Der längste Tag des Jahres – das ist klar – ist beim Ironman in Frankfurt. Der schönste Tag des Jahres ist aber ganz klar der des Frankfurt Marathons! Denn nur einmal im Jahr fiebert die ganze Stadt auf den Sonntagmorgen hin, sieht jeder nur die blauen Linien auf den Straßen und rechnet in Minuten pro Kilometer und nicht in Kilometer pro Stunde. Marathon: ein großes Fest, eine Herausforderung, ein Abenteuer!
Nachdem ich in den vergangenen beiden Jahren von meiner Leistung enttäuscht war – 2014 war die zweite Hälfte 10, 2013 sogar 20 Minuten langsamer als die erste – musste und wollte ich in diesem Jahr etwas an der Vorbereitung ändern: das Hauptaugenmerk legte ich in den letzten 16 Wochen auf die Verbesserung des Fettstoffwechsels. In der Ernährung: weniger Kohlenhydrate; im Training: mehr Nüchternläufe, bis 40 km.
Es war hart, aber ich kam in Form. Immer besser. Vier Wochen vor dem großen Tag verlagerte sich dann der Fokus: mein Oberschenkel war überlastet. Mehr als eine Woche kein Laufen, dazu entfiel der letzte Formtest bei den hessischen Halbmarathonmeisterschaften. Durch Mobilisation und Kühlung besserte sich glücklicherweise das Problem. Ich konnte wieder laufen, der Marathon war immer noch möglich und ich wusste wieder, wie viel Spaß mir das Laufen macht!
Und dann war es endlich soweit, der Rennsonntag kam. Alle Muskeln locker, von einer Erkältung oder anderem Gebrechen blieb ich verschont. Ich hatte sogar noch Verstärkung bekommen: Axel, mein Trauzeuge, kam mal wieder auf Besuch in die Heimat und erklärte sich bereit, mir zu Beginn des Rennens Tempo zu machen. Ich organisierte ihm eine Startnummer, sodass auch alles mit rechten Dingen zuging.
So konnte ganz entspannt in den Wettkampfmodus umgeschaltet werden: Honig- und Nutellabrötchen zum Frühstück, dann gemeinsam mit Svenja, Axel und vielen weiteren Läufern mit der S-Bahn nach Frankfurt. Kleiderbeutelabgabe, dann ins Maritim-Hotel, wo unser Verein Spiridon Frankfurt wieder extra einen Raum für alle Spiridonis gebucht hatte. Noch ein Riegel und etwas Trinken. Eine Stunde vor dem Start lockeres Einlaufen, ein schnelles Foto mit Skechers, dann noch etwas ABC und wieder zurück ins Hotel. Trikot und Wettkampfschuhe an, Abklatschen, aufs Klo. Routine.
Dann gemeinsam mit Axel und Manu zum Startblock.
Trotz der deutschen Meisterschaften war das Einsortieren in diesem Jahr völlig entspannt: wir liefen einfach durch den Startkanal zurück und stellten uns direkt hinter die Elite. Ein letztes Begrüßen der bekannten Gesichter. Die Uhr starten. Und dann: endlich los!
Es war quasi Jogging, richtig langsam. Dennoch war der erste Kilometer mit 3’33 etwas zu schnell (der Plan sah 3’40 vor). Ich nahm es als gutes Zeichen, die Beine fühlten sich richtig gut an. Eigentlich hatte ich auch nur im Reflex auf die Uhr geschaut, ich konnte und wollte mich nur auf Axel verlassen. In der Folge waren wir auch sehr konstant und geradezu perfekt unterwegs, obwohl andere Gruppen teils heftig bremsten oder geradezu an uns vorbeischossen.
Ich konnte mich entspannen, meinen Rhythmus finden und die Atmosphäre aufsaugen. Die war nämlich phänomenal! Fast an der kompletten Strecke standen die Zuschauer dichtgedrängt, vom Gefühl her doppelt so viele wie in den letzten Jahren. Immer wieder hörte ich meinen Namen, oft erkannte ich die dazugehörigen Gesichter am Streckenrand. Es war genial. Auch die Durchgangszeiten waren perfekt: 18’12 nach 5 km, 36’39 nach 10 und exakt 55’00 nach 15 km.
Mit der Mainüberquerung war auch der erste Streckenabschnitt, die Frankfurter Innenstadt, geschafft. Jetzt wurde es einfacher. „Rollen“ war angesagt: mit minimalem Kraftaufwand die Geschwindigkeit halten. Einfach immer Axel hinterher. An jeder Verpflegungsstation nahm ich wenige Schluck Tee, weil mir das im Januar gut getan hatte; ab km 20 wollte ich zusätzlich Gels und am Ende Cola nehmen. Weil es doch wärmer als gedacht wurde, goss ich mir auch ab und zu Wasser über den Kopf.
