Im Hunsrück auf dem Canyon Trail für eine neue FKT

Canyon Trail: eine FKT im Hunsrück

Eigentlich war alles anders geplant. Genauso habe ich auch den aktuellen LaufReport zum NN Mission Marathon in Enschede begonnen. Dabei ging es um eine Verlegung sowohl des Datums als auch des Austragungsorts. Auch bezüglich unserer Wochenendplanung war Flexibilität gefragt, denn ursprünglich hatte ich zusammen mit Johannes einen neuerlichen Anlauf auf die FKT des Rheingauer Klostersteigs geplant, die uns Matthias im letzten Sommer um nur eine halbe Minute abgenommen hatte. Ich hatte mich schon sehr auf den Rheingau gefreut und mich für unseren Lauf auf den langen Anstieg zu Beginn sowie auf möglichst deutlich schnellere Downhills eingestellt. Dann jedoch musste sich Johannes eingestehen, dass er sich eine Erkältung zugezogen hatte. Ganz abgesehen von allen anderen Vorsichtsmaßnahmen war eine wettkampfähnliche Belastung nicht vernünftig. Schweren Herzens mussten wir unser Vorhaben verschieben.

Dennoch sehnte ich mich nach einem Abenteuer, nach Abwechslung vom Alltag, nach einem Ortswechsel. Da war doch noch was: hatte nicht Jamie vom Canyon Trail im Hunsrück erzählt? Ja, hatte sie: diese FKT-Strecke wurde als Kombination der beiden Schluchten von Baybachklamm und Ehrbachklamm beschrieben, die außerdem noch schöne Aussichten zu bieten habe. Das hörte sich doch gut an! Weitere Informationen waren allerdings schwer zu finden. Es gab zwar die Strecke als gpx-Datei, eine Linie auf der Karte mit einem Höhenprofil kann aber vieles bedeuten. Nun, ich wollte es darauf ankommen lassen.

Team Heidl ist unterwegs

Team Heidl auf dem Hunsrück Canyon Trail
#teamheidl

Schön finde ich immer, dass Svenja selbst meine verrücktesten Ideen nicht gleich rundheraus ablehnt, sondern pragmatische Rückfragen stellt, sodass wir schlussendlich meist die abstrusen Einfälle verwerfen und dennoch immer wieder zu tollen Ausflügen aufbrechen. Im Fall des Canyon Trail reicht ihre derzeitige Fitness allerdings nicht für etwa 40 km Wegstrecke mit mehr oder weniger 1000 Höhenmetern. Wir wollten entsprechend unabhängig voneinander, jedoch per moderner Kommunikationstechnologie verbunden, die Gegend erkunden: Svenja die Baybachklamm, ich den Canyon Trail. Weil es vor Ort zwar nicht überfüllt war, man dennoch aber immer wieder Wandernden begegnete, sollte alles im grünen Bereich sein.

Um insgesamt dennoch möglichst viel gemeinsame Zeit zu verbringen, wollten wir im Anschluss an unsere Touren noch den Aufwand der knapp 90-minütigen Anfahrt nutzen, um in einem wahren Lebensmittel-Paradies einzukaufen.

Auf zum Canyon Trail

Es wurde auch ein wirklich schöner Tag. Wie sehr sich die Tage unter der Woche aktuell gleichen merkt man auch daran, wie schön es ist, wenn man schließlich doch wieder etwas unternehmen kann.

Als Startpunkt hatten wir uns den Wanderparkplatz Heyweiler ausgesucht, wo bereits einige andere Fahrzeuge geparkt waren. Dort stand auch nicht nur ein scheinbar extra für mich aufgestellter Start- und Zielbogen mit der Aufschrift „Traumschleife Baybachklamm“, sondern auch weitere Informationstafeln. Kaum waren ein paar Bilder gemacht sowie Schuhe und Rucksack geschnürt, konnte es auch schon losgehen. Die Verbindung per Handy stand, ein Kuss, dann ging es zu Beginn erst einmal bergab, hinab zum Buchbach, der kurz darauf in den Baybach münden würde.

