aussteigen aus der Straßenbahn schmunzelte ein Mann, als er mich recht unrund laufen sah – ob er wohl an den eigenen Marathon erinnert wurde?) Schließlich ist man zu Beginn nur ein normaler Dauerläufer, dann Halbmarathoni, Marathoni und am Ende Ultraläufer. Pro Wegstrecke ist man also in gewisser Weise auch ein anderer Läufer.
Viel wichtiger als diese Fragen waren aber natürlich die verbleibenden Meter. Denn schließlich war der See erreicht. Auch die letzten 300 m waren noch einmal lang, es würde aber wirklich reichen! Nach 7h06’56 stoppte ich exakt dort, wo ich am Morgen losgelaufen war (auf strava sieht es so aus als fehlten ein paar Meter, obwohl ich aber wirklich genug hatte legte ich Wert darauf, genau bis zum gleichen Querweg zu laufen).
Nach einem tiefen Verschnaufen steuerte ich direkt das See-Café an. Zeit für weitere 1,5 l Getränke. Prost auf eine neue FKT!
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