Mein Schritt war weiterhin locker, als es in Richtung km 20 (1h13’25) für Axel anstrengend wurde. Und weil wir meinten, eine gute Gruppe gefunden zu haben, kündigte er bei km 18 rechtzeitig an, bei der nächsten Matte auszusteigen. Leider lagen wir mit der Gruppe falsch, denn schon kurz nach Axels Ausstieg sah ich mich allein auf weiter Flur. Plötzlich wurde es anstrengend, obwohl ich gerade erst ein Gel „verspeist“ hatte. Die Halbmarathonmarke passierte ich nach 1h17’23. Würde ich es wieder nicht schaffen, einen ordentlichen Marathon ins Ziel zu bringen? Ich lief weiter – was sollte ich auch anderes machen – versuchte locker zu bleiben und mich an der Unterstützung an der Strecke zu erfreuen: meine Eltern und Johannes waren unabhängig voneinander mit dem Fahrrad unterwegs und tauchten immer wieder frenetisch anfeuernd am Streckenrand auf. Außerdem erwarteten mich meine Nichte, Schwiegereltern und Schwager auf der Mainzer Landstraße, dort wollte ich doch lächelnd vorbeilaufen. Und ganz am Ende würde mich doch Svenja in der Festhalle erwarten!
Ich überstand das Tief: die Brücke kurz vor km 25 – bisher immer der Anfang vom Ende – kam mir überhaupt nicht steil vor. Die Gruppe vor mir kam immer näher. Und spätestens bei km 25 (mit 1h31’50 lag ich nur 10 Sekunden hinter dem Zeitplan) ging es mir wieder richtig gut. Ich nahm das zweite Gel und konnte Höchst zum ersten Mal richtig wahrnehmen. Das Überholen begann, obwohl nicht ich schneller, sondern lediglich die anderen langsamer wurden. Ich sammelte Gruppen ein, die uns am Anfang noch überholt hatten. Und erinnerte mich an meine eigene Aussage: „Wenn ich gut über die Brücke bei km 25 komme, dann wird es ein guter Marathon!“.
Bei km 30 lag ich mit 1h50’18 noch etwas weiter hinter dem Zeitplan, alles hielt sich aber im Rahmen. Ich machte Druck und überholte weiter. Verpasste unglücklicherweise das dritte Gel an der Verpflegungsstation, nahm stattdessen einen kleinen Schluck Cola. Dann sah ich leider meinen Mannschaftskollegen Manu am Straßenrand gehen, aber Gedanken an die Mannschaftswertung verschwendete ich nicht. Bei meinem Zuruf winkte er nur ab.
Dann kam km 32 und die Familie einen Daumen nach oben. Weiterhin arbeitete ich mich im Feld nach vorne, wurde aber doch etwas langsamer: nach 35 Kilometern (2h08’56) lag ich 36 Sekunden hinter dem Zeitplan. An der Verpflegungsstation bekam ich eine Trinkflasche mit Cola gereicht, die aber scheinbar überhaupt nicht wirkte, nur den Bauch voller machte. Es wurde hart, und ich langsamer. Jetzt begann sich das Spiel umzudrehen, ich selbst überholte weniger und musste immer öfter andere Läufer ziehen lassen. Der letzte, ungeliebte Abschnitt durch die Frankfurter Innenstadt begann. Ich versuchte, das Tempo so hoch wie möglich zu halten, merkte aber, dass sich wieder einmal Krämpfe in den hinteren Oberschenkeln anbahnten. Jedes Kilometerschild war mehr als willkommen, das Kopfsteinpflaster eine Qual. Endlich hatte ich bei km 40 das letzte Zwischenziel erreicht, konnte mit der Zeit von 2h28’48 aber nichts mehr anfangen. Jeden Schritt mit Bedacht wählen, sodass sich Krämpfe hoffentlich vermeiden lassen.
Dann endlich die letzte Rechtskurve auf die lange Gerade zum Hammermann. Und links zur Festhalle. Wieder war sie keine Belohnung, sondern Erlösung. Dennoch konnte ich jubeln, hatte ich doch meinen bisher besten Marathon gezeigt: 2h37’37! Bestzeit! Achteinhalb Minuten schneller als im letzten Jahr!
Erholung wurde mir allerdings nicht gegönnt, denn als ich wie auch sonst nach jedem Rennen auf die Knie sinken und nach Luft schnappen wollte, kamen sie, die Krämpfe. Heftig, und auf beiden Oberschenkelrückseiten gleichzeitig. Ich bekam Hilfe von gleich zwei Sanitätern, die mich mühelos aufhoben. Wieder stehend bekam ich die Krämpfe nach kurzer Dehnung wieder in den Griff, konnte ein paar Worte mit Svenja wechseln und mir meine Medaille und Zielverpflegung abholen.
Im Fazit also eine deutliche Leistungssteigerung, der neue Trainingsansatz ist der richtige. Der sehr lockere und gleichmäßige Beginn war ideal, natürlich gibt es noch Verbesserungspotential, insbesondere im Finish. Doch jetzt wird erst einmal das gelungene Rennen und die Saisonpause genossen, bevor neue Pläne geschmiedet werden.
Ich danke für die Unterstützung während und insbesondere auch in den Wochen/Monaten/Jahren vor dem Rennen!
Bilder von Svenja Heidl, Martin Luprich und Markus Herkert
Hallo Markus.
Glückwunsch zu dieser Leistung mit einer Superzeit! Der Marathonlauf ist und bleibt „eine Welt für sich“ und ist trotz aufwändigem, diszipliniertem sowie minutiösem Training nicht vollständig planbar… Aber da hast Du Dich gestern richtig erfolgreich „durchgebissen“.
Erhole Dich gut und genieße diesen fantastischen Erfolg!
Übrigens, wie immer: spannender, lebhafter, abwechslungsreicher, ausführlicher Bericht.
LG, Uwe