Svenja hatte bei der genaueren Betrachtung der FKT-Strecke gefragt, nach welcher Beschilderung gelaufen würde – und hatte damit wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen: gerade zu Beginn hatte ich große Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden. Gleich an der ersten Abzweigung lief ich in den falschen Weg, auch in der Folge musste ich mich eher an dem zum Glück dargestellten Fluss orientieren, meine Uhr wähnte mich oft in einiger Entfernung. Da wären Schilder sehr hilfreich gewesen, insbesondere, weil einige Wege der Strecke sehr verlassen und nur sporadisch genutzt wirkten. Auch lagen vor allem auf den ersten fünf Kilometern viele Bäume quer über dem Weg, die es zu überklettern oder zu Umlaufen galt. Es war weder möglich, in einen Laufrhythmus zu finden, noch die schönen Pfade am Flussrand zu genießen. Fast war ich von den Umständen zu Beginn so genervt, dass ich umgedreht hätte. Zum Glück entschied ich mich fürs Weiterlaufen!

Flüsse, Wald und Wiesen

Denn abgesehen von diesem wohl suboptimal gewählten Wegabschnitt ist die Gegend wirklich schön. Immer wieder geht es über kleine Brücken, immer wieder erklimmt der Pfad den Hang neben dem Fluss und führt wieder hinab, mal steil, mal weniger steil. Ab und zu darf man kraxeln und auch ein wenig klettern, hin und wieder lädt ein Wasserfall zum Staunen ein.

Flüsse, Wald und Wiesen

Nach den beschwerlichen ersten fünf Kilometern waren die folgenden Abschnitte über kleine Auen umso angenehmer. Mit dem Fluss zur Rechten glitt der Pfad endlich über Wiesen dahin. Mein Gesamtschnitt lag bis dorthin aber bereits weit über sechs Minuten pro Kilometer. Das sind Zahlen, die ich sonst bei uns im Flachen nie zu sehen bekomme und mit denen ich erst einmal zurechtkommen muss. Besonders, wenn insgesamt doch die Zeit zählt!

Mittlerweile hatte ich die Burg Waldeck passiert, ohne etwas davon mitzubekommen. Die mittelalterliche „Rheinische Jugendburg“ ist seit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 zerstört und wird bei Wikipedia mit dem Erhaltungszustand „Ruine“ geführt. Dieses Attribut passte doch gut zum bisherigen Abschnitt des Canyon Trail. Jetzt würde es besser werden.

Nach viel Auf und Ab am Flussrand ging es jetzt zum ersten Mal auf einem breiteren Weg etwas länger bergauf. Hier hatte ich Glück und erwischte per Zufall den richtigen Weg, sodass ich immer besser in Schwung kam. Lieber stetig bergauf als immer wieder mit Stopps bergab! Dann hielt ich jedoch wieder ganz plötzlich an. Zu meiner Linken war ein Wohngebäude aufgetaucht, dessen Umzäunung nur bis zu einer Art Gartenhütte reichte. Auf der anderen Seite des Zauns: zwei große, aggressive Hunde, die laut bellend in meine Laufrichtung stürmten. Würden sie gleich hinter der Hütte hervorkommen, um ihr Revier gegen mich zu verteidigen?

Der erste Aussichtspunkt des Canyon Trail

Die Schrecksekunde verging glücklicherweise, ohne dass die Hunde auftauchten. Vorsichtig löste ich mich aus meiner Schockstarre und wagte weitere Schritte. Auf der anderen Seite der Hütte war zu meiner großen Erleichterung ein massives, geschlossenes Tor, an dem ich mich beeilte, vorbeizukommen. Puh!

Schilder des Saar-Hunsrück-Steigs

Als nächstes wartete der erste richtig steile Anstieg auf mich, der mit dem noch deutlich erhöhten Adrenalinspiegel jedoch keinerlei Probleme bereitete. Schon war ich oben beim ersten Aussichtspunkt der Strecke, dem Morshausener Eselchen. Dieser Abschnitt erinnerte mich stark an den schönen Wispertaunussteig. Nach verschlungenen, steil ansteigenden Pfaden auf trockenem Waldboden durch knorzige Bäume öffnete sich oben das Blickfeld ganz plötzlich und gab eine Fernsicht über ein geschwungenes, grünes Tal frei. Ein so toller Ausblick, dass ich mir bei einer kurzen Pause sogar erlaubte, den morgendlichen Kaffee wegzubringen. Dann ging es aber direkt weiter, schließlich läuft die Gesamtzeit.

