Wieder war es ein wunderbar sonniger Frühlingsmorgen, der uns beim Seligenstädter Wasserlauf empfing. Seligenstadt ist ja immer einen Ausflug wert – hierher lässt es sich wunderbar radeln und dann ein Eis essen – heute aber ging es weniger um den angenehmen Müßiggang denn um den finalen Feinschliff für den anstehenden Frühjahrsmarathon: in exakt drei Wochen findet der Hamburg Marathon statt!
Dafür ist die Gefühlslage recht positiv. Nach der Saisonpause war die Form schnell wieder auf einem guten Niveau, schon Ende Januar lief es in Dudenhofen marathonspezifisch sehr gut und über 10 km konnte ich in Jügesheim und Rodenbach sehr gute Rennen zeigen. Hinzu kamen einige starke Trainingseinheiten, bei denen ich mich teilweise selbst überraschte. In Summe kann es also ein sehr guter Marathon werden.
Nachdem das Marathontraining (mit dem Wettkampf, langen Intervallen, Tempowechselläufen und einem Überdistanzlauf) letzte Woche aber seinen Höhepunkt erreichte und gleichzeitig noch die Zeitumstellung hinzukam, fühlte ich mich am Wasserlauf-Wochenende nicht allzu frisch. Würde ich dennoch meinen Vorjahressieg wiederholen und außerdem ein gutes Rennen zeigen können? Ziel war, alles genauso wie am Marathonmorgen zu machen, um Routine zu bekommen.
25 km in Seligenstadt
Los ging es also am Sonntagmorgen mit einer Tasse Tee. Ich wollte testen, ob ich die vielleicht besser vertrage als Kaffee. Der aufputschende Effekt blieb aber aus, sodass ich mir noch nicht sicher bin, wie ich vor dem Marathon verfahren werde. Für den Wasserlauf wäre es vermutlich besser gewesen, so wie vor dem Frankfurter Halbmarathon in der Frühe zehn Minuten zu traben, um den Kreislauf in Schwung zu bringen.
Entsprechend langsam war dann auch das Einlaufen. Immerhin hatte ich durch Thomas nette Begleitung – wir scheinen uns in letzter Zeit nur noch bei Laufveranstaltungen zu treffen. So richtig aufgeweckt wurde ich dann nicht durch das erste Gel mit Koffein, das ich direkt vor dem Startschuss nahm, sondern durch den Sprint, mit dem unser Rennen begann: Moritz (Milch) und Dominic (Stahl) meinten es – trotz der langen Wettkampfdistanz – so richtig ernst und starteten das Rennen wie einen Crosslauf. Ich ließ sie erstmal ziehen und begann wie bei einem Marathon: möglichst schnell im eigenen Rhythmus.
Nach etwas mehr als einem Kilometer passierte ich dann Moritz und schloss bald zu Dominic auf, an dessen Fersen ich mich zunächst hängte. Nach drei Kilometern hätte ich gerne die Führungsarbeit übernommen, wurde von Dominic aber nicht vorbeigelassen: sobald ich neben ihn lief, beschleunigte er. Dadurch wurde es auf der langen Distanz schnell ziemlich unrhythmisch. Und das so sehr, dass er bei seiner nächsten Beschleunigung (etwa nach 4 km) eine Lücke riss und mir ein Stück weglief. Bei km 5 (17’53) hatte ich schon etwa 40 m Rückstand.
Das war so natürlich nicht geplant. Zu zweit läuft es sich einfacher, so war ich direkt in die Defensive gedrängt. Ich versuchte locker zu bleiben und mich langsam wieder heranzuarbeiten. Zunächst funktionierte das gar nicht, die Lücke wurde sogar noch ein Stück größer, dann kam ich aber doch wieder näher. Durch die Kurven und Wellen vor dem Wendepunkt konnte ich weitere Meter gewinnen sodass ich bis zum Wendepunkt endlich wieder aufgeschlossen hatte.
Doch die psychologische Kriegsführung war noch lange nicht beendet: direkt mit dem Wendepunkt beschleunigte Dominic wieder und riss gleich die nächste Lücke!
Schon frühzeitig abgeschrieben
Der uns jetzt entgegenkommende Lorenz erzählte mir hinterher bei der Siegerehrung, dass er mich zu diesem Zeitpunkt schon abgeschrieben hatte. 150 m Vorsprung (aus meiner Sicht waren es etwas weniger als beim ersten Mal) seien nach einem Drittel der Strecke schon die Vorentscheidung. Er hätte getippt, dass das Rennen schon entschieden sei.
Was ein Glück, dass ich seine Auffassung nicht teilte. Für mich war alles noch offen, insbesondere, weil bereits bei 25 km Wettkampfdistanz (25 km sind sehr viel mehr als ein Halbmarathon!) auf den letzten fünf Kilometern sehr viel passieren kann. Aber soweit wollte ich es eigentlich nicht kommen lassen.