Mittlerweile folgte die FKT-Strecke dem Saar-Hunsrück-Steig, auch die Beschilderung erinnerte an den Rheingau. Allein dadurch lief es sich gleich viel flüssiger. Diese ersten, luftigen Höhen gingen wenig später in eine Art Hochebene über, wo der Pfad durch Wiesen führte und der Wind zum ersten Mal ordentlich blies. Bevor es wieder recht steil hinab ging, wartete noch der Ehrenburgblick auf mich: die Burg war mein nächstes Ziel.

Von Burgen und Schluchten

Gefühlt war ich schon Ewigkeiten unterwegs, auf der Uhr standen aber gerade einmal 13 Kilometer. Das erste Drittel des Canyon Trail hatte es wirklich in sich – würde es so weitergehen, würde ich deutlich länger brauchen als die in etwa anvisierten 3,5 Stunden.

Ein paar Gebäude bedeuteten eine Andeutung von Zivilisation, jedoch kein wirkliches Auftauchen aus dem Hunsrücker Wald. Bevor der nächste steile Anstieg wartete, ging es für ein kurzes, sehr schönes Stück beschaulich an einem Bachlauf entlang: es war schon der erste Blick auf meinen nächsten Begleiter, den Ehrbach. Zuvor galt es auf dem Canyon Trail allerdings, die Ehrenburg zu stürmen. Diese wurde „auf einem Felssporn im Ehrbachtal, einem Seitental der Mosel“, erbaut. Die Bezeichnung Felssporn traf es dabei sehr gut: fast senkrecht ging es erst bergauf, dann kurz durch die Burg und dann im freien Fall wieder hinab.

Zurück auf dem Boden der Tatsachen, bzw. in diesem Fall zurück auf der Höhe des Ehrbachs, war fast die Hälfte der Strecke geschafft. Gleichzeitig begann ein Anstieg, der zwar nicht steil war, sich aber stetig über etwa 12 km zog. Auf der Rhein-Mosel-Straße nach Gondershausen, was dann zu meiner Rechten liegen würde, ist dann der höchste Punkt erreicht und das Finale kann eingeläutet werden.

Zunächst aber zeigten die Wanderschilder immer weniger verbleibende Kilometer bis zur Ehrbachklamm. Aufgrund der vielen Tafeln und Schilder war ich schon sehr gespannt auf den Abschnitt. Dort schließlich angekommen traf ich auch deutlich mehr Wanderer als bisher, die auf der sonstigen Route nur sehr sporadisch auftauchten.

Die Ehrbachklamm

Ein breiter, federnder Waldweg durch Laubbäume, die gerade erste grüne Blätter trugen, führte in der Folge zu einem Abzweig, ab dem ein paar Naturstufen nach unten führten. Schon war ich in der Ehrbachklamm. Wie zu Beginn ging es am Hang neben dem Fluss mal hinauf, mal hinab. Diesmal zwar flussaufwärts und damit tendenziell stetig bergan, glücklicherweise aber ohne querliegende Bäume.

Dann wurde es noch spannender, denn neben kleineren Wasserfällen (jetzt waren auch immer öfter größere Kameras zu sehen) wurde der schmale Pfad immer wieder von kurzen Kletterpassagen durchbrochen. Meist half dabei ein Stahlseil, das in den Felsen befestigt war. Ein schöner Abschnitt!

Der Canyon Trail

Auf dem Weg zur letzten Spitzkehre, bevor es quasi nur noch auf direktem Weg zurück zum Parkplatz gehen würde, trank ich wohl etwas zu gierig: durch den hohen Druck, mit dem ich die Softflask zusammendrückte, explodierte förmlich der Deckel, sodass ich etwas verdattert aus der Wäsche schaute und den nach der Ehrbachklamm fragenden Wanderern nur im Vorbeilaufen ein „einfach immer weiter, ihr seid auf dem richtigen Weg!“ zurief. Auf dem Oberkörper verteilt bringt die Verpflegung herzlich wenig. Zum Glück wurde nicht allzu viel verschüttet. Den Deckel wieder auf die Flasche und weiter ging es.

Nach der Klamm und dem kurzen Waldabschnitt folgte ein breiter Forstweg. Von früher habe ich die Bezeichnung „Höhenmeterfresserweg“ noch immer im Wortschatz, weil auf solchen Wegen recht schnell und einfach Höhenmeter gemacht werden können. Ich nutzte eine kurze Gehpause, um meine Flaschen leer zu trinken (2,5 h war ich bereits auf dem Canyon Trail), während mir auffiel, dass ich schon lange nichts mehr von Svenja gehört hatte. Ich hatte schon länger keinerlei Empfang. Auch mein mich virtuell repräsentierender Punkt hatte für ca. eine Stunde auf dem gleichen Fleck verharrt.

Noch während ich tippte, trudelten dann doch Nachrichten ein. Die Brieftauben hatten erst den Weg in die Klamm finden müssen. Und während Svenja die Fledermaushöhlen erkundete lautete mein Status: nur noch zehn Kilometer. Drei Viertel der Runde waren bereits gelaufen.

Finale auf dem Canyon Trail

Ein ganzes Stück ging es nun über Felder, ab Überquerung der bewussten Bundesstraße auch wieder tendenziell bergab. Ich freute mich, mal wieder größere Schritte zu machen und einen Hauch von Tempo aufzunehmen. Für alle Fälle füllte ich eine Flasche bei einer Flussdurchquerung zur Hälfte, zu heftig hatte ich die Auswirkungen von Dehydrierung schon erfahren müssen. Heute würde ich das Wasser aber nicht mehr brauchen.

Start und Ziel des Hunsrück Canyon Trail

Bald war nämlich bereits die Baybachklamm ausgeschildert, sodass das Ende immer konkreter in Sicht kam. Schon führte die Route auch wieder in den Wald, machte einen Schlenker, dann kamen mir die Pfade fast schon bekannt vor. Allzu ähnlich wie zu Beginn der Tour verlief der Pfad neben dem Bach, sich wieder am Hang hinauf- und hinabschlängelnd. Und natürlich lag direkt auch wieder ein Baum quer über dem Weg. Also erneut fast senkrecht den Hang hinauf, durch ein paar Äste hindurch, und auf dem Hosenboden wieder hinab. Viel konnte jetzt nicht mehr kommen, entsprechend war die Frustration darüber deutlich geringer als kurz nach dem Start.

Auf den letzten beiden kleineren Anstiegen wurde ich sogar von Wanderern, die mich freundlicherweise passieren ließen, angefeuert, bis schließlich der Bachlauf verlassen und die letzten Serpentinen zurück hinauf zum Parkplatz in Angriff genommen wurden. Ich konnte noch locker laufen, meine neue Verpflegungstaktik mit einem Getränkepulver, das mir Georg empfohlen hat, klappt derzeit wunderbar, sodass ich auch nach 3,5 h Laufzeit nicht völlig erschöpft war.

Svenja wartete schon hundestreichelnd und zurückwinkend am Auto, sie hatte eine tolle Wanderung hinter sich und nicht nur kleine Schieferplatten, sondern ebenso wie ich neue Eindrücke im Gepäck. Ich lief noch die paar Meter bis zu meinem Ausgangspunkt weiter und stoppte dort die Uhr nach 3h37’21.

Zurück in der Zivilisation, zurück in den Alltag

Der Canyon Trail war ein sehr schöner Ausflug und ein kurzer Ausbruch aus dem Alltag, der durch den Kontrast umso schöner war. Auf dem Rückweg stand aber noch ein Programmpunkt an. Denn was ist das Anstrengendste an einem Lauf über 3,5 h? Richtig, das Einkaufen danach!

Als Belohnung gab es nicht nur eine große Auswahl von frischem Obst und Gemüse, sondern außerdem eine Apfelschorle, die noch vor dem Starten des Motors halb geleert war. Prost!

Der Überblick
Datum: Sa, 17. April 2021
Ort: Beltheim, Rheinland-Pfalz, Deutschland
Wettkampf: FKT Canyon Trail (Germany)
Distanz: 40 km, 1100 hm
Zeit: 3:37:21 h
Crew: – (unsupported)
Schuhe: Hoka one one Challenger ATR 5
Ernährung: 1 l xenofit competition Früchtetee
Fotos: Svenja