Auch von den anderen entgegenkommenden Läufern waren die Kommentare sehr unterschiedlich: manche riefen Dominic seinen Vorsprung zu, manche klatschten oder feuerten an und manche meinten eben auch:
„Auf geht’s Markus! Den kriegst du noch!“
Der Meinung war ich auch. Wie beim ersten Mal kam ich schließlich Stück für Stück näher (10 km waren nach etwa 35’50 passiert), machte bei der Verpflegungsstation einige Meter gut und hatte nach 11 km endlich auch die zweite Lücke geschlossen.
Wieder beschleunigte Dominic, diesmal hatte ich mich aber darauf eingestellt und blieb dran. Es folgte der beste Streckenabschnitt.
Ein wunderbares Laufgefühl
Durch etwas Rückenwind und Beine, die endlich ihren Rhythmus gefunden hatten, rollte es jetzt so richtig. Mit einem Tempo von gut 3‘30/km ging es jetzt zurück in Richtung Start-Ziel-Bereich. Dabei fühlte ich mich so gut wie seit Dienstag nicht mehr und ließ auch davon ab, neben Dominic zu laufen, um den wunderbaren Rhythmus nicht zu unterbrechen. Mit dem schnellsten 5-km-Abschnitt des Rennens (17’45) passierten wir gemeinsam Start und Ziel und gingen auf die letzten 10 km.
Für Dominic, der fortan von seinem Teamkollegen Martin auf dem Rad begleitet wurde, schien es jetzt aber härter zu werden. Er wurde gefühlt etwas langsamer. Sollte ich, der ich mich noch locker und gut fühlte, riskieren, neben ihn zu laufen? Immerhin ging es neben der Zeit auch um den Tagessieg.
Ich wagte es und versuchte vorbeizugehen. Wie so viele Male zuvor auch lässt Dominic das aber nicht zu und kontert sofort – energischer als zuvor, dieses Mal kommt ihm aber ein nicht jugendfreier Fluch über die Lippen, der mir zeigt, dass es gerade richtig anstrengend für ihn ist. Für mich noch nicht, ich bin noch immer in diesem wunderbaren Flow, der uns schon seit einigen Kilometern trägt.
Kurze Zeit später versuche ich es also erneut. Und komme diesmal tatsächlich weg. Das Blatt hat sich gewendet, jetzt bin ich der Gejagte. Wird er mich umgekehrt ebenso stellen können? Ab und zu höre ich Schritte in meinem Rücken, behalte mein Tempo aber einfach bei. Energiesparen ist angesagt, noch sind lange acht Kilometer zu laufen.
Ich muss mich nicht erneut erwehren: Innerhalb kürzester Zeit wird jetzt die Lücke größer, schon nach 18 km schätzt der Führungsradfahrer, dass ich bereits 150 m an Vorsprung habe. Sehr gut! Es wird Zeit für das dritte (Nr. 2 gab es nach etwa 7,5 km) und letzte Gel. Im Marathon will ich alle sieben Kilometer verpflegen, um möglichst viel Energie zuzuführen. Für den Transport habe ich das auf den Bildern zu sehende (Ober)Armband, in das sich vier Gels stecken lassen. Auch das wurde heute getestet.
Das Finale
So laufe ich also allein zum zweiten Wendepunkt und damit zur 20-km-Marke (18’09 bzw. 71‘44). Obwohl ich mich deutlich absetzen konnte bin ich etwas langsamer geworden. Die Müdigkeit vom Morgen ist zurück, sicher war das unrhythmische Laufen vom Beginn nicht wirklich ideal. Und dann weht jetzt natürlich der Wind, der uns eben noch so schön getragen hat, jetzt von vorne.
Aber die Lücke ist groß genug – beim Entgegenkommen klatsche ich mich mit Dominic ab – und die Anfeuerungen von den nachfolgenden Läufern tragen. Wie auf den letzten Marathonkilometern versuche ich den Schritt möglichst locker beizubehalten und komme schließlich zum letzten Kilometer. Die Uhr verrät mir, dass es für eine Zeit unter 1h30 nicht mehr reichen wird, dennoch freue ich mich – insbesondere wegen des spannenden Duells – sehr über den zweiten Sieg in Folge beim Seligenstädter Wasserlauf. 18’35 brauche ich für die letzten 5 Kilometer und bin somit nach 1h30’22 sieben Sekunden schneller als im Vorjahr.
Dass es auch recht warm war, merke ich erst jetzt so richtig. So viele Becher wie heute – dafür muss ich keinen Müll produzieren, weil es zum Jubiläum für jeden Finisher eine Tasse gibt – habe ich schon lange nicht mehr in der Zielverpflegung getrunken. Für den Marathon wünsche ich es mir etwas kühler und natürlich Rückenwind auf den letzten Kilometern 🙂
Der Überblick
Datum: So, 07. April 2019
Ort: Seligenstadt, Deutschland
Wettkampf: 40. Seligenstädter Wasserlauf
Distanz: 25 km
Zeit: 1h30’22 min
Platz: 1.
Crew: Svenja
Schuhe: adidas adizero adios Boost 3
Ernährung: 3 Gel
Fotos: Svenja
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